Die Grafschaft Donegal im Nordwesten von Irland ist die ideale Region für eine traumhafte Rundreise. Ein Highlight ist dabei Tory Island – eine Insel 14 km vor der Küste Donegals. Sie ist die nördlichste, bewohnte Insel Irlands. Einer Reise nach Tory Island wird dem Besucher noch lange in Erinnerung bleiben. Toraigh, wie das Eiland auf Irisch heißt, ist von Wind und Meer umtost, rau und schroff. Die Bewohner sind ein eigenes Volk wie aus einer anderen Zeit, welches seine Gäste herzlich begrüßt. Bevor er 2018 verstarb, schüttelte der König von Tory Island höchstselbst jeden Tag die Hände der Gäste.
Inhaltsverzeichnis
Tory Island – Geschichte der Besiedlung
Funde belegen Siedlungen auf Tory seit der Steinzeit. Ein Dolmen, 4.500 Jahre alt, war der älteste Zeitzeuge menschlicher Siedler. Leider nutzten die Bewohner die historischen Steine für den Bau einer Mauer um den Leuchtturm am Westende der Insel. Aus diesem Grund ist der Dolmen heute nicht mehr sichtbar. Ebenfalls belegen im Moor versunkene Grenzmauern im Osten der Insel die Existenz alter Feldsysteme aus der Steinzeit. Dabei handelt es sich um ähnliche Systeme wie bei den berühmten Céide Fields im County Mayo. Weitere Funde aus der Bronzezeit und Eisenzeit zeigen, dass Menschen die Insel im wilden Atlantik über die Jahrtausende kontinuierlich bewohnten.
Im 6. Jahrhundert siedelten christliche Mönche auf Tory Island. Unter dem Heiligen Columba (irisch: Colmcille) gründeten die Mönche ein Kloster und unterhielten dies bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Englische Truppen zerstörten die Anlage im Jahr 1595. Allerdings ist der alte Glockenturm des Klosters erhalten. Der Rundturm, in seiner Art typisch für Irland, ist der einzige verbliebene Rundturm in der Grafschaft Donegal. Neben dem Rundturm erinnern zwei Kirchenruinen sowie verschiedene Relikte an die früh-christliche Geschichte auf Toraigh.
Ein besonderes Artefakt religiöser Geschichte ist das Tau Cross im Hafen von Tory. Dieses T-förmige Kreuz wird mit den koptischen Christen aus Ägypten in Verbindung gebracht. Warum es auf Tory präsent ist, weiß heute niemand. Dennoch ist es eines der markantesten Wahrzeichen der Insel.
Im 15. Jahrhundert befand sich am Ostende der Insel eine Festung, das Tory Castle. Die Burg bewohnten die O’Roartys, welche zu dieser Zeit Verwalter der Insel waren. Ebenso wie das Kloster schleiften englische Soldaten die Burg. Es existieren keine sichtbaren Überreste der Festung.
Siedlungen auf Tory Island
Heute befinden sich auf der Toraigh zwei Siedlungen: An Baile Thiar (West-Siedlung) und An Baile Thor (Ost-Siedlung). In der größeren West-Siedlung liegt der Hafen der Insel. In diesem läuft täglich mehrmals die Fähre ein, die einzige Verbindung der Inselbewohner zum irischen Festland. Eine Straße, die Einzige auf der Insel, verbindet die beiden Orte miteinander.
Die Bewohner von Tory Island sind ein eigener Schlag Mensch. Während die Insulaner lange Zeiten vom Fischfang und der Landwirtschaft lebten, veränderten sich die Zeiten in den letzten einhundert Jahren drastisch. Obwohl Tory aufgrund der isolierten Lage von der Kartoffelfäule während der Großen irischen Hungersnot verschont blieb, ernährte die karge Insel immer weniger ihrer Siedler. Viele Bewohner konnten von der traditionellen Arbeit und ihrem Ertrag nicht mehr leben. Besonders Jüngere wanderten aus.
Nichtsdestotrotz stand es nie zur Debatte, die Besiedlung aufzugeben. Stur und bodenständig leben die Menschen von Toraigh allem zum Trotz weiterhin redlich auf ihrer Insel. Irisch ist die Hauptsprache der Kommunikation. Der aufkommende Tourismus sowie Bestrebungen, Kunst und Kultur zu etablieren und davon zu leben, gaben den Bewohnern neue Optionen. Insbesondere die Kunst ist auf der Insel verbreitet. Als Mitte des 20. Jahrhunderts der englische Künstler Derek Hill ankam, inspirierte er einige Bewohner mit seiner Interpretation des Malens. Hill wohnte und malte während seiner Ausflüge auf Tory in einer alten Küstenstation im Nordwesten des Eilands.
Mit einfachen Mitteln und ohne künstlerische Vorkenntnisse, begann allen voran James Dixon die Kunst Hills aufzugreifen. Seine Gemälde sind in der Dixon Gallery in An Baile Thiar ausgestellt. Die Werke von Hill selbst sind in einem seiner letzten Wohnsitze, der Glebe Gallery in Churchhill im Glenveagh Nationalpark zu bewundern. Noch heute malen Bewohner Torys im primitiven Stile Hills und setzen die junge Tradition fort.
Der König von Tory Island – Rí Thoraí
Die skurrilste Eigenart von Tory ist ihre Monarchie. Als letzter Ort in Irland regierte auf der Insel bis 2018 ein eigener König. Während diese Rolle in den zurückliegenden Jahrhunderten praktische Gründe hatte, war der neuere König von Tory ein Repräsentant. Wie einst Streitigkeiten, um Land und Vieh zu regeln, zählte nicht mehr zu seinen Aufgaben. Dennoch vertrat er die Belange der Inselbewohner nach außen und war das Sprachrohr aller. Zudem war er das Aushängeschild von Toraigh. Besucher begrüßte der König persönlich am Pier und abends, im örtlichen Pub, ist der Rí Thoraí zentraler Punkt der Aufmerksamkeit seiner Gäste.
Die Landschaft von Tory Island
Tory Island ist eine sieben Kilometer lange und einen Kilometer breite Insel vor der Nordwestküste von Donegal. Der schäumende Atlantik umspült die kleine Landmasse und hinterlässt an der Nordseite des Eilands eine lange, dramatische Reihe von Steilklippen. Dagegen fällt die Südseite flach ab. Zwei Süßwasserseen liegen auf der Insel, einer im Osten, einer im Westen. Eine Salzwasserlagune im Südwesten ist die dritte Wasserfläche auf Tory.
Die Landschaft auf Toraigh als verödet zu bezeichnen, wäre ein Understatement. Die Bewohner haben über Jahrhunderte das Deckenmoor abgebaut und den gewonnenen Torf auf traditionelle Weise als Brennstoff verwendet. Als Ergebnis dieses Raubbaus ist die Torfdecke heute verschwunden. Verblieben ist eine karge Landschaft, unterbrochen von umfangreichen Grasflächen. Die Klippen im Norden sind mit Heidekraut bewachsen. Dabei ist es auffällig, dass Tory völlig baumfrei ist. Ebenso fehlen größere Sträucher. Durch den permanenten Einfluss des salzigen Meereswinds haben es Pflanzen grundsätzlich schwer, sodass sich wenige Pflanzenarten halten.
Dagegen ist Tory ein Paradies für Seevögel. Neben verschiedenen Möwenarten beherbergt die steile Nordküste die größte Kolonie Papageientaucher der Grafschaft Donegal. Diese putzigen Vögel nisten auf den hohen Felsen, die vor den Klippen aus dem Meer ragen. Mit dem Wachtelkönig ist eine weitere Vogelart verbreitet. Die Vögel leben und nisten in den verstreuten Grasflächen. Deshalb sind Besucher angehalten, auf Wegen zu bleiben um die Tiere nicht unnötig aufzuscheuchen. Weitere Tiere auf Tory sind Schafe als Weidevieh, die vereinzelt auf der Insel grasen.
Tory Lighthouse – Leuchtturm im wilden Ozean
Der Leuchtturm am westlichsten Landteil von Tory entstand im Jahr 1832. Mit seiner Höhe von 27 Metern ist er weit und breit der höchste Punkt in der Landschaft. Schon aus der Ferne leuchten die weiß gestrichenen Wände des Turms vor dem dunklen Blau des Meeres. Die Straße aus An Baile Thiar führt aus der Siedlung zum Tory Lighthouse.
Umgeben ist der Leuchtturm von schroffen Felsen und das geräuschvolle Meer ist allgegenwärtig. Weiter nordwestlich des Turms befindet sich eine Einfriedung, der sogenannte „Friedhof der Fremden“. In diesem Feld bestatteten die Inselbewohner Nicht-Insulaner, die an der Küste oder auf der Insel verstarben.
Tory Island entdecken
Eine Fähre steuert Tory täglich mehrmals vom Magheroarty Pier aus an. Die Überfahrt dauert, je nach Tide und Wetterlage 45 bis 60 Minuten. Bei schwerer See ist die Reise nichts für Landratten. Die Wellen des wilden Atlantiks bringen das Boot stark zum Schaukeln und die Gischt sprüht über Deck. Die erste Fähre verlässt den Hafen morgens, die Letzte kehrt am Nachmittag zurück.
Der kleine Hafen von Tory liegt in der West-Siedlung. Von hieraus startet ein Rundweg, auf dem Besucher die gesamte Insel zu Fuß erkunden. Da Autos auf Tory kaum vorhanden sind, gibt es keine andere Möglichkeit als mit den eigenen Füßen auf Entdeckungsreise zu gehen. Allerdings ist es möglich, auf der Fähre Fahrräder mitzunehmen und die Insel auf zwei Rädern zu erkunden.
Rundwanderung auf Tory Island
Da Toraigh keine große Insel ist, dauert eine Wanderung über die gesamte Insel nicht lange. Aus An Baile Thiar führt die Straße westlich zum Leuchtturm. Dort biegt sie nördlich ab und führt hinauf zur alten Küstenstation, in der Derek Hill seinem Schaffen nachging. Im Bogen verläuft die Straße zurück zur West-Siedlung und darüber hinaus nach An Baile Thor im Osten. Auf dem Weg in die Ost-Siedlung ragt neben der Straße ein stehender Torpedo, angespült während des 2. Weltkriegs, hervor.
Landschaftlich bemerkenswert ist das Ostende der Insel. Dort hat das Meer die Landmassen spektakulär verformt. Hohe Klippen und schneidende Buchten sind das Ergebnis jahrhundertelanger Arbeit der Brandung und des Windes. Besonders die äußerste Landzunge im Nordosten, ist von einer wilden, atemberaubenden Schönheit. Angeblich lebte auf dieser die Sagengestalt Balor, ein berüchtigter, einäugiger Pirat. Von dieser Legende rührt der Name der Landzunge: Dún Bhaloir.
Um den besten Eindruck der zerklüfteten Nordküste von Tory zu bekommen, lohnt es sich, die Straße vor Dún Bhaloir zu verlassen und nordwärts hinauf auf die Klippen zu wandern. Beim Folgen der Küstenlinie zurück nach Westen verändert sich der Ausblick ständig und wird mit jedem Schritt spektakulärer. Steile Felsformationen, tiefe Schluchten und die Wellen des Meeres in der Tiefe zeigen Irland von ihrer besonderen Seite. Der Ausblick über Thoraig mit seinen beiden Siedlungen und dem Leuchtturm in der Ferne ist umwerfend und einprägsam.
Für Irland-Reisende in Donegal ist Tory Island das ideale Ziel für einen Tagesausflug. Die wilde, zerklüftete Landschaft und die liebenswerten Bewohner der Insel machen den Ausflug zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Wunderbare Beiträge. Ich geniesse jeden und durchlebe nochmals meinen Urlaub auf der Insel.
Gibt es diese auch in einem Buch?
Hallo Heike, wie schön, das freut uns sehr zu lesen 🙂 Leider gibt es die Beiträge nicht in Form eines Buches