Clíodhna – die Königin der Banshees - ☘ gruene-insel.de
Irische Mythologie

Clíodhna – die Königin der Banshees

Written by Nadja Uebach

Wenn die Stürme über den Atlantik fegen und die Gischt an Irlands Küsten peitscht, dann erzählt der Wind Geschichten aus alten Zeiten. Allen voran sind das Geschichten, die tief in der Mythologie der Grünen Insel verankert sein. Und besonders im Südwesten handeln einige dieser Geschichten von Clíodhna – der schönen und mächtigen Göttin aus Munster, die auch als Königin der Banshees bezeichnet wird.

Ihre Legenden sind eng mit der Welt der Sagen und Legenden der kleinen Atlantikinsel verwoben und offenbaren eine faszinierende Verbindung von Naturgewalt, Schönheit und spiritueller Macht.

Göttliche Ursprünge – Tochter der Tuatha Dé Danann

Clíodhna, auch bekannt als Clídna oder Clíona, entstammt der Welt der Tuatha Dé Danann, jenem mächtigen Volk von Gottheiten und Zauberern, das Irland eins beherrschte und bewohnte. Erst als die Milesier die Grüne Insel entdeckten und für sich beanspruchten zog sich das Göttervolk in die Anderswelt zurück, wo es nach wie vor existieren soll.

Clíodhna war die Tochter von Gebann, dem Druiden des mächtigen Seegottes Manannán Mac Lir. Weshalb sie oft mit dem Meer in Verbindung gebracht wird. Ihr Name lässt sich auf Altirisch als „die Schöne“ deuten – eine treffende Beschreibung für eine Göttin, deren Anmut und Magie unübertroffen waren. Ein passender Name für die Göttin der Schönheit und Liebe.

In Munster, der südlichsten Provinz Irlands, gilt sie bis heute als Schutzpatronin und spirituelle Herrscherin. In der gesamten Provinz stehen zahlreiche Orte mit Geschichten über das Leben und Wirken der Göttin in Verbindung. Einer der wichtigsten ist dabei ihr Hauptsitz, der sich in Carrigcleena, bei Mallow im heutigen County Cork, befindet. Der Name dieses Ortes leitet sich von Carraig Clíodhna ab, was Cliodhnas Fels bedeutet und tatsächlich eine große Felsformation beschreibt, die einst Clíodhnas Zuhause war. Ein Ort, dem das Inselvolk noch immer mit Respekt und Ehrfurcht begegnet.

Allerdings werden auch andere Felsen in der Region mit der Göttin in Verbindung gebracht. Beispielsweise steht in der Brandung des Owenahincha Beach im Westen der Grafschaft Cork ein unscheinbarer Fels, der ebenfalls den Namen Clíodhna Rock trägt. Hier soll Clíodhna in Form einer Meerjungfrau gelebt und vor langer Zeit sogar einen jungen Mann in ihr felsiges Zuhause entführt haben. Dieser wurde erst mithilfe einer Hexe aus Baltimore wieder befreit. Legenden zufolge sieht man Clíodhna nach wie vor noch auf ihrem Felsen sitzen, besonders wenn Irland schwere Zeiten bevorstehen.

Banshee

Bild von Stefan Keller auf Pixabay

Clíodhna und Ciabhán – Liebe und Verrat

Die berühmteste Legende der Göttin erzählt von Clíodhnas Liebe zu Ciabhán, einem sterblichen Krieger von außergewöhnlicher Schönheit und Tapferkeit. Die Göttin der Liebe und Schönheit war so überwältigt von ihrer wachsenden Liebe für den Mensch, dass sie das Land Tír na nOg, in dem sie bisweilen lebte, verließ um mit ihrem Geliebten in der irdischen Welt zu leben. Eine Entscheidung, die dem Seegott missfiel.

Das ungleiche Paar verbrachte viel Zeit in Munster und eines Tages, kamen sie in das heutige Glandore in der Grafschaft Cork. Dort wollten die beiden einige Tage lang ein Lager aufschlagen. Um für Nahrung zu sorgen, machte Ciabhán sich auf den Weg zur Jagd. Clíodhna blieb derweilen allein am Strand zurück und schlief ein.
Doch ihr Aufenthaltsort blieb nicht lange unentdeckt. Manannán Mac Lir bemerkte die schlafende Göttin am Strand und rief eine große Welle herbei, die Clíodhna ins Meer spülte, wo sie schließlich ertrank.

Bis heute ist die Flut an besonders stürmischen Tagen in Glandore als Tonn Clíodhna bekannt (zu dt. Cliodhnas Welle).

Die drei großen Wellen Irlands – Wächter des Landes

Clíodhnas Welle ist jedoch nicht die einzige mythische Woge Irlands. In den alten irischen Legenden ist von drei sagenhaften Wellen die Rede:

  • Tonn Chlíodhna bei Glandore
  • Tonn Rudraige in der Dundrum Bay (County Down)
  • Tonn Tuaithe an der Flussmündung des Bann (County Derry)

Diese Wellen sind mehr als simple Naturphänomene. In der Mythologie gelten sie als lebendige, bewusst handelnde Kräfte, die in Zeiten großer Gefahr für Irlands Schutz da waren. Sie warnten die Menschen vor drohenden Kriegen, dem Tod von Königen oder anderen epochalen Veränderungen. Im Ernstfall, so glaubte man, würden diese Wellen übermächtige Energien entfesseln, um Irlands Unabhängigkeit zu schützen – geleitet von den alten Göttern und Geistern wie Clíodhna selbst. Mancherorts besteht dieser Glaube bis heute und wird besonders in turbulenten Zeiten als Trost und Sicherheit empfunden.

Clíodhna ist also nicht nur eine tragische Göttin, die für die Liebe ihr eigenes Leben gab, sondern fungiert zudem als stille Wächterin der Inselnation. Besonders in Munster hatte sie diese Rolle auch für bedeutende Familien inne, wie beispielsweise die MacCarthys, die O’Donovans und die FitzGeralds.

Königin der Banshees – Clíodhna als Todesbotin

In vielen Überlieferungen wird Clíodhna zudem sehr oft als die Herrin der Banshees erwähnt. Jene Geschöpfe, die in der irischen Mythologie mit einem markerschütternden Schrei den Tod ankündigen.

Doch im Gegensatz zu den später oft furchteinflößenden Banshee-Darstellungen war Clíodhna eine edle, traurige Erscheinung, die dem Sterbenden und seiner Familie einen letzten Liebesdienst erwies.
Ihr Klagelied war keine Drohung, sondern ein letzter, trauernder Gesang für die, die das irdische Leben hinter sich ließen.

Der Blarney Stone – ein Geschenk Clíodhnas

Eine weitere, volkstümliche Legende verbindet Clíodhna mit dem berühmten Blarney Stone, der heutzutage in den dicken Mauern des Blarney Castle zu finden ist. Man erzählt sich, dass Cormac MacCarthy, ein mächtiges Clanoberhaupt aus Blarney, Clíodhna im 15. Jahrhundert wegen eines Rechtsstreits um Hilfe bat.
Clíodhna gab ihm den Rat, einen bestimmten Stein im Fluss zu küssen, der ihm fortan Überzeugungskraft und Redegewandtheit verleihen sollte. Gesagt getan, Cormac küsste den Stein und gewann daraufhin den Rechtsstreit. Aus Dankbarkeit ließ er anschließend den Stein in seine Burgmauer einbauen.
Noch heute zieht es jedes Jahr tausende Besucher nach Blarney, um den Stein zu küssen und ein wenig von Clíodhnas Gabe zu erlangen.

Blarney Stone

Clíodhnas Geschichten: Die heilsamen Vögel

Eine weniger bekannte, aber faszinierende Seite Clíodhnas ist ihre Rolle als Heilerin.
Drei magische Vögel begleiteten sie – Kreaturen, die ausschließlich von den goldenen Äpfeln eines heiligen Baumes der Anderswelt lebten. Dabei soll der Gesang dieser Geschöpfe so süß und rein gewesen sein, dass er selbst die tiefsten Wunden heilte und gebrochene Seelen wieder zusammensetzte.

In einer Zeit, in der Krankheit und Tod allgegenwärtig waren, erschien Clíodhna mit ihren Vögeln nicht selten als die letzte Hoffnung.

Übrigens: Vielen Berichten zufolge hatte Clíodhna auch die Gabe sich selbst in Tiere zu verwandeln. Besonders häufig bringt man sie mit dem Zaunkönig oder einem weißen Hasen in Verbindung. In dieser Gestalt galt sie auch manchmal als Beschützerin der Tiere.

Clíodhna heute – eine lebendige Legende

In Irlands Süden, vor allem in Cork und Kerry, leben Clíodhnas Geschichten bis heute weiter und werden noch immer von Generation zu Generation weitergegeben. Ihre Welle rollt nach wie vor an die Küste von Glandore. Ihr Geist scheint allgegenwärtig.

In einer Welt, die sich oft von ihren Ursprüngen entfernt, bewahren Orte wie Carrigcleena, Blarney, Glandore oder Owenahincha die Erinnerung an die mächtige Göttin, die Liebe, Tod, Schönheit und Natur in sich vereint.

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Über den Autor

Nadja Uebach

Da ich seit 2008 auf der grünen Insel lebe, bedeutet Irland für mich in erster Linie Alltag. Wenn ich nicht mit meinem Laptop bewaffnet in einem Café oder Zuhause sitze und schreibe, findet man mich höchstwahrscheinlich mit meinen drei Kindern am Strand. Die Natur, die Kultur und insbesondere die Menschen sorgen dafür, dass sich in unseren Alltag immer wieder ein bisschen Magie einschleicht. Diese besondere irische Alltagsmagie versuche ich in meinen Texten in Worte zu fassen.

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