Fairy Forts in Irland: Irische Feenfestungen und ihre Geheimnisse - ☘ gruene-insel.de
Irische Mythologie

Fairy Forts in Irland: Irische Feenfestungen und ihre Geheimnisse

Written by Nadja Uebach

Ein feiner Nieselregen liegt wie ein Schleier über den grünen Hügeln und der Himmel ist ein endloses Grau. Die Welt scheint die Luft anzuhalten, leise, gedämpft, fast lauschend. Keine Stimmen, keine Motoren, kein Vogelgesang, nur das leise Rieseln der feinen Tropfen. Mitten im Feld erhebt sich ein flacher runder Hügel umringt von einer moosbewachsenen Mauer und knorrigem Weißdorn fast wie ein kleines Wäldchen – ein stiller Wächter von Geschichten, die so alt sind wie das Land selbst. Fairy Forts oder Feenfestungen gibt es in Irland überall. Sie gelten als Tore zur Anderswelt, Wohnorte der irischen Feen und Orte besonderer Energien.
In den nächsten Zeilen erfahrt ihr, was Fairy Forts genau sind, wo man sie findet und welche Geschichten sich bis heute um diese geheimnisvollen Plätze ranken.

Fairy Forts: Was genau ist eine Feenfestung?

Fairy Forts – auf Irisch Lios oder Ráth – sind prähistorische Ringforts, die den Inselbewohnern einst als befestigte Wohnstätten dienten. Die ältesten stammen aus der Eisenzeit, allerdings wurden sie bis ins frühe Mittelalter gebaut. Sie bestehen aus kreisförmigen Erdwällen oder niedrigen Steinmauern, manchmal umgeben von einem oder mehreren Gräben. Schätzungen zufolge gab es einst über 60.000 solcher Forts auf der Insel, von denen heute noch rund 45.000 existieren. Viele davon sind jedoch dicht überwuchert und kaum noch sichtbar.

Im Volksmund glaubte man viele Jahre lang, dass diese Forts von den Wikingern erbaut wurden. Tatsächlich existierten die meisten dieser Anlagen allerdings bereits lange bevor das Volk aus dem Norden auf die Grüne Insel kam. Womöglich haben sich die Wikinger in einigen verlassenen Ringforts niedergelassen und die oft erhöhte Lage strategisch genutzt. Vielleicht war es aber auch der fremdartige Charakter der Forts, der sie den „anderen“, den „nicht von hier Stammenden“ zuschrieb – den Wikingern, oder eben: den Feen.

Geheimnisse unter der Erde

Fairy Fort

© Nadja Uebach

Von wem genau die Forts gebaut und wie sie genutzt wurden, gibt bis heute noch einige Rätsel auf. In zahlreichen Berichten ist beispielsweise von unterirdischen Tunneln die Rede, sogenannte Souterrains, die sich unter den Forts befinden. Viele dieser Tunnel sind mit flachen Felsen ausgekleidet, eng, dunkel und bizarr verwinkelt. Vielerorts heißt es, dass einige der Forts über diese Tunnel miteinander verbunden sind. Das genaue Ausmaß dieses unterirdischen Netzwerks ist jedoch bis heute nicht bekannt. Ursprünglich vermutlich als Lager- oder Fluchtsysteme gedacht, werden die Gänge im Volksglauben oft als Wege in die Anderswelt gedeutet. Manche glauben, dass die Feen diese Tunnel immer noch nutzen, um sich ungesehen durch das Land zu bewegen.

Die Sidhe – Bewohner der Anderswelt

In der irischen Mythologie sind die Sidhe keine niedlichen Tinkerbells, sondern mächtige, oft launische Wesen aus einer anderen Welt. Den alten Legenden nach zog sich das göttliche Volk der Tuatha Dé Danann unter die Hügel der Atlantikinsel zurück, als die Menschen begannen, das Land zu besiedeln. Aus ihnen wurde das Volk der Sidhe, die irischen Feen, die im Volksmund auch oft als „Good People“ bezeichnet werden.

Um die Existenz des Feenvolks rangen sich unzählige Geschichten und Erzählungen, die seit jeher von Generation zu Generation weitergegeben werden. Erzählungen, die bis heute dafür sorgen, dass die Inselbewohner vor den Fairy Forts, aber auch Steinkreisen, Dolmen und anderen Überbleibseln aus der Vergangenheit Respekt haben. Kaum ein Ire würde beispielsweise eine solche Feenfestung beschädigen oder sich in unmittelbarer Nähe respektlos verhalten.

Fairy Forts & Volksgeschichten: Begegnungen mit dem Unsichtbaren

Dank eines volksgeschichtlichen Projekts, das in den 1930er Jahren auf der Grünen Insel stattfand, haben wir heutzutage Zugriff auf ein umfangreiches irisches Folklore Archiv, in dem man zahlreiche Geschichten über die Feen und ihren Begegnungen mit Menschen findet.

Das Feenbegräbnis – Fairy Funeral

Ein Mann aus County Clare erzählte, wie er eines Nachts auf dem Heimweg an einem Fairy Fort vorbeikam. Plötzlich hörte er Musik – leise und traurig wie bei einem Trauermarsch. Er entdeckte eine Prozession winziger Gestalten in der Nähe des Forts, die einen ebenso kleinen Sarg trugen. Der Mann erinnerte sich an die Warnungen, die durchs Dorf kursierten. Wer den Feen begegnet, soll weder stehen bleiben, noch sich in ihre Machenschaften einmischen. Dennoch beschloss der Mann, den Trauerzug zu beobachten. Eine verheerende Entscheidung, denn er verlor seine Stimme.

Diese Geschichte ist kein Einzelfall, Feenbegräbnisse findet man im Volksglauben häufig. Nicht immer werden die Menschen dabei verletzt oder anschließend von Unheil befallen. Mindestens genauso häufig wird erzählt, dass die menschlichen Besucher aktiv an den Beerdigungen teilnehmen und beispielsweise als Sargträger fungieren. Einzig am Leichenschmaus darf man als Mensch nicht teilnehmen, denn im Beisein von Feen zu essen oder zu trinken würde bedeuten, für immer im Reich der „Good People“ gefangen zu sein.

Das Feenhurling – Fairy Hurling Game

Fairy Fort

© Nadja Uebach

Eine weitere Geschichte stammt aus der Grafschaft Cork. Ein junger Mann war kurz vor Sonnenuntergang in der Nähe eines Fairy Forts unterwegs und bemerkte seltsame Laute in einem benachbarten Feld. Dort war ein Hurling Spiel im Gange, allerdings waren die Spieler allesamt klein und seltsam gekleidet. Als der Mann neugierig näher trat, verstummte das Spiel abrupt. Einer der Feen reichte ihm einen Hurley (Hurling-Schläger) und forderte ihn zum Mitspielen auf. Der junge Mann besann sich jedoch den alten Geschichten, in denen es hieß, die Feen in Ruhe zu lassen, und ergriff das Weite.

Auch Hurlingspiele finden sich in Feengeschichten sehr viele. Manchmal heißt es, dass die Menschen gemeinsam mit den Feen spielen und anschließend verwirrt mitten im Feld aufwachen, als wäre nichts gewesen. Des Öfteren werden Menschen von den Feen auch als Schiedsrichter eingesetzt.

Das verschwundene Kind – Taken by the Fairies

In einer überlieferten Erzählung aus County Donegal berichtet eine Mutter, wie ihr Säugling plötzlich seltsam ruhig und verändert war. Die Großmutter glaubte, das Kind sei von den Feen ausgetauscht worden und sei ein sogenannter Changeling. Sie legte brennende Eisenstücke auf die Schwelle und sprach alte Schutzgebete. In derselben Nacht erschien ein seltsames, leuchtendes Licht am Fenster – und am nächsten Morgen war das Kind wieder wie zuvor.

Geschichten von Changeling-Kindern oder -Tieren sind in Irland und auch Schottland weit verbreitet. Man nimmt an, dass sich die Menschen mithilfe dieser Geschichten Krankheiten oder Behinderungen im Säuglingsalter erklärt haben.

Mehr als Aberglaube

Man könnte meinen, solche Geschichten gehören der Vergangenheit an – aber nicht in Irland. Obwohl es mittlerweile kaum noch traditionelle Geschichtenerzähler gibt, bleibt das Interesse an den irischen Feen bestehen.

Eines der bekanntesten Beispiele für den großen Respekt vor den Feen ist sicherlich der Bau der M18 im County Clare. Dort wurde der Entwurf für eine Autobahnstrecke aufgrund eines Feenbusches umgeplant. Der Weißdornbusch bei Latoon soll ein wichtiger Treffpunkt des Feenvolkes sein, sodass beim Bau der Straße viele Einwohner forderten, den Verlauf der Autobahn zu verlegen. Heute führt die Autobahn an dem Busch vorbei und die Feen sind allen Anschein nach glücklich.

Jeder Ire kennt zudem mindestens eine Geschichte, in der eine Feenfestung von Menschenhand beschädigt wurde und der Verursacher oft mit der ganzen Familie vom Unglück verfolgt wurde. Solche Erzählungen sind einer der Gründe für den großen Respekt der Menschen vor diesen Orten.

Fairy Forts in Irland: Orte voller Magie

Irland ist übersät mit Fairy Forts – oft versteckt, verwunschen, beinahe vergessen. Doch sie sind da. Und wer mit offenen Augen durch das Land reist, entdeckt sie an fast jeder Ecke. Einige Exemplare sind auch an mythologisch bedeutenden Orten wie dem Hill of Tara oder Hill of Uisneach zu finden.
Weniger bekannte Forts stehen oft mitten in Feldern und sehen von Weitem aus wie kleine, runde Wälder. Da sich der Großteil der Feenfestungen auf Privatland befindet, ist es wichtig, entweder auf Hinweisschilder zu achten, die der Besitzer mancherorts für Besucher bereitgestellt hat, oder die Erlaubnis des Landeigentümers vor dem Besuch einzuholen.

Hill of Tara bei Sonnenaufgang in der Vogelperspektive

Hill of Tara © macmillan media/Tourism Ireland

Bei den Iren gelten für den Besuch eines Fairy Forts zudem noch ganz besondere Regeln:

  • Es darf weder etwas im Fort zerstört noch etwas von dort entwendet werden (Die Rede ist von Blätter abreißen, Steine mitnehmen, etc.)
  • Die Feen müssen vor Betreten des Forts um Erlaubnis gefragt werden. Das wird meist auf Irisch getan: „An feidir liom teacht isteach?“ Das wird so ausgesprochen: An fedder lomm tschockt ischtock und bedeutet so viel, wie: Darf ich eintreten? Viele Menschen berichten, dass sie als Antwort auf diese Frage oft ein warmes, wohliges Gefühl verspüren und sich willkommen fühlen. Allerdings gibt es auch Berichte, die behaupten, dass einem mulmig zumute wird und man das Fort gar nicht mehr betreten möchte. Also unbedingt aufs Bauchgefühl hören!
  • Den Feen wird oft eine Kleinigkeit als Dankeschön hinterlassen. Bei den Iren sind Münzen, Muscheln oder bemalte Steine sehr beliebt.
  • In einem Fairy Fort soll weder gegessen noch getrunken oder geschlafen werden.

Egal, ob man nun an die alten Geschichten glaubt und die Feenfestungen als mystische Orte besucht, oder sich die Forts als spannende Überbleibsel aus der Vergangenheit ansieht, das Wichtigste ist, diese besonderen Plätze zu genießen und sie so zu verlassen, wie man sie vorgefunden hat.

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Über den Autor

Nadja Uebach

Da ich seit 2008 auf der grünen Insel lebe, bedeutet Irland für mich in erster Linie Alltag. Wenn ich nicht mit meinem Laptop bewaffnet in einem Café oder Zuhause sitze und schreibe, findet man mich höchstwahrscheinlich mit meinen drei Kindern am Strand. Die Natur, die Kultur und insbesondere die Menschen sorgen dafür, dass sich in unseren Alltag immer wieder ein bisschen Magie einschleicht. Diese besondere irische Alltagsmagie versuche ich in meinen Texten in Worte zu fassen.

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