Keltische Kunst hat in Irland eine ganz eigene Ausprägung: Die unverkennbaren keltischen Knoten und die reich verzierten Manuskripte gehören in unserer Vorstellung einfach dazu – und sind für uns oft gleichbedeutend mit keltischer Kunst. Und es stimmt, jedoch ist es eine eigenständige irisch-keltische Kunst, die uns auch heute noch mit ihrer eigenen Bildsprache und ihrer Schönheit überall in Irland verzaubert.
Inhaltsverzeichnis
Die Geschichte keltischer Kunst
Frühe irische Kunst setzen wir meist mit keltischer Kunst gleich. Doch eigentlich sind die irischen Kunstgegenstände eine Sache für sich. Denn die sogenannte Hallstatt-Kultur oder die später La-Tène-Kultur der Kelten, die die Kunst auf dem europäischen Festland prägte, erreichte Irland erst sehr spät – wahrscheinlich erst um 300 v. Chr. Grabbeigaben aus Eisen verrotteten im irischen Klima zudem sehr schnell und Gold gab es ebenfalls wenig. Deshalb sind aus dieser frühen Periode kaum Zeugnisse erhalten geblieben. Gegenstände, die Einflüsse der keltischen Kunst des Festlands aufweisen, finden sich in Irland deshalb kaum.
Das, was wir heute als irisch-keltische Kunst kennen, stammt deshalb aus dem 6-8. Jh. Damals war Irland gerade zum Christentum übergegangen und irische Mönche reisten als Missionare vor allem ins angelsächsische England und ins Frankenreich. Aus diesem Kontakt – vor allem mit England – entstand eine Kunstrichtung, die sich gänzlich von der auf dem europäischen Festland unterschied. Das hervorstechendste Merkmal dieser irischen Kunst ist die überreiche Dekoration, keltische Knoten und raffinierte ineinander verwobene Muster.
Illuminierte Manuskripte sind hervorragende Beispiele für diese Kunstrichtung: Am bekanntesten ist sicherlich das Book of Kells, das mit einer unglaublichen Farbbrillanz und detailreichen Verzierungen begeistert. Und auch irische Hochkreuze mit den keltischen Knotenmustern sind typische Zeugnisse dieses besonderen Stils auf der Grünen Insel. Doch neben diesen christlich-keltischen Kunstgegenständen wie Büchern und Kreuzen, besitzen auch Schmuckgegenstände eine große Bedeutung für die keltische Kunst.
Berühmte irische Kunstgegenstände
Die Fibel von Tara
Die sogenannte Fibel von Tara ist ein tolles Beispiel für die irisch-keltische Kunst. Das Schmuckstück wurde vermutlich zwischen 650 und 750 n.Chr. hergestellt. Die silberne Brosche kam im Jahr 1850 ans Licht. Im August fanden eine Bauersfrau oder einer ihrer beiden Söhne sie am Strand in der Nähe des Ortes Bettystown im County Meath. Die Finder gaben an, sie hätten eine Box im Sand gefunden, in der sich die antike Brosche befand.
Es ist denkbar, dass diese Angaben falsch sind und die Frau die Brosche weiter im Inland gefunden hat – vielleicht auf dem Grundstück eines Landbesitzers. Und um Streitigkeiten zu vermeiden, gab sie schließlich einfach den Strand als Fundort an, denn der gehörte schließlich niemandem. Sie verkaufte die Brosche an einen örtlichen Händler. Das Schmuckstück landete schließlich beim Dubliner Juwelier G. & S. Waterhouse. Dort bekam der Fund auch erst seinen heute bekannten Namen.
Die Fibel hat tatsächlich wenig mit dem Sitz der Hochkönige in Tara zu tun. Denn der Hill of Tara liegt etwa 25 Kilometer vom vermeintlichen Fundort entfernt. Aber Marketing war schon damals alles. Und seit 1840 waren keltische Gegenstände aller Art ungemein in Mode. Deshalb wurden aufgrund der großen Nachfrage unzählige keltisch inspirierte und von Originalen kopierte Schmuckstücke hergestellt. Da kam die Brosche gerade recht. Der Juwelier gab ihr wahrscheinlich den wohlklingenden Namen, um die Repliken des antiken Stückes für die Käufer attraktiver zu machen. Denn die Menschen waren zu dieser Zeit hungrig auf keltische Kunst aller Art.
Die Originalfibel besteht aus vergoldetem Silber, Glas, Emaille und Bernstein. Sie ist – typisch irisch – mit abstrakten Motiven und Tierdarstellungen verziert. Der Juwelier stellte Repliken der Fibel in großen Ausstellungen in Paris, London und Dublin aus. Als die Brosche 1853 in Dublin zu sehen war, begeisterte sie auch Queen Victoria so sehr, dass diese eine Replik davon erwarb. Im Jahr 1868 kam das Original in den Besitz der Irish Royal Academy. Ab dem Jahr 1870 wurde der englische Begriff Tara Brooch zum Synonym für irisch-keltische Fibeln, die ab da massenhaft in Indien hergestellt und in Europa verkauft wurden.
Der Hort von Ardagh
Die beiden Jungen Jim Quin und Paddy Flanagan aus Ardagh im County Limerick staunte sicherlich nicht schlecht, als sie im Jahr 1868 Kartoffeln ernteten und dabei etwas weitaus Wertvolleres aus dem Boden zogen. Denn sie fanden etwa einen Meter unter der Erdoberfläche einen prächtig verzierten Kelch, in dem sich weitere Gegenstände befanden. Der sogenannte Hortfund war von oben mit einem großen Stein geschützt, sodass die Kartoffelhacke den kostbaren Gegenständen nichts anhaben konnte.
Der aufsehenerregende Schatz im Kartoffelacker bestand aus insgesamt sechs Einzelteilen: dem großen Kelch von Ardagh, einem etwas kleineren Bronzekelch, drei Ringfibeln und einer sogenannten Distelfibel. Vermutlich wurde der Schatz im 9. oder 10 Jahrhundert vergraben. Bei dem Kelch von Ardagh handelt es sich um ein liturgisches Gefäß, das vermutlich aus dem 8. Jahrhundert stammt und wahrscheinlich bei der Kommunion von christlichen Gläubigen genutzt wurde.
Der Kelch besteht aus Silber und ist mit vergoldeter Bronze beschlagen, die die typischen irisch-keltischen Muster aufweist. Der kleinere Bronzekelch ist ebenfalls ein liturgisches Gefäß und wurde wohl ebenfalls für die Kommunion genutzt. Er ist jedoch wesentlich einfacher gehalten und war schon beim Fund beschädigt. Die Broschen weisen zum Teil filigrane Verzierungen mit Tiermotiven auf und stammen aus dem 9. oder 10. Jahrhundert. Da der Hort nicht sehr tief vergraben war, ist es gut möglich, dass der ehemalige Besitzer den wertvollen Schatz in Eile versteckt hat – vielleicht, um ihn vor Wikingern zu schützen.
Nach dem Fund verkaufte Jim Quins Mutter die Gegenstände an den damaligen Bischof von Limerick, George Butler. Heute befindet sich der gesamte Fund im Irischen Nationalmuseum in Dublin. Vor allem der große Kelch von Ardagh gilt als ein herausragendes Beispiel irischer Metallkunst des frühen Mittelalters. Er gehört zu den neun bedeutenden Kunstgegenständen Irlands und steht so in einer Linie mit dem berühmten Book of Kells.
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