Kelten Irland / Frühgeschichte Irland

Wikinger in Irland: Wie das Volk aus dem Norden die Grüne Insel veränderte

Wikinger in Irland
Written by Nadja Uebach

Lautlos kamen sie übers Meer, zogen ihre langen Boote an den Strand der kleinen Lambay Island vor der irischen Ostküste und marschierten mit gezückten Waffen und den schützenden großen runden Schilden direkt auf die einsame Klosteranlage zu. Ihr Ziel: So viel Gold und Silber wie möglich zu plündern und dabei eine Spur von Zerstörung, Tod und Schrecken zu hinterlassen. So sahen die typischen ersten Raubzüge der Wikinger in Irland aus – allerdings interessierten sich die gefürchteten Nordmänner nicht nur dafür, sich die wertvollen christlichen Schätze der Grünen Insel unter den Nagel zu reißen, sondern wollten Irland außerdem zu ihrem Zuhause machen.

Obwohl die Wikinger nur wenige Gebiete entlang der irischen Küste für gerade einmal rund 200 Jahre wirklich unter ihrer Kontrolle hatten, prägten diese beiden Jahrhunderte die Zukunft Irlands maßgeblich. Neben der Gewalt und dem Hunger nach Macht brachten die Männer und Frauen aus Norwegen zudem die Grundsteine für eine zivilisierte Handelsgesellschaft nach Irland; die bis heute fest in der Basis der irischen Gesellschaft verankert sind!

Die ersten Wikinger in Irland

Die Plünderung der kleinen Klosterinsel Lambay Island nordöstlich von Dublin im Jahr 795 n. Chr. gilt als der erste Wikingerangriff der Republik Irland. Nachdem das Volk aus Norwegen bereits auf der Klosterinsel Rathlin Island in Nordirland kostbare Schätze auf ihrem Raubzug fanden, wurden Lambay sowie weitere Klosteranlagen entlang der irischen Küste zu attraktiven Zielen für ihre Überfälle.

Während England und Frankreich von dänischen Wikingern heimgesucht wurden. Gehörte Irland zum Plünder-Revier der aus Norwegen stammenden Völker. Die Nachbarn der Dänen, wollten sich ebenfalls an den Kostbarkeiten der scheinbar wehrlosen europäischen Länder bereichern und sahen in der Grünen Insel das perfekte Opfer. Im Vergleich zu Großbritannien und dem damaligen Frankreich, war Irland politisch in ein kompliziertes Netzwerk aus kleinen Königreichen und überregionalen Regierungsbezirken geteilt. Diese Gespaltenheit sahen die Wikinger fälschlicherweise als Schwachstelle der kleinen Atlantikinsel. Die scheinbare Anfälligkeit mehrere Königreiche und Herrscher stellte sich letztendlich jedoch als Stärke heraus. Gegen die vielen Regierungen und Thronfolger konnten sich die Wikinger letztendlich nur dürftig behaupten. Das Resultat: Lediglich kleinere Küstengebiete lagen in nordischer Hand!

Zunächst begnügten sich die Wikinger allerdings mit kurzen Raubzügen entlang der Ost-, Süd- und sogar Westküste Irlands. Dabei fielen sie mit nur wenigen Männern hauptsächlich über abgelegene und wehrlose Klosteranlagen her und verschwanden meist genauso plötzlich, wie sie gekommen waren!

Mehr als nur ein Raubzug: Die ersten Wikinger Siedlungen in Irland

Nachdem die Wikinger in Irland etwa 30 Jahre damit verbracht hatten kleine Küstenorte zu terrorisieren, dehnten sie ihre Beutezüge über das Flussnetzwerk ins Landesinnere der Grünen Insel aus! Mit dem wachsenden Erfolg der Überfälle wuchs die Anzahl der Männer und Frauen, die sich in Norwegen auf den Weg nach Irland machten. Die ersten von ihnen überwinterten zunächst im heutigen Dublin und Annagassan in sogenannten Longphorts, wie die Wikingersiedlungen in Irland genannt werden.

Während die ersten Plündertruppen schätzungsweise 20 Mann stark waren und mit nur einem Boot anrückten, brachten im Jahr 837 sechzig Boote insgesamt 1.500 Wikinger über den Liffey und Boyne nach Irland. Dort fielen sie über mehrere Orte in der heutigen Grafschaft Meath her. Außerdem fielen in dieser Zeit bekannte Plätze wie Glendalough, Kildare, Slane und Clonmacnoise den Wikingern zum Opfer.

Glendalough, Klöster in Irland

Das mystische Glendalough Co. Wicklow; Fotograf: Chris Hill, Creating Agency: Tourism Ireland

Irlands Wehr gegen das nordische Heer

Die Tatsache, dass sich die Wikinger in Irland nun niederließen, sorgte bei den Iren für Aufruhr. Ab 844 wurden mehrere nordische Streitmächte von irischen Königen und ihren Kriegern besiegt und zerschlagen. So eroberte das irische Volk beispielsweise den kleinen Küstenort Dublin mit seiner wachsenden Wikingersiedlung und dem, von den Nordmännern, erbauten Hafen. Erst als sich Olaf der Weiße 853 als Anführer der Wikinger in Irland erklärte brachte das norwegische Volk die heutige Hauptstadt erneut unter ihre Führung.

Gleichzeitig ließ sich Ivar Ragnarsson im heutigen Limerick und Waterford nieder. Mit Olaf und seinen Leuten in Dublin sowie Ivar und seinen Kolonien im Süden und Westen gelang es den Wikingern einen festen Stand auf der Grünen Insel zu erlangen. Es dauerte nicht lange, da spielten die Nordmänner sogar in der Innenpolitik des Landes mit. Sie verbündeten sie sich mit mehreren irischen Königen und Landbesitzern, um deren Interessen gegen ihre Feinde zu vertreten. Selbst wenn diese Bündnisse meist nicht von langer Dauer waren, halfen sie den Wikingern dabei, ihre Stützpunkte auf der Grünen Insel auszubauen.

Erst als sich Olaf 871 nach einem Raubzug in Schottland aus Irland zurückzog und Ivar zwei Jahre später in Dublin starb, zerbrach die stabile Stellung der Wikinger auf der kleinen Insel. 902 gelang es den Iren die nordmännischen Siedlungen einzunehmen und die Wikinger zeitweise aus dem Land zu vertreiben. Unter der Führung von Hingamund ließen sich die Norweger zunächst im Nordwesten Englands nieder, wo sie von Engländern geduldet wurden.

Die Rückkehr der Uí Ímair nach Irland

Erst 914 kehrten die Uí Ímair, wie die Nachfahren des Volkes von Ivar Ragnarsson genannt werden, nach Irland zurück. Ein Teil von ihnen fiel unter den Befehlen von Ragnall in Waterford ein, während Sitric ein zweites Wikingerheer in die Nähe der heutigen Ortschaft Leixlip in der Grafschaft Kildare führte. Nachdem Sitric 917 erneut die Oberhand in Dublin gewann, zog sich Ragnall als König von York ein Jahr später nach England zurück. Unter Sitrics alleiniger Herrschaft etablierten sich die Wikinger in Irland immer mehr.

In den Städten Dublin, Wexford, Waterford, Cork und Limerick lebten sie Seite an Seite mit den einheimischen Iren, was zu einer Mischung der Kulturen, Religionen und nicht zuletzt Genen führte. Durch Hochzeiten zwischen Iren und Wikingern entstand ein neues Volk mit hiberno-norwegischen Wurzeln. Nach Ragnalls Tod 921 wurde Sitric zu seinem Nachfolger und verließ Dublin, um sein neues Amt in York anzutreten. Der Wikinger Gofraid, der bisher mit Sitric zusammen in Dublin lebte, übernahm die Geschäfte in Irland.

Es folgten mehrere Jahre, in denen es unter den Wikingern zu einigen Auseinandersetzungen kam. Zudem mussten sich die Nordmänner immer wieder gegen irische Streitmächte behaupten, die versuchten ihr Land von den Wikingern zu befreien. Auch nach Gofraids Tod im Jahr 934 gelang es den irischen Wikingern nicht, wieder eine stabile und vereinte Front zu bilden.

Brian Boru und das Ende der Wikinger in Irland

Als 976 Brian Boru seinem Bruder auf den Thron von Munster folgte, begann das Ende der Wikinger-Macht auf der Grünen Insel. Schon in seinem ersten Regierungsjahr gelang es dem berühmten Hochkönig, die Stadt Limerick aus nordischer Hand zu befreien. Die nächsten zwanzig Jahre waren geprägt von mehreren Schlachten zwischen den Wikingern und den Iren, die auf Brian Borus Seite kämpften.

Als Brian 999 einen verbündeten Aufstand von Leinster und Dublin erfolgreich abwehren konnte, ergab sich Sigtrygg Silkbeard, der damalige Wikingerführer in Dublin und erkannte Brian Boru als seinen König an. Brian überließ Sygtrygg daraufhin die Kontrolle in Dublin. Nur drei Jahre später gelang es Brian, Irland als ein einziges Königreich unter sich zu vereinen. Er ging damit als der erste alleinige König Irlands in die Geschichte ein!

Der Friede wehrte jedoch nicht lange. Im Jahr 1013 plante Sygtrygg gemeinsam mit einem weiteren Clanoberhaupt in Leinster einen erneuten Aufstand gegen den König. Dieser wurde jedoch während der berühmt-berüchtigten Schlacht von Clontarf am Karfreitag 1014 erfolgreich von Brian und seinen Männern abgewehrt. Trotz der Niederlage, gelang es den Wikingern und ihren Verbündeten Brian Boru nach der Schlacht zu ermorden. Nach dieser Niederlage verloren die irischen Wikinger ihren ohnehin schwindenden Einfluss in der irischen Politik. Dublin verblieb wiederum noch bis 1052 in der Hand der Uí Ímair. Allerdings steht die Geschichte Irlands noch nachweislich bis ins 13. Jahrhundert mit der nordischen Dynastie und ihren Nachfahren in Verbindung.

Brian Boru - Hochkönig

Brian Boru, Irlands einziger Hochkönig, See page for author [Public domain], via Wikimedia Commons

Wikinger in Irland: So prägten die Nordmänner die Grüne Insel

Neben den bewegten Kapiteln in den irischen Geschichtsbüchern, sind die Wikinger zudem für einige wichtige Veränderungen auf der Grünen Insel verantwortlich. Dazu gehört nicht nur die Tatsache, dass sich bis heute eine erhöhte Anzahl an typischen Wikinger-Genen in der irischen Bevölkerung nachweisen lässt; sondern auch alte Gebäude, die von den Nordmännern erbaut wurden und Handelsrouten sowie Städte, die es ohne die Wikinger in Irland vielleicht nie gegeben hätte!

1. Die Wikinger und die irischen Handelsrouten

Nachdem sich die Wikinger an ihren Raubzügen satt geplündert hatten, konzentrierten sie sich auf den internationalen Handel. In Dublin wurden beispielsweise Hinweise auf den Handel mit Fellen, Silber, Seide und Schmuck gefunden. Dublin wurde als wichtiger Standpunkt für die Nordmänner in die bereits etablierten Handelsrouten nach Skandinavien und Mitteleuropa eingebunden. Verbindungen, welche die Iren noch lange nach der Wikingerzeit erfolgreich nutzten!

2. Damals gut gelegene Handelszentren – heute irische Städte

Für ihren Handel benötigten die Wikinger gut gelegene Standorte an der Küste Irlands. Neben Dublin, entwickelten sich unter anderem Waterford, Wexford und Cork zu wichtigen Handelszentren für die irischen Wikinger. Innerhalb weniger Jahre wuchsen die kleinen Siedlungen zu relativ großen Ortschaften heran. Die Basis für die heutigen, nach wie vor, wichtigsten und größten Städte des Landes war somit gelegt. Die starke Verbindung zu den skandinavischen Seefahrern liegt in Waterford und Wexford sogar im Namen. Die Endung -ford geht auf die nordische Bezeichnung Fjord zurück!

Sehenswürdigkeiten an der Ostküste Irlands

Waterford – einst von den Wikingern begründet © Tourism Ireland

3. Mit den Wikingern kam das Geld auf die Insel

Der Handel wurde für die Nordmänner bald so erfolgreich, dass sie nach dem englischen Vorbild Münzen als Zahlungsmittel prägen ließen. Unter der Herrschaft von Sygtrygg Silkbeard wurde im Jahr 997 die erste eigene Währung der Grünen Insel ins Leben gerufen. Die kleinen silbernen Münzen trugen Sygtryggrs Namen und wurden nicht nur in Irland, sondern auch in anderen europäischen Ländern als Zahlungsmittel akzeptiert.

Sygtryggr Muenze

PHGCOM, Sihtric posthumous coin 1050, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

4. Christ Church Cathedral von Wikingern erbaut

Die Christ Church Cathedral in Dublin ist bis heute eine der bekanntesten Kathedralen des Landes. Allerdings wurde sie nicht von einem irischen König oder Heiligen erbaut, sondern von Sygtrygg Silkbeard. Der Wikinger-König Dublins ließ 1038 am heutigen Standort der Kathedrale zunächst eine hölzerne Kirchenkonstruktion erbauen; die über 100 Jahre später durch die steinerne Kathedrale, wie wir sie heute kennen ersetzt wurde. Die Kirche war ein Zeichen dafür, dass sich die Kulturen und Religionen der Wikinger mit den einheimischen christlichen Brauchtümern der Iren vermischten.

Christchurch Cathedral Dublin

Die Christchurch in Dublin; © Tourism Ireland

5. Nordischer Einfluss auf die irische Sprache

Nicht nur die Kulturen und Religionen der Iren und Wikinger vermischten sich, sondern auch die Sprachen der beiden Völker. Es stammen beispielsweise einige bekannte irische Nachnamen von den Nordmännern ab. Dazu gehören Doyle, Gould, O’Loughlin, Higgins sowie McAuliff, McBirney und Cotter. Außerdem wurden mehrere Wörter aus der alten nordischen Sprache ins Irische übernommen; unter anderem das irische Wort für Würstchen: Ispín, was sich aus der nordischen Bezeichnung Íspen ableitet.

6. Irische Hasen dank der Wikinger

Die Überfahrt von Skandinavien nach Irland dauerte mehrere Wochen. Eine lange Zeit, in der sich die Wikinger an Bord ihrer Boote verpflegen mussten. Neben getrocknetem Fleisch nahmen die Nordmänner zudem lebende Hasen mit auf ihre Boote. Da sich die Hasen schnell und effektiv vermehrten, sollten sie den Wikingern unterwegs das Überleben garantieren. Dank dieser klugen Strategie, beheimaten die sanften Hügel der Grünen Insel seither auch Hasen!

Die schönsten Strände in Nordirland

Dank den Wikingern auch in Irland: Hasen, Bild von TheOtherKev auf Pixabay

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Über den Autor

Nadja Uebach

Da ich seit 2008 auf der grünen Insel lebe, bedeutet Irland für mich in erster Linie Alltag. Wenn ich nicht mit meinem Laptop bewaffnet in einem Café oder Zuhause sitze und schreibe, findet man mich höchstwahrscheinlich mit meinen drei Kindern am Strand. Die Natur, die Kultur und insbesondere die Menschen sorgen dafür, dass sich in unseren Alltag immer wieder ein bisschen Magie einschleicht. Diese besondere irische Alltagsmagie versuche ich in meinen Texten in Worte zu fassen.

Kommentar

  • Danke, guter Artikel. Ich kam auf das Thema Wikinger in Irland via – Link entfernt –

    der die gesamte Wikingergeschichte im Norden behandelt.
    Dort lese ich regelmäßig.

    Gruß
    U.Lammert

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