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Irische Mythologie

Die Wächterbäume von Irland

Wächterbäume Irland
Written by Nadja Uebach

Irlands Flickenteppich sanfter grüner Hügel verschwimmt in der Ferne mit dem Horizont. In der kühlen Brise schwingt der Duft feuchter Erde und wilden Thymians mit, während dünne Nebelbänder zwischen den Stämmen alter Bäume tanzen. Einer dieser Bäume setzt sich vom Grün der Landschaft ab. Ein majestätischer Wächter mit tief zerfurchter Rinde und knorrigen Ästen, die weit in den Himmel ragen. Ein Bild aus längst vergangenen Tagen, das jedoch bis heute in Legenden und Geschichten lebendig wird. Denn die Wächterbäume Irlands sind als Symbole von Schutz und Tradition tief mit der Seele der Grünen Insel verbunden.
In diesem Beitrag erfahrt Ihr, welche Bedeutung diese Wächterbäume und andere heilige Bäume in Irland einst hatten und warum, diese auch in der heutigen Zeit noch greifbar ist.

Bile – die heiligen Bäume der Grünen Insel

Früher, als die Insel noch in die vielen Territorien verschiedener Stämme unterteilt war, hatte jeder Stamm einen eigenen Clan-Baum – einen sogenannten Bile. Diese Bäume standen oft an zentralen Orten der Stammesländereien und waren meist von anderen Heiligtümern wie beispielsweise Dolmen oder Ahnengräbern umgeben. Sie dienten dem Stamm hauptsächlich als Versammlungsort, an dem Rituale abgehalten und Feste gefeiert wurden. Der Bile verkörperte den Zusammenhalt und die Identität des gesamten Stammes und ein Stamm ohne seinen Wächterbaum, war wie ein Krieger ohne Schwert.
Die Menschen glaubten, dass die Bile die Kräfte der Erde mit denen des Himmels verbanden. Ihre tiefen Wurzeln symbolisierten die Verbindung zur Vergangenheit, zu den Ahnen und zu allem irdischen. Die Äste, die sich weit in den Himmel erstreckten, stand für die Nähe zu den Gottheiten. Dieser Dualismus machte die Bäume zu heiligen Mittlern zwischen den Welten.

Ihr Schutzgeist sollte den Stamm vor Unheil bewahren und gleichzeitig das Wohlergehen der Gemeinschaft sichern. Der Verlust eines Bile war ein harter Schlag gegen den gesamten Stamm und hatte oftmals auch politische Konsequenzen. Es war nicht unüblich, dass Feinde in kriegerischen Zeiten die Wächterbäume ihrer Gegner zerstörten, um deren moralisches und spirituelles Rückgrat zu brechen oder den Sieg über den gegnerischen Stamm zu demonstrieren.
Dieser symbolische Akt wurde jedoch schon bald in den mittelalterlichen Gesetzen der Insel, den Brehon Laws, geahndet. Je nachdem, um welche Art von Baum es sich handelte, wurde das mutmaßliche Fällen eines Bile mit dem Mord eines Clanoberhauptes gleichgesetzt.

Die fünf heiligen Wächterbäume von Irland

Neben der Wächterbäume der Stämme gab es in Irland auch fünf große Bile, die über das gesamte Land wachten. In der Zeit der irischen Hochkönige erschien der gewaltige Riese Trefuilngid Treochair auf dem Hill of Tara, als der amtierende König Conaing Bececlach eine Versammlung abhielt. Mit seinem mächtigen Stab, der voller Früchte wie Äpfel, Eicheln und Haselnüsse hing, und seinem goldenen Haar, das ihm bis zu den Knien fiel, wirkte der Gigant wie ein Wesen aus einer anderen Welt.

Hill of Tara bei Sonnenaufgang in der Vogelperspektive

Hill of Tara © macmillan media, Tourism Ireland

Er rief die weisesten Druiden aus allen Ecken Irlands zusammen und teilte sein uraltes Wissen mit ihnen. Anschließend übergab er die Samen seines Stabes dem Druiden Fintan. Dieser pflanzt sie an fünf besonderen Orten der Insel an: in Kildare, Meath, Westmeath, Carlow und am heiligen Hügel von Uisneach, dem Herz Irlands. Aus diesen Samen wuchsen die fünf Wächterbäume, die als Symbole der Einheit und Stärke die einst fünf Provinzen der kleinen Insel vereinten und über sie wachten.

Eó Mugna – Die sagenhafte Eiche

Obwohl Éo das altirische Wort für Eibe ist, war Éo Mugna eine Eiche – der wohl heiligste Baum der alten Kelten. Sie soll im heutigen Ballaghmoon (Irisch: Bealach Mughna) im County Kildare ihre mächtigen Äste in den Himmel gestreckt haben, die nicht nur Eicheln, sondern auch Äpfel und Haselnüsse trugen – Symbole des Überflusses und der Weisheit. Eó Mugna war der bedeutendste aller Wächterbäume. Es heißt, seine Wurzeln reichten bis zu „Connla’s Well“ in der Anderswelt, was in der Mythologie als die Ursprungsquelle des Shannon gilt.

Wächterbäume von Irland: Bile Tortan – die Esche des Schutzes

Bile Tortan war eine hochragende Esche, die in Ardbraccan in der Nähe von Navan im County Meath ihre Wurzeln geschlagen hat. Es heißt, die Esche schützte die Menschen in dieser Region und wurde als die Seele des Landes angesehen. Sogar St. Patrick soll sich diese heilige Stätte zu Nutzen gemacht und dort eine Abtei gegründet haben. Im Jahr 600 soll Bile Tortan aus unbekannten Gründen gefallen sein und mit ihm auch die Sicherheit und der Wohlstand der gesamten Region.

Eó Ruis – die einzigartige Eibe

Eó Ruis war die einzige Eibe unter den Wächterbäumen von Irland und wurde von Fintan am Ufer des Fluss Barrow im heutigen Leighlinbridge im Co. Carlow gepflanzt. Auch hier wachte der Bile über seine Provinz und galt als Lebenselixier aller Wesen und Pflanzen. Im siebten Jahrhundert wurde Eó Ruis gefällt. Sein Holz wurde anschließend von St. Molaisse an andere Heilige verteilt, die damit Kirchen und heilige Rückzugsorte bauten. So hat man diese wichtige keltische Stätte nicht nur symbolisch ins Christentum gebracht.

Craeb Daithí – die würdevolle Esche

In der Ebene von Farbill in der Grafschaft Westmeath erhob sich Craeb Daithí. Sie war eine mächtige Esche, deren Äste weit über die Landschaft ragten. Sie stand für Schutz und die Vernetzung der verschiedenen Provinzen Irlands. Craeb Dathí stand besonders für Einklang und Harmonie. Obwohl niemand weiß, wann genau dieser Bile sein Ende fand, geht man davon aus, dass er der letzte Wächterbaum war, der fiel.

Craeb Uisnig – majestätische Esche im Herzen Irlands

Diese imposante Esche stand am Hill of Uisneach, dem frühen geistigen Zentrum der Grünen Insel. Unter den schützenden Ästen von Craeb Uisnig versammelten sich die Hochkönige und Druiden für Rituale und Festlichkeiten. Über den Fall von dieser Esche ist kaum etwas bekannt. Allerdings wird angenommen, dass sie ebenfalls im 7. Jahrhundert ihren Niedergang fand.
Obwohl die fünf Wächterbäume von Irland nicht mehr in ihrer einstigen Form existieren, so leben sie in den Legenden und Geschichten der kleinen Atlantikinsel weiter, wo sie bis in alle Ewigkeit Schutz, Einklang, Stärke und Harmonie verkörpern. Einigen Überlieferungen zufolge sollen die fünf Bile Irlands eines Tages aus ihren Wurzeln erneut wachsen und über die Grüne Insel sowie ihre Bewohner wachen.

Bile – die ewigen Wächterbäume von Irland

Fairy Fort

© Nadja Uebach

Die Bile und ganz besonders die fünf Wächterbäume von Irland waren mehr als großgewachsene Pflanzen. Bei den alten Kelten hatten sie eine eigene Seele und Rolle zu erfüllen. Auch wenn die Bile heute nicht mehr stehen, erzählen ihre Geschichten von einer Zeit, in der die Natur heilig war und man als Mensch im Einklang mit allen Lebewesen auf dieser Welt lebte. Ein Wissen und eine Lebensart, die in der heutigen Zeit immer mehr verloren gehen. Doch die Tatsache, dass wir uns die Geschichten der Bile auch heute noch erzählen, zeugt davon, dass wir nach wie vor ein kleines Stück dieser uralten Weisheit in uns tragen.

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Über den Autor

Nadja Uebach

Da ich seit 2008 auf der grünen Insel lebe, bedeutet Irland für mich in erster Linie Alltag. Wenn ich nicht mit meinem Laptop bewaffnet in einem Café oder Zuhause sitze und schreibe, findet man mich höchstwahrscheinlich mit meinen drei Kindern am Strand. Die Natur, die Kultur und insbesondere die Menschen sorgen dafür, dass sich in unseren Alltag immer wieder ein bisschen Magie einschleicht. Diese besondere irische Alltagsmagie versuche ich in meinen Texten in Worte zu fassen.

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