Irische Mythologie

Balor of the Evil Eye – Die Legende des mächtigen Zauberkönigs

Balor Evils Eye
Written by Monika Dockter

Mit Balor of the Evil Eye greifen wir heute tief in die Schatzkiste der irischen Legenden. Denn im Vergleich zur Legende um den Giants Causeway beispielsweise, ist die des Zauberkönigs Balor vom bösen Auge ziemlich unbekannt.

Dabei war auch Balor of the Evil Eye ein Giant – ein Riese – und auch Balor besaß gewaltige zerstörerische Kräfte. Hier lest Ihr, wie er diese Kräfte gegen seine Feinde einsetzte und wie er schlussendlich von seinem eigenen Enkel, dem Sonnengott Lugh, besiegt wurde.

Der Riese Balor of the Evil Eye in der irischen Mythologie

Laut der irischen Mythologie gehörte Balor zum Volk der Formorianer. Man bezeichnet die Formorianer manchmal auch als das dunkle oder dämonische Volk. Er herrschte mit großer Macht und Strenge über sein Volk, und mit unerbittlicher Gewalt bekämpfte er seine Feinde, das göttliche Volk der Thúata-de-Dannan.

Laut Überlieferung war Balor so groß, dass er, als er schließlich im Kampf fiel, 27 seiner eigenen Kämpfer unter sich begrub.

Außerdem besaß er ein einziges, riesiges Auge in der Mitte seiner breiten Stirn. Dessen Augenlid war so schwer, dass er es selbst gar nicht heben konnte. Es brauchte – je nach Version der Legende – vier bis zehn Männer, um es anzuheben. Und einmal geöffnet war das Auge, das ihm seinen Beinamen Evil Eye einbrachte, seine mächtigste Waffe. Es besaß nämlich zerstörerische Zauberkräfte.

Balors Evil Eye

Das Auge besaß die Kraft, zu vergiften oder zu versteinern, hauptsächlich aber zu versengen und in Brand zu setzen. In jedem Fall brachte es Vernichtung und Zerstörung über jeglichen Feind und war sogar in der Lage, ganze Landstriche in Flammen zu setzen. Auf diese Weise standen seine Feinde ihm im Kampf quasi hilflos gegenüber.

Einige Überlieferungen berichten außer von diesem einzelnen, überdimensionalen Auge auf Balors Stirn auch noch von anderen Augen. Manchmal besitzt der Riese noch ein Auge am Hinterkopf, andere beschreiben ihn als Wesen mit drei Augen. Unbestritten ist jedenfalls die vernichtende Zauberkraft seiner Augen, in welcher Anzahl sie auch immer vorhanden waren. 

Die Prophezeiung

Zu dem Zeitpunkt, als Balor durch einen druidischen Trank seine Zauberkraft erhielt, bekam er auch eine Prophezeiung durch den Druiden. Sie besagte, dass er einst durch seinen eigenen Enkel den Tod finden würde.

Balor war derart eingeschüchtert von dieser Verheißung, dass er alles daran setzte, diesem Schicksal zu entgehen: Er sperrte seine schöne Tochter Ethniú in einen Turm, der schwer bewacht wurde. Außerdem befahl er, dass niemand in ihrer Gegenwart auch nur den Namen eines Mannes erwähnen durfte. Auf diese Weise gedachte er zu verhindern, dass sie jemals schwanger wurde.

Lange Zeit ging dieser Plan auch auf. Doch es kam der Tag, an dem Balor selbst die Grube grub, die ihm später zur tödlichen Falle werden sollte. Er selbst wurde zum Auslöser dafür, dass Ethniú dem späteren Vater ihres Sohnes begegnete.

Balors Diebstahl

Alles begann offenbar ganz harmlos mit dem Diebstahl einer Kuh. Natürlich nicht irgendeiner beliebigen Kuh, sondern einer magischen Kuh. Glas Ghoibhneann hieß sie und war bekannt als die Kuh des Reichtums, der Fülle und des Überflusses. Sie gehörte einem Schmied aus dem Volk der Thuata de Danann und damit aus dem Volk von Balors Erzfeinden.

In der Gestalt eines anderen drang Balor persönlich in den Stall des Schmiedes ein, stahl die Kuh und nahm sie mit auf seine Inselfestung. Cian aber, der Wächter der kostbaren magischen Kuh, folgte dem Dieb bis auf dessen Schloss. Mit Hilfe einer Druidin drang er mutig in das schwer bewachte feindliche Schloss ein – und in den Turm, in dem die Tochter des Riesen gefangen gehalten wurde.

Die schöne Ethniú und der tapfere junge Krieger aus dem Stamm der Erzfeinde verliebten sich ineinander. Doch ihre Liebe war nur von kurzer Dauer, denn Balor ertappte Cian auf frischer Tat.

Lugh, der Enkelsohn

Für Cian bedeutete dies das Ende seines Lebens: Balor tötete ihn auf der Stelle. Für Ethniú hingegen bedeutete ihre Begegnung, dass sie bald darauf Mutter von Cians Sohn, Lugh, wurde.

Balor war außer sich. Lugh war niemand anders als der Enkel aus der alten Prophezeiung, dessen Entstehung er doch mit aller Macht hatte verhindern wollen! Nun gab es nur noch den einen Ausweg: Sein Enkel musste sterben. Er ertränkte das Kind im Meer.

Doch seine Rechnung ging nicht auf. Manannán, der Gott des Meeres, rettete den kleinen Lugh aus der Tiefe und zog ihn als seinen Pflegesohn auf. So wurde aus Lugh, dem unerwünschten Nachkommen einer formorianischen Mutter und eines Thúata-de-Danann-Vaters eine der strahlendsten keltischen Gottheiten. Lugh, der Sonnengott.

Harold Robert Millar / Public domain

Der Tod des Zauberkönigs Balor

Als Lugh erwachsen wird, kämpft er auf der Seite seines väterlichen Volkes. Gemeinsam mit den Thúata-de-Danann zieht er in die Schlacht gegen seinen Großvater, den König der Formorianer.

In der zweiten Schlacht von Mag Tuired stehen die beiden einander auf dem Felde gegenüber: der Riese Balor mit seinem todbringenden Evil Eye und sein Enkel Lugh, bewaffnet mit einem rotglühenden Schwert (oder einer Steinschleuder, je nach Überlieferung).

Mit einem lauten Kriegsschrei schleudert Lugh sein Schwert – oder ist es doch ein Stein aus seiner Schleuder? – auf den Riesen zu. Er trifft, exakt in das Auge des Riesen. Ein mächtiger Feuerstrahl schießt aus Balors verwundetem Auge, und zwar in Richtung seines eigenen Volkes! Feuer vernichtet die tapfersten Männer aus seiner Schar, während er selbst mit dem Gesicht voraus zu Boden geht.

Zischend streift der Feuerstrahl auch über den felsigen Boden ein Loch und brennt ein großes Loch hinein. Später füllt sich das Loch mit Wasser und wird zu einem See, dem Loch na Súl – Lake of the Eye – im heutigen County Sligo.

Lugh schlägt Balor den Kopf ab und der Zauberkönig ist ein für allemal besiegt.

Interpretation der Legende von Balor of the Evil Eye

Genauso, wie es unterschiedliche Versionen dieser Geschichte gibt, existieren auch mehrere Deutungen davon. Oft steht der einäugige Balor darin symbolisch für Dürre, Pest und Tod, während Lughs Person Wachstum und Fruchtbarkeit und Sonne darstellt. So wäre die Legende eine Metapher des Zyklus‘ der Natur, von Wachstum, Tod und Wiedererwachen.

Manche Elemente der Geschichte finden sich auch in anderen Kulturen wieder. Man denke nur an die Zyklopen in der griechischen Mythologie, oder an den biblischen Hirtenjungen David, der mit seiner Schleuder den Riesen Goliath tötete.

Auch in Wales erzählt man sich die Legende von einem Riesen namens Ysbaddaden mit Augenlidern so schwer, dass man sie mit einer Gabel hochheben muss, und dessen Auge schließlich von einem Speer durchbohrt wird.

Balors Spuren im heutigen Irland

Natürlich findet sich der Inhalt einer solchen Legende stets auch an bestimmten Orten eines Landes wieder.

Den See namens Loch na Súl oder Lough Nasool im County Sligo habe ich bereits erwähnt.

Auch Tory Island, eine  kleine Insel vor der Küste Donegals, bewahrt die Erinnerung an den Zauberkönig. Dún Bhalair ist Balors Festung und Túr Bhalair oder Tormore, der Turm, in dem er seine Tochter gefangen hielt.

Am heutigen Mizen Head im Südwesten Irlands findet sich Carn Uí Néit, das Grabmal von Nét’s Enkel, verbunden mit der Annahme, dass die Gottheit Nét Balors Vorfahrin war.

Falls Ihr Euch also gerne selbst auf die Spuren dieses legendären Riesen machen wollt, steht dem nichts im Wege…

 

 

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Über den Autor

Monika Dockter

Als Schriftstellerin bedeutet Irland für mich Inspiration in ihrer schönsten Form. Ich finde diese Inspiration in den Worten begnadeter irischer „Storyteller“, zwischen den verschlungenen Wurzeln einer uralten Eiche und auf der Brücke über einen Bach, dessen Wasser vom Torf so braun ist wie der Ginster am Ufer gelb…
Für die gruene-Insel.de zu schreiben betrachte ich als einmalige Gelegenheit, etwas von der für mich so faszinierenden Atmosphäre dieses Landes weiterzugeben – und zwar an eingefleischte Irlandfans ebenso wie an solche, die genau das einmal werden wollen.

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