Kelten Irland / Frühgeschichte Irland

The Book of Invasions – Die Ursprungslegende des irischen Volkes

Written by Monika Dockter

Das Book of Invasions, das „Buch der Landnahmen Irlands“, ist eines der bedeutendsten Werke der frühen irischen Literatur. Es enthält eine Sammlung verschiedener Erzählungen und Gedichte über die Geschichte Irlands von der biblischen Sintflut bis hin zum Mittelalter. Dabei ist der tatsächlich historische Gehalt dieser Überlieferungen fraglich, eher handelt es sich um einen Versuch der mittelalterlichen Geistlichkeit, die früheste Geschichte Irlands aufzuzeigen.

Und was genau enthält nun das Lebor Gabála Érenn, wie das Buch auch genannt wird? Wer waren die Invasoren der Grünen Insel, wie entwickelte sich das Land von den Nachkommen des biblischen Noah hin zu einer keltischen Nation? Diesen und ähnlichen Fragen gehen wir im Folgenden auf den Grund.

Verschiedene Versionen und Verfasser des Book of Invasions

Wie bereits erwähnt ist das Book of Invasions eine Sammlung unterschiedlicher kleiner Einzelwerke, die teilweise bis ins siebte Jahrhundert zurückreichen. Diese Sammlung wiederum ist nicht nur in einer Version vorhanden, sondern gleich in mehreren. Innerhalb von hundert Jahren nach seiner ersten Zusammenstellung wurden ältere Texte wieder geändert und zahlreiche neue Gedichte hinzugefügt, sodass sich die Dokumente durch bis zu 136 Gedichte voneinander unterschieden.

Heute sind noch fünf verschiedene Versionen erhalten. Das Book of Leinster aus dem Jahr 1160 (Lebor Laignech) und das Great Book of Lecan (Leabhar Mór Leacain)  von 1418 enthalten die bekanntesten davon.

Wie sich daraus leicht ableiten lässt, stammt das Book of Invasions also nicht aus der Feder eines einzelnen Verfassers, sondern ist das Werk sehr vieler Poeten und Erzähler. Dennoch lassen sich vier Männer benennen, die zu einem großen Teil für die Version aus dem 11. Jahrhundert verantwortlich zeichnen. Einer von ihnen ist Flann Mainistrech, ein Historiker aus dem Kloster Monasterboice.

Monasterboice Kirche

Kirchenruine von Monasterboice (Foto: Neil Saad)

Im späten 11. Jahrhundert dann hat ein namentlich nicht bekannter Gelehrter das Book of Invasions in einen erzählerischen Rahmen gefasst und damit in die heute bekannte Form gebracht. Dabei bediente er sich des Middle Irish, ein Gälisch, das in den Jahren von 900 bis etwa 1200 gesprochen wurde.

Welche Absicht verfolgten die Verfasser mit ihrem Werk?

Geschrieben wurde das Buch der Landnahmen Irlands vermutlich in der Absicht, einheimische mündliche Überlieferungen mit der Bibel zu verbinden und so eine große irische Chronik, vergleichbar mit derjenigen des alttestamentlichen Israel, zu schaffen. Einen Hinweis darauf gibt zum Beispiel die Beschreibung der irischen Vorfahren als Sklaven in einem fremden Land, die ins Exil fliehen und dabei durch die Wildnis wandern oder von ferne ein verheißenes Land erspähen. Dabei wurden die Verfasser von unterschiedlichen christlichen Autoren, beispielsweise von Augustinus und Isidor von Sevilla, beeinflusst.

Außerdem bedient sich die Überlieferung auch an den heidnischen Mythen des gälischen Irland. In der Regel wurden diese Einzelheiten jedoch im Licht der christlichen Lehre umgedeutet und neu interpretiert.

Ein Gedicht beispielsweise erzählt davon, wie einige Göttinnen der Thuata De Danann sich mit gälischen Männern vermählten, als diese später die Insel einnahmen und besiedelten, und so eine Generation von Halbgöttern schufen. Ebenso waren die verschiedenen Etappen der Besiedelung Irlands ursprünglich eigenständige Legenden, die dann im Book of Invasions neu verarbeitet wurden.

Ganz konkret spricht man von sechs Etappen beziehungsweise Wellen der Besiedelung Irlands.

Die ersten Wellen der Besiedlung

Laut Book of Invasions war es eine Frau, die die erste Welle Einwanderer anführte: Cessair, eine Enkelin von Noah. Mit drei Schiffen versuchten sie und ihre Leute der drohenden Sintflut zu entkommen, indem sie bis zum westlichen Rand der Welt segelten. Doch zwei Schiffe gingen auf See verloren, und nur Cessair, neunundvierzig weitere Frauen und drei Männer erreichten die grüne Insel. In der heutigen Bantry Bay gingen sie vierzig Tage vor Beginn der Sintflut an Land. Cessair heiratete Fintan mac Bóchra. Als jedoch die Flut kam, blieb allein Fintan übrig. Er verwandelte sich in einen Lachs und später in einen Adler und einen Falken, bis er 5500 Jahre nach der Flut wieder zum Menschen wurde und Irlands Geschichte erzählte.

300 Jahre später kam die zweite Gruppe Einwanderer. Sie bestand aus Partholón, ebenfalls einem Nachkommen Noahs, dessen Frau und vier Söhnen und vielen weiteren Männern und Frauen. Über Anatolien, Griechenland, Sizilien und Spanien segelten sie nach Irland. Sie begannen, das Land zu roden und führten die Viehzucht ein. Dabei hatten stets gegen die Fomori zu kämpfen, die Verkörperung von Chaos, Dunkelheit, Dürre und Tod. Doch innerhalb einer einzigen Woche starb Partholóns ganzes Volk, 5000 Männer und 4000 Frauen, an einer Seuche. Und wieder überlebte ein einzelner Mann, der sich in verschiedene Gestalten verwandelte und Jahrhunderte später wieder als Mensch auftauchte, um die Geschichte des Landes zu erzählen.

Die Fomori © John Duncan, Public domain, via Wikimedia Commons

Dreißig Jahre, nachdem die Seuche gewütet hatte, setzte Nemed seinen Fuß auf die Insel. Im Verbund von vierundvierzig Schiffen waren die Nemedier von Griechenland aufgebrochen, doch nur eines davon erreichte Irland. Neben Nemed waren wiederum seine Frau und vier Söhne mit an Bord. Auch sie mussten sich gegen die Fomori zur Wehr setzen, wurden sogar dazu gezwungen, diesen schrecklichen Gestalten der Vorzeit Tribut zu zahlen. Jedes Jahr zu Samhain mussten sie zwei Drittel ihrer Kinder, ihres Weizens und ihrer Milch opfern. Dagegen wehrten sie sich in einer großen Schlacht, wurden aber besiegt und flohen von der Insel. Einige segelten nach Britannien, eine andere Gruppe zurück nach Griechenland. Verlassen blieb die grüne Insel zurück.

Die Einwanderungswellen vier bis sechs

Als vierte Welle der Inseleroberer kamen die Fir Bolg. Sie gelten als Nachkommen der vor mehr als 200 Jahren geflohenen Nemedier, die in Griechenland als Sklaven Erde und Lehm in schweren Säcken (builg) schleppen mussten. Aufgrund ihrer fünf Anführer teilten die Fir Bolg die Insel in fünf Provinzen: North Munster, South Munster, Connacht, Ulster und Leinster. Im Lauf der folgenden 37 Jahre regierten neun Hochkönige das Land. Im Lauf dieser Herrschaft rollte die nächste Einwandererwelle an die Küste der Insel: die Thúata de Danann.

Dieses Volk mit übernatürlichen Fähigkeiten, das Volk der Adlergöttin Dana, repräsentiert die heidnischen Gottheiten des Landes. In einer dunklen Wolke landeten sie samt ihren vier Schätzen an der Küste des heutigen County Leitrim, wo sich ihnen die Fir Bolg entgegenstellten. So kam es zum Kampf über die Vorherrschaft auf der Insel und der ersten Schlacht von Mag Tuired.

Die Thúata de siegten, wollten nun aber auch die Fomorier ein für allemal loswerden. Das gelang ihnen in der zweiten Schlacht von Mag Tuired, deren Geschichte ihr hier nachlesen könnt. Danach herrschten die Thúata de Danann für ganze 150 Jahre ungestört über ihr grünes Reich.

So lange nämlich, bis die sechste und letzte Welle der Einwanderer kam. Die Gaelen oder auch Söhne des Mil (Milesier), erreichten Irland etwa um das Jahr 200 v. Christus. Mit einer großen Streitmacht kamen sie von Spanien, um die Insel einzunehmen.

Doch keine der beiden Armeen, weder die der Thuata de Danann noch die der Milesier konnte die andere wirklich schlagen. Deshalb einigte man sich schlussendlich darauf, die Insel zu teilen. Die Milesier beziehungsweise Gaelen herrschten fortan über die sichtbare Welt, die Thuata de Danann aber bezogen ihr Heim in den Sidhe (Feenhügeln) und herrschten über die Anderswelt.

Deutung des Book of Invasions

Das Book of Invasions endet mit einer Auflistung der frühen heidnischen Könige und Hochkönige Irlands bis etwa zum fünften Jahrhundert, gefolgt von den Königen und Hochkönigen des christlichen Zeitalters.

Bis hinein ins 17. Jahrhundert wurde das Book of Invasions tatsächlich als historisches Werk betrachtet. Heute jedoch sieht man darin hauptsächlich eine Sammlung von Mythen und Legenden, zusammengestellt von den christlichen Gelehrten des Mittelalters. Also in der Tat als die Ursprungslegende des irischen Volkes. Aber ob nun historische Tatsache oder Legende – unterhaltsam und höchst informativ für jeden Irlandliebhaber sind die Gedichte und Erzählungen des Book of Invasions auf jeden Fall!

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Über den Autor

Monika Dockter

Als Schriftstellerin bedeutet Irland für mich Inspiration in ihrer schönsten Form. Ich finde diese Inspiration in den Worten begnadeter irischer „Storyteller“, zwischen den verschlungenen Wurzeln einer uralten Eiche und auf der Brücke über einen Bach, dessen Wasser vom Torf so braun ist wie der Ginster am Ufer gelb…
Für die gruene-Insel.de zu schreiben betrachte ich als einmalige Gelegenheit, etwas von der für mich so faszinierenden Atmosphäre dieses Landes weiterzugeben – und zwar an eingefleischte Irlandfans ebenso wie an solche, die genau das einmal werden wollen.

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