Kelten Irland / Frühgeschichte Irland

Bullán Stones: Legenden von Fluch und Segen

Bullan Stones
Written by Nadja Uebach

In Irland sind Steine und Felsen von großer Bedeutung. Anhand der Ogham Steine, Steinkreise und anderer Felsdenkmäler erhalten wir bis heute einen spannenden, wenn auch geheimnisvollen Einblick in die Vergangenheit und Mythologie der Grünen Insel. Während viele dieser Kulturdenkmäler insgeheim als Wahrzeichen des Landes und seiner jeweiligen Region gelten, gibt es eine Gruppe legendärer Steine, die dabei oft übersehen wird. So unscheinbar die Bullán Stones auch sein mögen, umso spannender sind die Erzählungen, die sich um sie ranken.

Wir haben herausgefunden, was es mit den Steinen, ihren Vertiefungen und den Legenden von Fluch und Segen auf sich hat.

Bullán Stones: Steine mit besonderen Gaben

Bullán ist ein Wort der irischen Sprache, das „Schüssel“ bedeutet und die Steine damit perfekt beschreibt. Denn dabei handelt es sich um Steine mit einer oder mehreren Auskerbungen, in denen sich, ähnlich wie in einer Schüssel, Wasser sammelt.

Die Bullán Stones kommen in verschiedenen Größen auf der ganzen Insel vor und haben oft mehr als eine Vertiefung. Während man einige von ihnen bis in die Jungsteinzeit zurückdatiert hat, existieren mehrere jüngere Steine, deren Entstehung auf das 6. Jahrhundert geschätzt wird. Der Heilige St. Aid soll sich zum Beispiel bei seiner Geburt in der Ortschaft Killare in Westmeath den Kopf an einem Felsen gestoßen und dabei eine Kuhle hinterlassen haben, die diesen Felsen fortan zu einem Bullán Stone machte.

Ähnlich wie bei den Steinkreisen ist nicht genau bekannt, welchen Zweck die Bullán Stones zu ihrer Zeit erfüllten. Anstelle von archäologischen Forschungsergebnissen beruft man sich heutzutage auf alte Legenden und Überlieferung. Diese schreiben den ursprünglichen Steinen zweierlei Kräfte zu. Sie konnten sowohl zum Heilen und für Segenswünsche verwendet werden, als auch um Menschen mit Flüchen zu belegen.

Fluch oder Segen – die Richtung macht den Unterschied

Einige der Bullán Stones, wie beispielsweise der Wart Well in der Timoleague Abbey im County Cork, sind nichts weiter als ein steinernes Wasserbecken. Abhängig von ihrem Umfang erinnern sie an christliche Tauf- oder Weihwasserbecken, die jedoch erst weitaus später entstanden sind. Dem Wasser, das sich im Becken dieser Bullán Steine sammelt, werden übernatürliche und oft heilende Fähigkeiten zugesprochen. Wer zum Beispiel seine von Warzen und anderen Hautirritationen geplagten Hände in den Wart Well von Timoleague taucht, wird schon kurze Zeit später von diesem Leiden befreit sein.

Allerdings gibt es noch eine andere Art von Bullán Steinen. Eine, die man sowohl zu guten wie auch schädlichen Zwecken verwenden kann. Hierzu liegt in dem Wasserbecken ein Stein, den man für Heilungen und Segenswünsche im Uhrzeigersinn dreht. Um jemanden zu verfluchen, bewegt man den Stein gegen den Uhrzeigersinn. Man sollte sich jedoch sicher sein, dass der Verfluchte sein Unglück auch wirklich verdient. Denn sonst fällt der Fluch auf einen selbst zurück!

Bullán Stone in Kilnaruane, Bantry, Co. Cork © Neil Saad

Bullán Stones: Von Ihren Ursprüngen bis heute

Heutzutage gibt es noch rund 840 Bullán Stones auf der Grünen Insel. Einer der bekanntesten und sicherlich auch beeindruckendsten von ihnen befindet sich in der Nähe der Killinagh Church im County Cavan. Auf dem flach liegenden Felsen am Südufer des Lough Macnean Upper finden sich zehn kleine Wasserbecken, die jeweils fast vollständig von einem Stein ausgefüllt werden. Je nachdem, welche Absichten man verfolgt, kann man so entweder zehn gute Taten oder zehn Flüche gleichzeitig ausführen.

Die geheimnisvollen Steine und das Christentum

Der Killinagh Bullán Stone (oder auch manchmal Bullaun) wird seit der Christianisierung mit der keltischen Göttin und christlichen Heiligen St. Brigid in Verbindung gebracht. Daher wird er auch oft als St. Brigid’s Stone bezeichnet. Brigid ist eine der wichtigsten Göttinnen der Kelten. Und als das Christentum nach Irland kam, ernannte die Kirche die Göttin kurzerhand zu einer Heiligen. Dadurch erhoffte man sich, den ungläubigen Iren den Eintritt in den christlichen Glauben zu erleichtern. Immerhin konnten sie so ihre Brauchtümer und Rituale unter einem christlichen Deckmantel weiterhin durchführen.

Allein die Tatsache, dass man den Bullán Stone von Killinagh also mit der einflussreichen Göttin in Verbindung bringt, zeugt davon, dass der Stein und sein Standort in der keltischen Kultur einst eine große Bedeutung hatten.

st. brigid’s well

Die Heilige Brigid; © gruene-Insel.de

Noch ein Beweis dafür, wie weit verbreitet die Verwendung dieser Steine bei den Kelten war, sind Berichte früher christlicher Bewegungen auf der kleinen Atlantikinsel. So finden sich beispielsweise zahlreiche frühchristliche Kirchen in unmittelbarer Nähe zu Bullán Stones – es ist kein Zufall, dass sich der Wart Well in Timoleague auf dem Gelände einer Klosterruine befindet. Zudem lassen sich Anhaltspunkte dafür finden, dass diese Steine zu Beginn der Christianisierung Irlands als Wallfahrtsorte für Christen galten. Zahlreiche Gläubige pilgerten zu den Steinen, um die legendären Fähigkeiten der Bullán Stones in Kombination mit Gebeten zu verwenden.

Obwohl sich Experten auch heute nicht sicher sind, wozu diese Steine ursprünglich verwendet wurden, lassen die Versuche der christlichen Kirche, diese Steine in ihren Glauben zu integrieren, darauf schließen, dass sie bei den Kelten eine zentrale Rolle spielten.

Bullán Stones: Fluch- und Segensteine

In einigen Aufzeichnungen werden die Bullán Stones auch als Fluchsteine (cursing stones) bezeichnet. Obwohl dieser Begriff natürlich treffend ist, beschreibt er nur die dunkle Seite dieser geheimnisvollen Steine, die uns Menschen bis heute faszinieren.

Egal, wo in Irland ihr unterwegs seid, mit dem Historic Environment Viewer der irischen Regierung findet ihr die nächstgelegenen historischen Stätten einfach und schnell. Wenn ihr einen Bullán Stone (auf der Karte oft als Bullaun bezeichnet) besucht, trefft ihr dort unter Umständen auf Opfergaben. Denn bis heute legen Menschen an Orten wie diesen wertvolle Gegenstände wie Münzen, Edelsteine oder Blumen nieder. Sobald es um Bullán Steine geht, trifft man allerdings nicht selten auch auf düstere Hinterlassenschaften wie Knochen oder kleine Puppen, die Voodoo-Puppen ähneln. In jedem Fall eine Erfahrung, die für Gänsehaut sorgt!

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Über den Autor

Nadja Uebach

Da ich seit 2008 auf der grünen Insel lebe, bedeutet Irland für mich in erster Linie Alltag. Wenn ich nicht mit meinem Laptop bewaffnet in einem Café oder Zuhause sitze und schreibe, findet man mich höchstwahrscheinlich mit meinen drei Kindern am Strand. Die Natur, die Kultur und insbesondere die Menschen sorgen dafür, dass sich in unseren Alltag immer wieder ein bisschen Magie einschleicht. Diese besondere irische Alltagsmagie versuche ich in meinen Texten in Worte zu fassen.

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