Irland im Mittelalter

Alice Kyteler – die Hexe von Kilkenny

Written by Jessica Jirschik

Alice Kyteler ging als die Hexe von Kilkenny in die irische Geschichte ein. Wahrscheinlich würde ohne diesen Titel heute kein Mensch mehr ihren Namen kennen, denn sie war nur eine von vielen wohlhabenden schönen Frauen. Und nur eine von vielen, die im Mittelalter wegen Hexerei angeklagt wurden. Was war es also, das ihren Namen unsterblich machte?

Das Leben der Alice Kyteler

Alice wurde im Jahr 1263 als Tochter flämischer Kaufleute geboren. Wann genau sie in Kilkenny auftauchte, ist nicht bekannt, ebenso wenig wie ihr genaues Geburtsdatum. Sie lebte in einem großen Landhaus, das sie später in einen Pub umfunktionierte, der noch heute ihren Namen trägt.

Alles begann mit ihrer Heirat mit dem wohlhabenden Kaufmann und Geldverleiher William Outlaw im Jahr 1280. Das junge Paar bekam einen Sohn, der denselben Namen wie sein Vater erhielt. Man könnte von einer glücklichen, wohlhabenden Familie sprechen, aber William Outlaw Senior starb  plötzlich und Alice war mit ihrem Sohn allein. Es ist nicht bekannt, wie alt der junge William zu diesem Zeitpunkt war. Laut einiger Quellen wurde er 1303 zum Erwachsenen erklärt. Erste Stimmen munkelten, dass der Tod von William Outlaw Senior nicht mit rechten Dingen zu tun gehabt hätte, doch es blieben nur Gerüchte.

Im Jahr 1302 heiratete Alice ein zweites Mal. Adam le Blund of Callan war wie ihr erster Mann auch Geldverleiher, was Alice den guten Lebensstil sicherte, den sie seit Kindesbeinen gewöhnt war. Wie Alice hatte auch Adam Kinder aus erster Ehe, dennoch war es sein Stiefsohn, dem er all seine Waren und Besitztümer überschrieb, ehe auch ihn ein unerwarteter, plötzlicher Tod ereilte.

Nur kurz nach dem Tod ihres zweiten Mannes, heiratete Alice im Jahr 1309 den wohlhabenden Grundbesitzer Richard de Valle. Wieder profitiert William Outlaw Junior. Und wieder stirbt Alice‘ Mann wenige Jahre nach der Hochzeit. Alice verklagte Richards Sohn aus erster Ehe, um ihren Witwenanteil zu bekommen.

36 Jahre nach der Hochzeit mit ihrem ersten Mann heiratete Alice ein letztes mal. Über ihren neuen Mann Sir John Le Poer ist nicht viel bekannt, doch es wird vermutet, dass auch er wohlhabend war. 1324 wurde er plötzlich schwer krank. Seine Kinder, die längst von den Gerüchten um ihre Stiefmutter gehört hatten, vermuteten, dass Alice auch bei der Krankheit Johns nachgeholfen hatte, um zu noch mehr Reichtum zu gelangen. Sie taten sich mit den Kindern der anderen toten Männer zusammen und bezichtigten Alice, ihre Männer mittels Gift und dunkler Hexerei getötet zu haben.

Die Hexe von Kilkenny

Bis zu diesem Zeitpunkt gab es in Irland keine nennenswerte Hexenverfolgung. Magische Rituale galten als geringes Vergehen und wurden nicht mit dem Tode bestraft. Doch der politische Wind begann bereits sich zu drehen. Alice Fall befeuerte diese Wende.

Johns Zustand verschlechterte sich schnell. Ihm fielen die Haare aus, er wurde immer dünner und erlag schließlich dem Tod. Zuvor überschrieb er seinen gesamten Besitz – genau wie seine Vorgänger – Alice und ihrem Sohn. Johns leibliche Kinder waren fassungslos, als sie davon hörten. Zusammen mit Alices anderen Stiefkindern klagten sie ihre Stiefmutter beim Bischof von Ossory – Richard Ledrede – an.

Ledrede berief umgehend einen Inquisitionsgerichtshof ein. Nachdem man erneut die Beweise für Alice‘ Vergehen gehört hatte, war für das Inquisitionskommando klar, dass Dame Alice die Hohepriesterin eines Hexenzirkels war, der in Kilkenny sein Unwesen trieb.

Als Alice zu Ohren kam, was hinter ihrem Rücken geschah, floh sie zu ihrem Sohn nach Dublin. Auch dort gewann sie auf unbekannte Weise die Gunst eines einflussreichen Mannes – dem König. Er hörte, dass Ledrede Alice verhaften lassen wollte und sorgte dafür, dass man die Klage drehte, sodass statt Alice Ledrede für 17 Tage in Haft kam.

Nun fühlte sich der Bischof erstrecht dazu berufen, Alice und ihren Handlangern das Handwerk zu legen. Kaum entlassen, nahm er seine Hexenjagd wieder auf. Doch zu diesem Zeitpunkt war Alice längst mit Sarah, der Tochter ihrer Magd Petronilla de Meath, nach England geflohen.

Ledrede gab keine Ruhe. Er wollte Rache. Beinahe besessen forschte er in Kilkenny nach Mitwissern von Alice‘ Machenschaften. Nach drei Inquisitionen wurde Alice schließlich mit elf ihr nahestehenden Personen als Hexe angeklagt. Darunter befanden sich unter anderem ihr Sohn, ihre Magd Petronilla und deren Tochter Sarah.

Da Alice unauffindbar schien, ergriff man die zurückgebliebenen Helfer der vermeintlichen Hexe. William bekannte sich schuldig und sorgte damit dafür, dass seine Strafe in Buße umgewandelt wurde. Er verpflichtete sich, ein Jahr jeden Tag drei Messen zu hören, den Armen Essen zu geben und das Dach der St. Canice Cathedral neu mit Blei zu verkleiden.

Die sieben Anklagen

1. Leugnung von Jesus und der Kirche

2. Opferung lebendiger Tiere an Dämonen

3. Diebstahl der Kirchenschlüssel für nächtliche Versammlungen

4. Brauen von Todestränken, bestehend aus menschlichen Knochen

5. Geschlechtsverkehr mit Dämonen

6. Mord durch Zauberei

7. Vergiftung des Sir John Le Poer

1324 beschrieben Augenzeugen Sir John Le Poer als abgemagert mit herausgerissenen Nägeln und wenig Körperbehaarung. Dies alles sind Anzeichen einer Arsenvergiftung, weshalb sich der Verdacht um Alice zunehmend erhärtete.

Nachdem ihre Magd festgenommen und ausgepeitscht wurde, beschuldigte sie ihre ehemalige Herrin unter Folter weiterer Vergehen. Nach Aussage von Petronilla soll Alice vor ihren Augen Sex mit Dämonen gehabt haben. Zudem hätte sie Alice dabei gesehen, wie sie mit einem Besen durch die Straßen Kilkennys gekehrt habe – bis vor die Tür ihres eigenen Sohnes, damit diesem aller Reichtum der Stadt gehören würde.

Schließlich wurde Petronilla de Meath als erste irische Frau am 3. November 1324 als Hexe verbrannt. Sie war die einzige der Angeklagten, die die volle Schuld tragen musste. Warum das Gericht in ihrem Fall derart hart durchgriff, ist nicht bekannt.

Alice selbst lebte mit Petronillas Tochter bis zu ihrem Tod in England unter dem Schutz von König Edward dem dritten.

Wer war Dame Alice wirklich?

Um Alice Geschichte ranken sich zahlreiche Mythen, nicht zuletzt, da ein Großteil ihres Lebens bis heute im Dunkeln liegt. Niemand weiß, woher sie kam, ehe sie mit ihren Eltern in Kilkenny aufgetaucht ist. Ebenso ist ihr Aufenthaltsort nach ihrer Flucht nach England unbekannt. Es wurde nie wieder etwas von ihr gehört.

Wie konnte sich eine einfach, wenngleich wohlhabende, Frau den Schutz der Könige sichern? War es ihre Schönheit, welcher die Männer reihenweise erlagen und die sie zu ihren Gunsten nutzte? Hatte sie ein besonders einnehmendes Wesen, sodass es ihr stets gelang, die richtigen Leute für sich zu gewinnen? War sie eine gewiefte Strippenzieherin, die vor nichts zurückschreckte? Vielleicht war es eine Mischung aus all diesen Dingen.

Oder Alice war einfach das Opfer unglücklicher Umstände. Eine Frau, die dazu verdammt war, viermal Witwe zu werden und der man ihren Reichtum nicht gönnte? Legte sie sich mit den falschen Leuten an? War der ganze Prozess um sie und ihre Freunde ein Mittel, um an ihr Geld zu kommen?

Doch vielleicht hatte Dame Alice wirklich die magischen Kräfte, die man ihr zuschrieb und nutzte sie für ihre dunklen Machenschaften. Die Wahrheit wird für immer im Nebel der Zeit für uns verloren bleiben. Aber macht dies nicht gerade den Reiz wirklich guter Geschichten aus?

Kytelers Inn

In Kilkenny finden sich noch einige Spuren der Familie Kyteler. Wie etwa die berühmte Grabplatte in der St. Canice Cathedral. Oder das beliebte Kytelers Inn. Der heimelige und eines der ältesten Pubs Irlands trägt den Namen von Kilkennys Hexe nicht zufällig. Es war jener Pub, den Alice damals eröffnet hat und mehr als erfolgreich führte. Sie beschäftigte junge schöne Frauen, die sich um das Wohl ihrer männlichen Gäste kümmerten und traf mit ihrem Stil, den Pub zu führen, den Nerv der Gesellschaft.

Heute steht in ihrem einstmaligen Pub eine Statue von ihr und nicht selten fragt ein Gast des Pubs nach ihrer Bedeutung. Dann erwacht Alice Geschichte für einen Abend erneut zum Leben und reißt die Menschen mit sich.

Ob Ihr nun an Hexen glaubt oder nicht, eines kann man Alice Kyteler nicht absprechen: sie war eine Frau, die mit allen Wassern gewaschen war.

A verse from WB Yeats Poem
Nineteen Hundred and Nineteen comes to mind.
There lurches past his great eyes without thought
Under the shadow of straw-pale locks;
Thart insolent Fiend Robert Artisson,
To whom the love-lorn Lady Kyteler brought
Bronze peacock feathers,
red combs of her cocks.

– W. B. Yeats

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Über den Autor

Jessica Jirschik

Wenn es wahr ist, dass wir schon einmal gelebt haben, dann war mein Zuhause definitiv Irland. Seit meiner Jugend zog mich ein undefinierbarer Sog auf die Grüne Insel, doch erst 2017 konnte ich meinen Traum, einer Irlandrundreise wahrmachen. Seitdem ist der Sog nur noch stärker geworden. Wenn es regnet, denke ich an Irland. Im Pub kann es für mich nur Guinness sein. Laute Musik, Geschichten und Gesseligkeit gehören für mich zum Glücklichsein. Im Herzen bin ich eine waschechte Irin.

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