Die Lippen schmecken nach Salz und die Wangen sind von der steten Atlantikbrise gerötet, die den weißen Turm ununterbrochen umweht. Kein menschgemachtes Geräusch dringt an die Ohren. Neben dem Tosen der Wellen und dem Rauschen des Windes sind lediglich die schrillen Schreie der unzähligen Vögel zu hören, die sich in den umliegenden Felsen eingenistet haben. Das Leben auf einem Leuchtturm Irlands war nicht nur rauer als auf dem Festland, sondern widersprüchlicherweise auch von Kameradschaft und Einsamkeit geprägt. Besonders auf den sogenannten Rock Stations, die nicht mit dem Festland verbunden sind, war das Leben härter und auf eine Art auch simpler. Irische Leuchtturmwärter haben eine faszinierende Geschichte zu erzählen, die ein besonders fesselndes Kapitel im Buch der Inselgeschichte darstellt.
Inhaltsverzeichnis
Irische Leuchtturmwärter: So fing alles an
Die Geschichte irischer Leuchttürme reicht bis ins 5. Jahrhundert zurück, als die Mönche eines kleinen Klosters in der Grafschaft Wexford das erste Leuchtfeuer am heutigen Hook Head entzündeten. Dieses erste Leuchtfeuer war vermutlich nichts weiter als ein offenes Feuer in einem Eisenkorb. Damals wie heute lag die Motivation darin, vorbeifahrende Schiffe vor den heimtückischen Felsen dieses Küstenabschnitts zu warnen. Erst mehrere Jahrhunderte später, begann unter englischer Herrschaft der Bau eines Leuchtturms am Hook Head im Jahr 1207. Damit ist der markant gestreifte Turm nicht nur einer der bekanntesten der kleinen Atlantikinsel, sondern auch einer der ältesten Leuchttürme der Welt.
Mit einem steten Wachstum des Schiffsverkehrs vor der irischen Küste, wuchs mit den darauffolgenden Jahren auch die Notwendigkeit für immer mehr Leuchttürme. Diese wurden nicht nur am Rande des Festlands errichtet, sondern auch auf felsigen Inseln mitten im Atlantik – wie beispielsweise der berühmte Leuchtturm auf Fastnet Rock, der 1853 erbaut wurde.
Ein Licht zwischen Leben und Tod
In diesen Zeiten waren es die Leuchtturmwärter, die an der Frontlinie der irischen Seefahrt standen und nicht selten für das Überleben von ganzen Besatzungen kämpften. Besonders wenn Stürme aufzogen und der Nebel die Sichtweite einschränkte, waren es die Lichter dieser Türme, die einem Schiff bei der Navigation halfen. Dabei konnten die Wärter oft nichts anderes tun, als zuzusehen, wie das Schicksal seinen Lauf nahm.
Die Leuchttürme von damals sind kaum zu vergleichen mit den hochmodernen, automatisierten Gebäuden, die heutzutage an der irischen Küste zu finden sind. Es handelte sich um niedrige Türme, an deren Spitze ein Leuchtfeuer betrieben werden konnte. Dabei waren die Mauern, die man aus örtlich verfügbaren Materialien erbaute, nicht immer den Gewalten der Natur gewappnet und schützten ihre Wärter nicht verlässlich vor Regen, Wind und Wetter. Irische Leuchtturmwärter dieser Zeit waren wahre Helden, die den Kräften des Meeres und Windes trotzten und sich regelmäßig selbst in Gefahr brachten, um die Sicherheit anderer zu gewährleisten.
Leuchtturmwärter Irlands: Ein Leben, wie kein anderes
Diese Wärter lebten in extremer Isolation, oft auf kleinen Inseln oder abgelegenen Küstenabschnitten, fernab von ihren Familien und Freunden. Ihre Tage und Nächte waren geprägt von harter Arbeit und permanenter Wachsamkeit. In kleinen, meist engen Wohnräumen innerhalb der Leuchttürme oder in unmittelbarer Nähe kümmerten sie sich nicht nur um den Betrieb des Leuchtfeuers und der Instandhaltung der Gerätschaften, sondern übernahmen auch sämtliche alltägliche Aufgaben, wie sie in jedem gewöhnlichen Haushalt ebenfalls anfielen.
Familienleben im Leuchtturm
Besonders die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ist als die Blütezeit des Leuchtturmbaus in Irland bekannt. Mit der Entstehung von immer mehr Leuchttürmen finden auch immer mehr Menschen den Weg in den Beruf Leuchtturmwärter. Eine Tätigkeit, die nicht nur den Wärter selbst, sondern seine gesamte Familie betrifft. Somit waren die Türme nicht nur Wahrzeichen des Fortschritts maritimer Navigation, sondern auch Wohnstätten für viele junge Familien. Diese meist abgelegenen Türme, erbaut auf zerklüfteten Küsten und windgepeitschten Inseln, wurden zu Heimen, in denen die Familien der Wärter einzigartige Gemeinschaften bildeten.
Die Isolation, die mit dem Leben in einem Leuchtturm einherging, war enorm. Abgeschnitten von den Annehmlichkeiten der Dörfer und Städte, lebten die Familien in einer Welt, die eng mit der Natur verbunden war und deren Mittelpunkt der Leuchtturm bildete. Kinder wuchsen in einer Umgebung auf, die von der majestätischen Schönheit der Natur, aber auch von der enormen Verantwortung geprägt war, die mit der Arbeit ihrer Eltern einherging.
Das Leben in einem Leuchtturm erforderte ein hohes Maß an Selbstversorgung und Zusammenhalt. Die Familien waren darauf angewiesen, ihre eigenen Lebensmittel anzubauen oder von dem zu leben, was ihre Umwelt hergab. Zu Letzterem gehörten allen voran Fische und Meeresfrüchte. Die Kinder dieser Familien wurden früh in die Pflichten des Lebens eines Leuchtturmwärters eingeführt. Sie lernten die Mechanismen kennen, die für das Brennen der Laterne verantwortlich waren und halfen täglich bei der Instandhaltung sämtlicher Apparate. Trotz oder vielleicht sogar wegen dieser ungewöhnlichen Bedingungen entwickelten sie eine einzigartige Widerstandsfähigkeit und eine tiefe Verbundenheit mit der Natur. So ist es kaum überraschend, dass viele Kinder später in die Fußstapfen ihrer Eltern traten und ebenfalls Leuchtturmwärter wurden.
Die Gemeinschaft der Leuchtfeuer
Es waren stets mehrere Wärter in einem Leuchtturm stationiert, die rund um die Uhr in Schichten arbeiteten. Somit war das Sozialleben begrenzt, jedoch sehr intensiv. Besonders in Zeiten von Sturm und Unwetter waren die Familien auf sich gestellt, und die Solidarität untereinander wurde zur entscheidenden Überlebensstrategie. So entstand eine eingeschweißte Gemeinschaft, die in vielerlei Hinsicht wie eine große Familie funktionierte. Man war füreinander da, passte aufeinander auf und teilte jeden Aspekt des Lebens miteinander.
Die Wärter unter sich teilten sich nicht nur ihre Arbeit am Leuchtturm, sondern auch ihre Freizeit. Wer gerade keinen Dienst hatte, tat sich zusammen, um die Gegend zu erkunden, zu klettern, schwimmen, angeln oder tauchen. Viele der Männer gingen zudem einem kreativen Hobby nach und stellten gemeinsam kleine Andenken aus Muscheln her, die sie am Festland an Souvenirläden verkauften. Einige der Wärter vertrieben sich auch mit verschiedenen Spielen die Zeit. Besonders beliebt war Schachspielen, das ging über Funkverbindung auch mit Wärtern anderer Leuchttürme.
Irische Leuchtturmwärter und ihre Frauen
Die Leuchtturmwärterfrauen spielten eine wichtige Rolle, wenn es um den Alltag, die Familie und auch die Pflichten der Männer ging. Besonders als die Familien noch nicht auf dem Festland untergebracht waren, sondern mit dem Wärter auf den Rock Stations wohnten, lastete eine große Verantwortung auf den Schultern der Frauen. Oft handelte es sich um junge Familien, die mitten im Meer ihren Alltag bestritten. Dazu gehörte nicht nur, die Kinder zu unterrichten und dafür zu sorgen, dass sie in ihrer Umgebung nicht zu Schaden kamen. Die Rolle der Ehefrau und Mutter beinhaltete auch unzählige medizinische Aufgaben. Neben der Pflege bei Krankheit, mussten die Leuchtturmwärterfrauen auch in Sachen Schwangerschaft und Geburt bewandert sein, da eine Geburt am Festland nicht garantiert werden konnte.
Während bekannt war, dass einige Kinder auf Rock Stations das Licht der Welt erblickten; wusste man lange nicht, wie Säuglinge nach der Geburt ans Festland gebracht wurden, um von einem Arzt untersucht zu werden. Sobald ein Kind sitzen konnte, wurde es mit einer Art Kran auf ein Boot transportiert, das so nah wie möglich an den Felsen heranfuhr. In einem alten Brief hat man vor kurzem erfahren, dass ein Säugling dick in Decken eingewickelt und anschließend von der Rock Station auf das Boot geworfen wurde. Ein wahrlich waghalsiger und dennoch passender Start ins Leben einer Leuchtturmwärterfamilie.
Tragödie auf Skellig Michael
Das Leben von Kindern auf Leuchtturminseln war überwiegend geprägt von jeder Menge Abenteuer und Freiheit, von Gemeinschaft und Naturverbundenheit. Allerdings hatte eine solche Kindheit auch Schattenseiten.
So zum Beispiel auf Skellig Michael, wo der Leuchtturmwärter William Callaghan in den Jahren 1868 und 1869 zwei seiner Kinder beerdigen musste. Der zweijährige Patrick verstarb im Dezember 1868 und sein vierjähriger Bruder William im März des darauffolgenden Jahres. Beide Kinder fielen einer Krankheit zum Opfer. Nachdem ein drittes Kind erkrankte, beantragte William Callaghan die Versetzung und kehrte der Insel kurz darauf den Rücken. Die Gräber der beiden Jungen sind bis heute in dem kleinen Friedhof auf Skellig Michael erhalten. Kurze Zeit später, veranlasste man, dass die Familien von Leuchtturmwärtern nicht mehr in den Unterkünften auf Rock Stations, sondern stattdessen in Cottages am Festland untergebracht wurden.
Irische Leuchtturmwärter – Helden vergangener Tage
Irische Leuchtturmwärter waren zu ihrer Zeit nicht nur Navigationshilfen, sondern auch Überlebenskünstler. Ihre Geschichten sind durchzogen von Heldentaten und Entbehrungen, von Momenten voller Mut und Entschlossenheit inmitten der tosenden Gewalt des Meeres. Diese Männer und Frauen standen im Dienst der Menschheit und sorgten mit ihrer Arbeit nicht nur für die Sicherheit der Menschen auf See, sondern auch dafür, dass sämtliche Frachtgüter unbeschädigt ihr Ziel erreichten. Ihr Erbe und ihre Geschichten hallen noch immer in den Mauern der unzähligen irischen Leuchttürme und erinnern an ein Leben, das man sich heutzutage kaum mehr vorstellen kann.
Kommentar hinterlassen