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Irische Mythologie

Die Legende von Knockfierna

Knockfierna
Written by Monika Dockter

An der Westküste Irlands, im Herzen des County Limerick, liegt ein Hügel namens Knockfierna. Er ist der Schauplatz der Legende von Knockfierna.

Knapp 300 Meter hoch ragt er über der Landschaft auf und ist damit auch von Weitem zu sehen. So sagt man, wer immer in der Umgebung  wissen möchte, wie das Wetter wird, muss nur zum Gipfel des Knockfierna blicken und erkennt sofort, ob Regen naht. Dann nämlich hüllt sich der Hügel in Dunst oder Nebel als Zeichen dafür, dass es bald regnen wird. Daher rührt auch der Name des Berges, ‘Knock Dhoinn Firinne, der Berg der Wahrheit. Er verrät dem Beobachter die Wahrheit über die Wetterlage.

Allerdings kann man dies auch wesentlich lyrischer ausdrücken, wie es die Iren gerne tun. Nämlich so:  Donn, der Herr der Feen über diesen Hügel, und sein Volk sammeln zuerst die Wolken und lassen sie eine Weile auf dem Gipfel des Hügels stehen, um die Menschen vor dem Regen zu warnen, ehe sie diesen dann tatsächlich über ihren Köpfen niedergehen lassen …

Aber es gibt noch weit mehr Sagenhaftes über den Knockfierna zu erzählen. Deshalb findet ihr im Folgenden eine Version der Legende von Knockfierna.

Die Legende von Knockfierna: Der furchtlose Carroll O‘Daly

In Irland lebte einst ein Mann namens Carroll O’Daly. Er war ein strammer, junger Bursche aus Connaught, den seine Mitmenschen mitunter auch ‚Devil Daly‘ nannten.

Der junge Daly nämlich kannte keine Furcht: zu jeder Tages- oder Nachtzeit wagte er es, über Friedhöfe oder sonstige Orte gehen, wo das Volk der Feen zu wohnen pflegt.

Er reiste durchs ganze Land, war mal hier, mal dort zu finden, denn allzu lange hielt es den abenteuerlustigen Carroll nie an einem einzigen Ort. So geschah es, dass er eines Tages auf seinem Weg nach dem Orte Killmanock das County Limerick durchquerte.

Gerade am Fuße des Hügels Knockfierna begegnete er einem anderen Reisenden auf einem munter trabenden weißen Pony. Die beiden begrüßten einander sehr höflich, wechselten aber nicht viele Worte, während sie eine Weile einträchtig nebeneinander her ritten.

Schon brach die Dämmerung herein, als Carroll O’Daly sich schließlich bescheiden erkundigte, wie weit der andere noch zu reiten gedachte.

„Nicht mehr weit auf dem Wege, den du noch vor dir hast!“,  entgegnete dieser. „Ich reite nur noch bis zum Gipfel dieses Hügels“.

Die Legende von Knockfierna: Carroll O’Daly besteigt den Berg

„Was könnte es wohl sein, das dich um diese dunkle nächtliche Stunde auf den Hügel hinauf treibt?“, erkundigte sich O’Daly verwundert.

„Nun, wenn du es unbedingt wissen willst: Es ist das ‚stille Volk‘!“, erklärte der Fremde, den Carroll für einen Farmer hielt.

„Die Feen, meinst du!“, rief der junge Carroll aus.

„Sprich nicht so laut, guter Mann, ansonsten könnte es dir noch leidtun!“ Damit verabschiedete sich der Fremde und wendete sein Reittier ab vom Hauptweg auf einen kleinen Pfad den Hügel hinan.

„Dieser Kamerad“, so dachte O’Daly bei sich, „führte heute Abend nichts Gutes im Schilde! Ich schwöre bei allen Geistern, dass ihn etwas anderes dort hinauftreibt als das Stille Volk der Feen. Die Feen, ha! Als würde ein vernünftiger Mann diesem kleinen Völkchen nachlaufen, den winzigen Kerlen mit den roten Kappen! Zwar behaupten manche, es gebe derartige Geschöpfe, andere jedoch – und von ihnen gibt es mehr  – sagen, es gäbe sie nicht. So viel steht aber fest: ich fürchte nicht ein Dutzend von ihnen, nicht einmal zwei Dutzend, wenn ich’s recht bedenke, solange sie nicht größer sind, als man von ihnen zu sagen pflegt!“

Mit derlei Gedanken im Kopf hielt der junge Carroll seinen Blick stets auf den Berg gerichtet, hinter dem unterdessen der Mond in seiner vollen Pracht aufstieg.  Vor dem hellen Schein des Mondes erkannte er auf einem kleinen Felsvorsprung die schwarzen Umrisse eines Mannes auf einem Pferd. Es war der Farmer, der bis vor Kurzem noch an seiner Seite gereist war.

Wie ein Blitz durchzuckte da den jungen Burschen der Gedanke, dem Fremden den Berg hinauf zu folgen. Mut und Neugier wurden in seiner eigenen stolzen Überlegung zur Ritterlichkeit, sodass er ausrief: „Ich komme mit dir, guter Mann!“

Er stieg von seinem Pferd, band es an einen Weißdornstrauch und stieg eilig bergan.

Die Legende von Knockfierna: O’Daly und das schwarze Loch im Berg

So gut er vermochte folgte O’Daly dem Mann auf seinem Pony, geleitet von dessen Gestalt, die er hin und wieder im Mondlicht zu sehen bekam. Drei Stunden lang stieg er auf diese Weise über Stock und Stein und sumpfige Wiesen, bis er endlich auf einem grünen Plätzchen am Gipfel das weiße Pony erblickte. Friedlich graste es auf der Wiese, allein sein Reiter war nirgends zu erblicken.

Ganz in der Nähe des Ponys aber entdeckte der tapfere Carroll eine Öffnung im Boden, gleich einem tiefen Schacht hinab in die Tiefe und bis auf den Grund des Berges.

Bei diesem Anblick dachte er an manche Geschichten aus seiner Kindheit, dass dieses schwarze Loch nichts anderes sei als der Eingang zu dem Feenreich mit seinem Schloss, das sich tief unten im Berge verbarg. Eines Tages war ein Landvermesser namens Ahern, der die Tiefe dieser Mündung hatte ausmessen wollen, an seiner Meßschnur hinab ins Loch gezogen worden und niemand hatte ihn jemals wieder gesehen noch gehört.

„Das ist doch nichts anderes als das Geschwätz furchtsamer Kinder und Feiglinge!“, dachte O’Daly bei sich. „Und da ich nun schon so weit gekommen bin, will ich doch sehen, ob ich nicht hinabsteigen und an das Tor dieses Schlosses klopfen kann, um die Feen persönlich zu erblicken!“

Mit derlei Aussichten schob er all seine Bedenken beiseite und schritt mutig zur Tat. Doch statt sich augenblicklich selbst in den Schacht hinab zu werfen, warf der tapfere O’Daly zunächst einmal einen Stein in die dunkle Öffnung.

Die Vergeltung der Feen

Feenpfade in Irland

Versteckt in den Bäumen, da leben die Feen Irlands (© Yvonne Treptow-Saad)

Der Stein war mächtig groß und schwer, O’Daly konnte ihn mit beiden Händen kaum umfassen. Er schleuderte ihn hinab, so kräftig er es vermochte. Mit einem lauten, furchterregenden Krachen polterte der Stein in die Tiefe, prallte gegen die felsigen Wände des Schachtes, sodass das Poltern kein Ende nehmen wollte.

Besorgt beugte der junge Bursche sich nach vorne, damit ihm nicht entginge, wenn das Poltern endlich stoppte, weil der Stein den Grund des Schachtes erreicht hatte.

Lauschend hielt er seinen Kopf direkt über der Öffnung, als der Stein, den er doch hinabgeworfen hatte, zu ihm zurückkam! Mit ebenso viel Macht, wie er gefallen war, sprang er wieder zurück an die Erdoberfläche und auf direktem Wege ins Gesicht des Lauschers. Ja, der Stein gab O’Daly einen solchen Schlag, dass dieser, ehe er wusste, wie ihm geschah, über Stock und Stein und sumpfige Wiesen den ganzen Berg wieder hinabrollte. Noch viel rascher, als er den Knockfierna bestiegen hatte, landete er wieder am Fuße des Hügels.

Als der neue Tag anbrach, fand man Carroll O’Daly neben seinem Pferde liegend. Sein Nasenrücken war gebrochen, sein ganzes Gesicht zerschunden und blutig, und der junge Mann war für den Rest seines Lebens entstellt.

Seit jenem Tage aber ritt er niemals wieder alleine über Feengrund; und wenn es geschah, dass er noch zu nächtlicher Stunde auf einsamer Straße unterwegs war, so hielt er sich strikt an den Weg, blickte nicht nach rechts oder links, um das Volk der Feen oder diejenigen in ihrer Gesellschaft zu suchen …

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Über den Autor

Monika Dockter

Als Schriftstellerin bedeutet Irland für mich Inspiration in ihrer schönsten Form. Ich finde diese Inspiration in den Worten begnadeter irischer „Storyteller“, zwischen den verschlungenen Wurzeln einer uralten Eiche und auf der Brücke über einen Bach, dessen Wasser vom Torf so braun ist wie der Ginster am Ufer gelb…
Für die gruene-Insel.de zu schreiben betrachte ich als einmalige Gelegenheit, etwas von der für mich so faszinierenden Atmosphäre dieses Landes weiterzugeben – und zwar an eingefleischte Irlandfans ebenso wie an solche, die genau das einmal werden wollen.

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