Irland in der Neuzeit

Traveller in Irland – Die letzten Nomaden

Planwagenreise Mayo
Written by Monika Dockter

Möglicherweise lässt der Anblick dieses Titels Euch zunächst einmal stutzen. Es kommt schließlich nicht allzu häufig vor, dass die Begriffe „Irland“ und „Nomaden“ in einem Atemzug gebraucht werden. Auch sind wahrscheinlich die wenigsten Irlandreisenden jemals einer Gruppe Irish Travellers begegnet oder haben deren am Stadtrand oder auf einem öffentlichen Parkplatz abgestellte Wohnwagen bemerkt. Ein guter Grund, hier einmal einen genaueren Blick auf die „Traveller“ genannten irischen Nomaden und ihre spezielle Lebensweise zu werfen.

Die Geschichte der Irish Traveller

Die Herkunft der Irish Traveller

Man kennt die Irish Traveller auch als Pavees, Tinker, Itinerants (englisch für Umherziehende) Minceir und, auf Irisch, Lucht Siuil. Die Nomaden selbst ziehen die Bezeichnung Traveller oder Pavee vor. Doch egal, welchen Namen sie nun vorziehen, eines ist allen Mitgliedern der Traveller gemeinsam: Sie gehören zum „fahrenden Volk“, praktizieren also ein Leben ohne festen Wohnsitz. Über die Geschichte und Herkunft dieser ethnischen Gruppe gibt es unterschiedliche Theorien.

Laut einer dieser Meinungen existieren die Irish Traveller bereits seit den Zeiten Oliver Cromwells. Der englische Eroberer habe sie von ihrem irischen Landbesitz vertrieben und somit dazu gezwungen, die Straße zu ihrem Zuhause zu machen. Andere Traveller führen ihren Ursprung auf die große irische Hungersnot in den 1840er Jahren zurück, die sie zum Nomadendasein gezwungen habe.

Allerdings besteht Grund zu der Annahme, dass die Entstehung der Traveller noch weit vor dieser Zeit liegt. Bereits in keltischer und möglicherweise sogar vor-keltischer Zeit lebte in Irland ein gewisser Teil der Bevölkerung als Nomaden. Seit dem 12. Jahrhundert existiert außerdem die Bezeichnung „Tynkler“ oder „Tynker“ für eine Gruppe Nomaden, die ihre eigene Identität, Sprache und Gesellschaft entwickelte. Sie bildeten quasi den Grundstock der Irish Traveller, der später, z.B. während der Hungersnot durch enteignete, verarmte oder verhungernde Menschen ergänzt wurde.

Von Irland in die ganze Welt

Aus dem Jahr 1850 stammt einer der ersten Berichte über irische Traveller in England. Wie so viele andere arme, am Rand der Gesellschaft stehende Menschen in Irland hofften auch die Traveller, in der Fremde ein besseres Leben zu finden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine weitere Auswanderungswelle unter den Travellers. Sie emigrierten nach England, um Straßen zu bauen und in Fabriken zu arbeiten. Viele von ihnen lebten in der Nähe großer Städte wie London, Manchester, Liverpool und Birmingham. Später verbreiteten sie sich aber über ganz England.

Ein geringerer Anteil an Pavees wanderte auch in die USA, nach Kanada und Australien aus. Hier war und ist ihr Lebensstandard im Allgemeinen höher als in der alten Heimat.

Auch bei uns in Deutschland sind – allerdings nur gelegentlich – irische Landfahrer anzutreffen. In größeren Gruppen versammeln sie sich hier zu gemeinsamen Festen wie Hochzeiten oder traditionellen Feierlichkeiten wie dem St. Patrick‘s Day.

Die Kultur der Traveller

Mit mobilen Heimen durch die Lande

Das herausragendste Merkmal der Pavee-Lebensweise ist, wie angeklungen, ihr Leben als Nomaden. Noch vor fünfzig Jahren lebten sehr viele Traveller in Zelten oder von Pferden gezogenen Planwagen – daher rührt auch der heute noch übliche Begriff „Tinker Pferde„. Heute jedoch besitzen die meisten von ihnen einen mehr oder minder modernen Caravan. Mit dem sie noch immer durch die Lande ziehen oder den sie auf einem von der Gemeinde festgelegten Areal abstellen. Lediglich eine kleine Anzahl Traveller lebt in „Mobile Homes“ oder gar Häusern.

Ebenso entscheidend zum Dasein eines Travellers gehört auch das Leben im großen Familienverband. Im Verständnis des Travellers ist es die Familie, die in Zeiten der Not Schutz und Unterstützung bietet. Dementsprechend legen sie große Betonung auf ihre Gemeinschaft, verbringen viel Zeit miteinander und praktizieren Werte wie Respekt und Fürsorge für ältere Familienmitglieder. Das Netzwerk der Familien bildet den Grundstock ihrer Gesellschaft. Selbst die Ehen werden größtenteils innerhalb dieser engen Gesellschaft geschlossen.

Außerdem ist das Heim der Familie gleichzeitig auch der „Arbeitsplatz“. Nur wenige Traveller arbeiten als Angestellte (für Außenstehende) außerhalb ihres Heimes. Die meisten von ihnen sind selbstständig. Traditionell waren sie das, was wir als Kesselflicker (Tinker) bezeichnen. Gingen hausieren, sammelten Altmetall, machten Landarbeit, handelten mit Pferden und auf Märkten und machten Musik. Heute betätigen sie sich häufig im Haus- und Straßenbau und in Autowerkstätten. Selbstverständlich aber gibt es auch unter den Travellers Mitglieder mit einem höheren Bildungsabschluss, die als Lehrer, Sozialarbeiter oder in der Armee beschäftigt sind.

Musik und Sprache der Traveller

Musik und Storytelling spielten seit jeher eine große Rolle in der Pavee-Kultur. Durch ihr ständiges Umherziehen „transportierten“ sie Lieder und Geschichten von einer Gemeinde zur anderen, wobei sie ihren ganz eigenen Stil entwickelten. Sie übten einen entscheidenden Einfluss auf die Folk-Music aus. Der 1950 geborene Paddy Keenan mit seiner Uilleann Pipe beispielsweise ist weit über Irlands Grenzen hinaus bekannt und gewann 2011 den Irish Music Association Lifetime Achievement Award.

Zu ihrem kulturellen Erbe gehört für die Traveller außerdem das Besuchen von Märkten beziehungsweise Jahrmärkten. Auch religiöse Feste und Wallfahrten gehören in diese Kategorie. Dafür legen die Nomaden bereitwillig auch größere Entfernungen zurück und reisen sogar bis nach Deutschland. Ein besonders beliebtes Ziel ist seit langer Zeit der Pferdemarkt in Appleby/England. Hier treffen sich bis heute große Gruppen der Landfahrer, feiern, erneuern alte Freundschaften und schließen neue geschäftliche Allianzen, handeln und verhandeln.

Auch die Sprache hat erheblich dazu beigetragen, dass die Traveller eine ganz spezielle Identität entwickelt und bis in die Gegenwart bewahrt haben. Mit Shelta beziehungsweise Cant sprechen die Pavee nämlich voller Stolz ihre eigene Sprache. Die Bezeichnung Shelta geht wahrscheinlich auf das Irische Siulta zurück und bedeutet Auf Wanderschaft; die Sprache selbst ist eine Mischung aus irisch-gälischen, englischen und weiteren Elementen. Ebenso geläufig ist den irischen Nomaden natürlich die englische und irische Sprache.

Das Nomadenleben der Irish Traveller heute

Mit dem entschiedenen Festhalten an dieser Kultur leben die Traveller gewissermaßen in zwei Welten: ihrer eigenen Nomadenwelt und gleichzeitig der Welt der „ortsansässigen“ Einwohner Irlands. Und haben es damit nicht immer einfach. Denn wer sich in einer so offensichtlichen Art und Weise von der übrigen Gesellschaft eines Landes abhebt, stößt nicht unbedingt auf Gegenliebe. Egal, wo sie auch hinkommen, stoßen die Pavee auf Vorbehalte. Vorurteile. Diskriminierung. Beschränkungen, die ihnen von Gesellschaft und Staat aufgelegt werden.

Auf öffentlichen Parkplätzen sind die Caravans der Traveller verboten und die Grundstücke, die Städte und Gemeinden ihnen als Stellplätze zuweisen, liegen oft sehr unvorteilhaft am Rand der Stadt und sind nicht gut in Stand gehalten. Zudem gibt es zu wenige davon, sodass es den Travellern schon an legalem Wohnraum mangelt. Der irische Film „Pavee Lackeen: The Traveller Girl“ aus dem Jahr 2005 greift diese Probleme sehr anschaulich auf.

Insgesamt leben derzeit etwa 25000 Traveller beziehungsweise 4500 Travellerfamilien in Irland. Weitere 15000 in Großbritannien und rund 10000 in den USA. Organisationen wie das Irish Travellers‘ Movement ITM setzen sich in Irland und Großbritannien erfolgreich für deren Belange und soziale Probleme ein. So wurden die irischen Nomaden am 1. März 2017 offiziell als ethnische Minderheit anerkannt.

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Über den Autor

Monika Dockter

Als Schriftstellerin bedeutet Irland für mich Inspiration in ihrer schönsten Form. Ich finde diese Inspiration in den Worten begnadeter irischer „Storyteller“, zwischen den verschlungenen Wurzeln einer uralten Eiche und auf der Brücke über einen Bach, dessen Wasser vom Torf so braun ist wie der Ginster am Ufer gelb…
Für die gruene-Insel.de zu schreiben betrachte ich als einmalige Gelegenheit, etwas von der für mich so faszinierenden Atmosphäre dieses Landes weiterzugeben – und zwar an eingefleischte Irlandfans ebenso wie an solche, die genau das einmal werden wollen.

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