Irland in der Neuzeit

Der Untergang der RMS Lusitania

Written by Jessica Jirschik

Der Untergang der RMS Lusitania in der Irischen See sorgt noch heute für zahlreiche Spekulationen. Jeder weiß von dem Angriff des deutschen Kriegsschiffes, das die Lusitania schließlich versenkte. Doch kaum jemand spricht über den Zusammenhang zu dem Wettbewerb um das begehrte Blaue Band. Wir verraten Euch, was es damit auf sich hatte und weshalb sich die Prioritäten der Schiffsbauer, genau wie bei der Titanic, gefährlich verschoben.

Die Geschichte des Passagierschiffs RMS Lusitania

Das Passagierschiff der britischen Reederei Cunard Line wurde nach der römischen Provinz Lusitania benannt. Ab 1907 regelte es den Transatlantikverkehr zwischen Liverpool und New York City. Zusammen mit ihrem Schwesterschiff, der Mauretania, setzte das Turbinenschiff in Größe und Ausstatung neue Maßstäbe im Schiffbau.

Die RMS Lusitania war ein willkommenes Bauprojekt von Cunard Line, um sich eine Vormachtstellung im Wettbewerb mit der White Star Line zu verschaffen. Die amerikanische International Mercantile Marine Company des amerikanischen Bankiers John Pierpont Morgan sicherte sich eine Monopolstellung, indem sie zahlreiche Reedereien, darunter die genannte White Star Line, kaufte. Um dem entgegenzuwirken, plante die Cunardline den Bau der beiden größten und luxuriösesten Schiffe seiner Zeit.

Der Schiffskonstrukteur Leonard Peskett übernahm den Entwurf des Schiffes. Dabei berücksichtigte er auf Wunsch auch Geschützunterbauten für Schiffsgeschütze. Schließlich erhielt die Werft John Brown & Company in Clydebank den Auftrag zum Bau der RMS Lusitania. Für den Bau der Mauretania wurde Swan Hunter & Wigham Richardson in Newcastle upon Tyne beauftragt. Am 16. Juni 1904 wurde die Lusitania auf Kiel gelegt. Zwei Jahre später taufte die Witwe des Cunard-Präsidenten Lady Mary Inverclyde das damals größte Passagierschiff der Welt.

Wie viele Rettungsboote hatte die Lusitania?

„…so unsinkbar, wie ein Schiff nur sein kann“ – New York Times

Die Lusitania bestand aus Schotten mit 69 Öffnungen, die durch Türen versiegelt wurden. Nur die Hälfte dieser Türen wurden hydraulisch betrieben, der Rest musste von Hand geschlossen werden. Der Einsatz von Längsschotten sollte besseren Schutz vor Granaten bieten. Andererseits begünstigten sie bei einem Leck die Entwicklung einer Schlagseite. Anscheinend verließen sich die Konstrukteure der Lusitania auf die insgesamt vier Millionen Nieten, welche das Schiff zusammenhielten. Das viel größere, später erbaute Schiff RMS Titanic erhielt nur einen Bruchteil der Anzahl der Nieten.

Reederei und Schiffsbauer waren sich ihrer Sache sehr sicher. Sie hatten das größte Passagierschiff der Welt geschaffen. Natürlich war es unsinkbar. Es grenzt fast an Größenwahn, wenn man bedenkt, dass ein solch riesiges Schiff für 960 Personen mit nur 16 Rettungsbooten ausgestattet war.

Die RMS Lusitania und der Kampf um das Blaue Band

Die Rückgewinnung des Blauen Bandes war ein wesentlicher Grund für den Bau der Lusitania. Das begehrte Blaue Band war eine Ehrung für das schnellste Passagierschiff auf der Transatlantik-Route Europa – New York. Kein Wunder also, dass der Anspruch an die Lusitania mindestens 24,5 Knoten war. Bei der Probefahrt der RMS Lusitania um Irland erreichte das Schiff eine Höchstgeschwindigkeit von 26,4 Knoten.

Das Ruder der Lusitania erfüllte die Anforderungen, die an die Wendigkeit eines Kriegsschiffes gestellt wurden. Mit der unglaublichen Länge von 240 Metern benötigte die Lusitania einen Wendekreis von nur 870 Metern. Zum Vergleich: die 270 Meter lange Titanic hatte einen Wendekreis von ganzen 1.175 Metern, was schließlich zu ihrem Untergang beitrug.

Die luxeriöse RMS Lusitania

Das neue größte Passagierschiff der Welt war an Luxus nicht zu überbieten. Die Aufenthaltsräume des Schiffes waren in drei Klassen unterteilt. Die erste Klasse bot ihren Passagieren alles, was das Herz begehrte:

  • eindrucksvolle, runde Glasdächer
  • lichtdurchflutete Atmosphäre
  • Café, Rauchersalon, Musiksalon, Lese- und Schreibraum an Deck
  • weiß-goldener Speisesaal
  • stuckverzierte Kuppel
  • Königssuiten
  • Telefonnetz
  • fünf Decks

Selbst die Zweite Klasse war mit ihrem kuppelgekrönten Speisesaal luxuriös ausgestattet. Diese Klasse befand sich im hinteren Teil des Schiffes. Auch die dritte Klasse besaß zahlreiche öffentliche Räumen sowie einen großen Speisesaal und einen Aufenthaltsraum für Damen. Die schlichten Kabinen bestanden aus Vier- und Sechs-Bett-Kabinen mit eigenem Waschtisch. Die dritte Klasse befand sich im vorderen Schiffsteil.

Die spektakuläre Jungfernfahrt der RMS Lusitania

Der Presserummel um die Jungernfahrt der RMS Lusitania war beispiellos. Am 3. September 1907 öffnete das Schiff für eine Besichtigung seine Türen, um die Neugier der Öffentlichkeit zu stillen. Am Abend des 7. September 1907 brach die Lusitania schließlich zu ihrer Jungfernfahrt nach New York auf.  Auf dem völlig ausgebuchten Schiff ruhten alle Hoffnungen auf das Blaue Band. Leider war der Wettergott dem Meeresriesen nicht wohlgesonnen. Die Bedingungen waren während der gesamten Überfahrt so schlecht, dass die Lusitania 30 Minuten zu spät ankam, um das Blaue Band von den Deutschen zurückerobern zu können. Dennoch herrschte während ihres gesamten Aufenthaltes in New York großes öffentliches Interesse an dem Schiff. Mehr als 5.000 Schaulustige gingen täglich an Bord, bis die Lusitania am 21. September wieder die Rückreise in die Heimat antrat.

Der Untergang der RMS Lusitania

Samstag, der 1. Mai 1915. An diesem Tag lief die Lusitania um 12:20 Uhr von New York mit 1.258 Passagieren und 701 Besatzungsmitgliedern aus. Ihr Ziel – Liverpool. Außerdem befanden sich 4.200 Kisten Gewehrmunition, 1.248 Kisten Geschosshülsen und Versorgungsgüter des Militärs an Bord. Denn die Lusitania war viel mehr als nur das größte Passagierschiff der Welt.

RMS Lusitania

Tackney os, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Was war der Grund, warum die Lusitania versenkt wurde?

Was die breite Öffentlichkeit damals nicht wusste – Schiffbauingenieur Leonard Peskett baute sowohl die RMS Lusitania wie auch ihr Schwesterschiff Mauretania so, dass sie jederzeit in Kriegsschiffe umwandelbar waren. Kein Wunder zu Zeiten des Ersten Weltkrieges. Aber es scheint, dass diese Information irgendwie an die Deutschen gelangt war. Während der Überfahrten herrschten auf der Lusitania nun höchste Sicherheitsvorkehrungen. So überquerte das Schiff den Atlantik abgedunkelt. Die Schornsteine hatte man zuvor in einem Grau gestrichen, um die Erkennung des Schiffs aus der Ferne zu erschweren. Mit dieser Tarnung erreichte das Schiff Liverpool am 11. August 1914 ohne weitere Zwischenfälle.

„ACHTUNG! Reisende, die vorhaben, den Atlantik zu überqueren, werden daran erinnert, dass Deutschland und seine Alliierten und Großbritannien und seine Alliierten sich im Kriegszustand befinden; dass das Kriegsgebiet auch die Gewässer rings um die Britischen Inseln umfasst; dass in Übereinstimmung mit der formellen Bekanntgabe der Kaiserlichen Deutschen Regierung alle Schiffe, die die Flagge Großbritanniens oder eines seiner Verbündeten führen, Gefahr laufen, in diesen Gewässern zerstört zu werden, und dass Reisende, die im Kriegsgebiet auf Schiffen aus Großbritannien oder seiner Verbündeten reisen, dies auf eigene Gefahr tun. KAISERLICHE DEUTSCHE BOTSCHAFT, WASHINGTON D. C., 22. April 1915.“

Eine Warnung, die noch am Tag der letzten Überfahrt der RMS Lusitania von der New York Times zitiert wurde. Dennoch war die Lusitania an diesem Tag so voller Menschen, wie seit Anbruch des Krieges nicht mehr. Die Warnung vermochte die jahrelang gesträuten Schlagzeilen über die Unsinkbarkeit des Schiffes nicht zu durchdringen. Zudem war der Kapitän der Lusitania, William Thomas Turner, ein erfahrener Seemann, der sowohl bei den Passagieren als auch bei seiner Crew höchstes Ansehen genoss.

Die Torpedierung der Lusitania

6. Mai 1915 – die Lusitania erreicht die Kriegszone um die Britischen Inseln. In den folgenden zwei Tagen empfing das Schiff Funksprüche, die vor U-Booten südlich Irlands warnten. Es wurde ausdrücklich vor dem Gebiet um Fastnet gewarnt, auf das die Lusitania direkt zusteuerte. Es folgten weitere verschlüsselte und dringliche Warnungen. Dem Kapitän der Lusitania musste somit klar gewesen sein, dass eine direkte Bedrohung durch U-Boote auf dem Kurs des Schiffes bestand.

7. Mai 1915 – dichter Nebel erschwerte die Navigation. Die Lusitania erreichte die Südküste Irlands. Um eine Kollision mit Fischerbooten zu vermeiden, sah sich der Kapitän gezwungen, die Geschwindigkeit auf 15 Knoten zu senken und jede Minute das Nebelhorn tönen zu lassen.

„U-Boote aktiv im südlichen Abschnitt Irischer Kanal; letzte Meldung 20 Meilen südlich Feuerschiff Coningbeg“

Diese Warnung kam vom Kapitän des britischen Kreuzers Juno, der direkt über ein tauchendes U-Boot hinweg fuhr und mittels Zickzackkurs entkommen konnte. Es war die U 20, welche die Lusitania am frühen Nachmittag ausmachte. Dabei handelte es sich um dasselbe U-Boot, welches am Morgen versucht hatte, die Juno zu versenken. Eigentlich war die Lusitania zu weit weg und zu schnell, als dass ein erfolgreicher Angriff ausgeführt werden könnte. Doch das Passagierschiff änderte seinen Kurs und fuhr damit direkt auf die U 20 zu. 14:10 Uhr gab Kapitänleutnant Walther Schwieger  seinem Wachoffizier den Befehl zur Torpedierung. Der Torpedo traf die Lusitania auf der Steuerbordseite, die Explosion löste eine 18 Meter hohe Wasserfontäne aus. Der erste Treffer richtete bereits so viel Schaden an, dass die Lusitania dem Untergang geweiht war.

Gedenktafel der Opfer des Untergangs der RMS Lusitania im Hafen von Cobh

© Jessica Jirschik

Das Ende der Lusitania

Die Wassergewalten rissen Rettungsboote mit, die Glasfronten barsten, Mobiliar wurde durch die Gegend geschleudert. Das Schiff geriet schnell in Schlagseite. Aufgrund der getrennten Mahlzeiten zwischen Eltern und Kindern waren die Familien zu diesem dramatischen Zeitpunkt nicht beisammen. Die Kinder, welche unter Deck aßen, hatten keine Chance. Von 129 starben 94.

Die wenigen Rettungsboote wurden von der Bewegung der Lusitania mitgerissen. Nur 18 Minuten nach dem Angriff sank die RMS Lusitania auf den Grund des Meeres.  Erst vier Stunden nach dem Untergang trafen die Rettungsschiffe am Unglücksort ein. Es kamen 1.198 Menschen ums Leben. 761 Überlebenden wurden nach Queenstown gebracht.

Gedenktafel der Opfer des Untergangs der Lusitania im Hafen von Cobh

© Jessica Jirschik

In den Wochen nach dem Untergang wurden etwa 280 Leichen geborgen. Massengräber auf dem Clonmel Cemetery in Cobh (damals Queenstown) dienten den Unbekannten als letzte Ruhestätte. Noch heute kann man das Gedenkmal im Hafen von Cobh besuchen, wo sich unter anderem Fotos der Massengräber finden, die so erschütternd sind, dass man sich das ganze Ausmaß des Grauen von damals beinahe vorstellen kann.

Am Old Head of Kinsale im County Cork gibt es zudem ein Museum sowie eine Gedenkstätte, die an das Schiffsunglück erinnern. Das Museum ist verhältnismäßig klein, doch birgt es einige Artefakte, die aus der Lusitania geborgen werden konnten.

Lusitania

© Shannon Forde, Fáilte Ireland

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Über den Autor

Jessica Jirschik

Wenn es wahr ist, dass wir schon einmal gelebt haben, dann war mein Zuhause definitiv Irland. Seit meiner Jugend zog mich ein undefinierbarer Sog auf die Grüne Insel, doch erst 2017 konnte ich meinen Traum, einer Irlandrundreise wahrmachen. Seitdem ist der Sog nur noch stärker geworden. Wenn es regnet, denke ich an Irland. Im Pub kann es für mich nur Guinness sein. Laute Musik, Geschichten und Gesseligkeit gehören für mich zum Glücklichsein. Im Herzen bin ich eine waschechte Irin.

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