Irische Lieder

Sean Nós – traditioneller irischer Gesang

Sean Nós
Written by Heike Fries

Sean Nós heißt übersetzt „im alten Stil“. Es ist ein Sologesang ganz ohne musikalische Begleitung. Ganz pur und unmittelbar erhebt sich die Stimme der Sängerin oder des Sängers und erzählt eine Geschichte. Denn Worte sind beim Sean Nós wichtiger als die Melodie. Traditionell erklingen die alten Lieder in gälischer Sprache – von zarten Liebesgedichten über historische Ereignisse bis hin zu berührenden Naturbeschreibungen findet in den Gesangsstücken vieles Platz.

Die Geschichte des Sean Nós Gesangs

Diese eigentümliche Art zu singen ist ganz anders als der beschwingte Irish Folk, den viele Musikfans beim Gedanken an die Grüne Insel im Ohr haben. Sean Nós ist erzählerisch und reicht weit in die Vergangenheit zurück. Wie genau der Gesang entstand, lässt sich nicht mehr genau sagen. Aber schon zur Zeit der Kelten wurden wichtige Neuigkeiten und Geschichten mündlich weitergegeben – Barden bekleideten wichtige Stellungen an den Höfen der Herrschenden. Vielleicht haben sich im Laufe der Geschichte auch Einflüsse aus Spanien oder anderen Ländern hinzugesellt. Denn auch dort gibt es Gesangstraditionen, die ähnlich erzählerisch daher kommen.

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Merkmale des Sean Nós Gesangs

Sean Nós Gesang zeichnet sich durch verschiedene Merkmale aus: Zunächst einmal ist er immer unbegleitet. Die Melodie ist zweitrangig. Vielmehr geben ihm jeder Sänger und jede Sängerin einen ganz eigenen Charakter. Der Klang ist oft nasal und Konsonanten werden oftmals in die Länge gezogen, Klangliche Ornamente kommen je nach Stil ebenfalls hinzu. Manchmal erklingt eine Silbe über mehrere Noten. Vibrato oder ähnliche Effekte gibt es im Sean Nós jedoch nicht. In jedem Fall hat der Gesang nie eine süßliche Anmutung. Vielmehr klingt ein Vortrag eher hart und klar.

Sean Nós erfordert vom Publikum zwar eine Menge Aufmerksamkeit, das heißt aber nicht, dass es bei einem solchen Vortrag ruhig zugehen muss. Denn es ist auch immer Kommunikation mit dem Publikum – gut möglich, dass ein eingeworfenes Wort dem Song eine neue Richtung gibt. Es ist auch üblich, dass sich der Sänger oder die Sängerin während der Songs zu einer Ecke des Raumes dreht – das hat klangliche Gründe. Die Melodie kann ebenfalls von Strophe zu Strophe variieren.

Verschiedene Stile

Sean Nós begleitet die Menschen auf der Grünen Insel schon lange und wird von Generation zu Generation weitergegeben. In Teilen Irlands, in denen Gälisch noch heute gesprochen wird, gehört dieser Gesang noch heute selbstverständlich dazu. Für viele Irinnen und Iren ist er deshalb auch Teil ihrer eigenen Familiengeschichte.

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich in den verschiedenen Teilen des Landes eigene Stilrichtungen herausgebildet. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Sängerinnen und Sänger immer wieder gegenseitig inspirierten.

  • Der Donegal Stil ist stark vom schottisch-gälischen Gesang beeinflusst. Er ist eher klar und geradlinig – und oft nasal. Der Donegal Stil unterscheidet sich vor allem durch seine relative Schlichtheit von den anderen Stilen.
  • In Connemara kommt Sean Nós schon weitaus ausgeschmückter und komplexer daher.
  • Der West Munster Stil ist ebenfalls stark ornamentiert und ähnelt dem Connemara Stil. Doch zeichnet er sich auch durch stärkere Pausen innerhalb der Melodie aus.
  • Der East Munster Stil hat ebenfalls eine eigene Qualität. Und das obwohl in der Gegend um Waterford nur wenige Menschen leben.

Sean Nós – eine Liebeserklärung an Irland

In den gälischsprachigen Landesteilen wie Connemara oder auch auf den Aran Inseln haben Besucher manchmal das Glück in einem Pub eine Sean Nós Session zu erleben. Solch eine Vorstellung verlangt Aufmerksamkeit. Sobald der erste Ton erklingt, ist es, als ob die Zeit stillsteht: Uralte Bilder kommen hoch, die Hektik fällt ab und der Gesang berührt auf ganz eigentümliche Weise.

Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, dass der Text auf Gälisch ist. Die Worte mögen unverständlich sein, doch ihre emotionale Bedeutung trifft ungeachtet davon ins Herz. Denn Sean Nós ist weit mehr als nur eine Melodie und ein Text. Jedes Wort hat einen ganz eigenen Rhythmus, der durch die besondere Art des Gesangs zusätzliche Kraft erhält. Zusammen ergeben Worte und Stimme ein gewebtes Stück Klang, das innehalten lässt.

Sean Nós erscheint mir wie eine Liebeserklärung an die Sprache. Denn der Text steht im Mittelpunkt. Die Poesie gibt den Ton an. Die reiche dichterische Tradition der Iren kommt beim Sean Nós unmittelbar zum Ausdruck. Besonders eindrucksvoll sind dabei die reichen Naturbeschreibungen. Es ist fast, als könnte man die Wellen des Meeres an der Küste Connemaras hören. Oder den Wind, wie er sanft über die grünen Wiesen streift. Eigene Erinnerungen vermischen sich mit alter Tradition.

Diese Art der Musik ist intim und zeigt eine andere Seite der irischen Musiktradition. Und sie klingt für manche Zuhörerinnen und Zuhörer durchaus ungewohnt. Aber die ungeahnte Tiefe der Emotionen und die klaren Stimmen berühren auf ganz eigene Weise. Deshalb ist es kein Wunder, dass die alte Tradition auch heute noch praktiziert wird. Mittlerweile haben zahlreiche Sängerinnen und Sänger die alte Tradition auch über Irland hinaus bekannt gemacht – und damit den alten Stil überall in die Welt getragen. Aber einen Sean Nós Vortrag in einem irischen Pub erleben zu dürfen ist ein ganz besonderes Erlebnis, das einen tiefen Eindruck hinterlässt.

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Über den Autor

Heike Fries

Irland ist eine Herzensangelegenheit für mich und neben der irischen Musik hat es mir vor allem der irische Sagenzyklus angetan.

Ich habe Irland schon als Schülerin mehrmals besucht. Damals hatte ich das Glück, die ganze Insel über mehrere Wochen kennenzulernen. Das blieb natürlich nicht ohne Folgen: Es ist bis heute mein Lieblingsland.

Ich bin Autorin und Künstlerin und irische Motive schmuggeln sich auch immer wieder in meine Zeichnungen. In meiner Freizeit spiele und singe ich in einer Band. Wir sind zwar keine richtige Folkband, haben aber den ein oder anderen irischen Song im Programm. Ich spiele außerdem ein wenig Bodhrán. Da ich nicht genug übe, bin ich nicht besonders gut – aber ich bin mit Begeisterung dabei.

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