Der Beginn des Mittelalters brachte der Grünen Insel mit dem Christentum nicht nur eine neue Religion, aus der sich eine eigene keltische Kirche entwickelte; sondern zudem eine neue kulturelle Ära, von der unter anderem das beeindruckende Book of Kells zeugt. Wo im frühen Mittelalter die Wikinger Einzug hielten, fielen einige Jahrhunderte später die Anglo-Normannen in Irland ein und markierten den Beginn einer andauernden Unterdrückung des Inselvolkes. So bewegt und vielseitig wie die Geschichte und die Kultur selbst, scheint auch die irische Kleidung im Mittelalter zu sein.
Obwohl die Kleider zu dieser Zeit in erster Linie einen praktischen Zweck erfüllten, spielten sie außerdem eine gesellschaftliche Rolle. Die gut betuchten Iren des Mittelalters sind heutzutage für ihre farbenfrohen Gewänder und Schmuckstücke aus Edelmetall bekannt. Wir haben herausgefunden wie die irische Kleidung des Mittelalters aussah und welche Teile in keiner altertümlichen Garderoben fehlten.
Inhaltsverzeichnis
Irische Kleidung im Mittelalter: Die Basics
Wie in unseren modernen Kleiderschränken, gab es auch damals in Irland einige Basics, die fast jeder Inselbewohner besaß. Schon zu Beginn des Mittelalters gehörten dazu die Kleidungsstücke Léine und Brat. Die Léine war eine knöchellange Hemdbluse aus einem hellen Leinenstoff, die als eine Art Unterrock direkt auf der Haut getragen und mithilfe eines Gürtels an der Hüfte befestigt wurde. Mit dem Gürtel, der nicht selten aus Pferdehaar bestand, konnten die mittelalterlichen Iren die Länge der Léine bestimmen, was besonders für körperliche Arbeit von Vorteil war.
Über dieser Baselayer legte man den Brat. Ein rechteckiges, dickes Stück Stoff, das überwiegend aus Wolle gefertigt war. Einige Mäntel, die man bei Ausgrabungen fand, bedienten sich anderen Materialien, wie zum Beispiel Kuh-, Wolf- oder Rehhaut. Je nach sozialem Rang seines Trägers hatte der Brat mehrere verschiedene Farben und Muster. Besonders beliebte Farben der irischen Elite waren Blau, Rot, Gelb und Violett. Zudem waren die Ränder mit dekorativen Kordeln oder Fransen versehen. Außerdem galt: Je länger und dicker der Brat, desto wohlhabender sein Besitzer!
Auf der Vorderseite befestigte man den Brat mit einer Brosche. Je nach dem wer den Brat trug, wurde die Brosche an einer anderen Stelle platziert. Während Männer ihren Mantel generell auf Schulterhöhe mit einer Brosche schlossen, trugen die mittelalterlichen Irinnen die Brosche auf der Brust. Zudem wurden die überwiegend ovalen Broschen ebenfalls als gesellschaftliche Statussymbole verwendet. Wer zum gemeinen Volk gehörte, trug eine einfache Brosche aus Kupfer. Wer wohlhabender war und etwas mehr Ansehen genoss, zeigte das anhand einer reichlich verzierten Brosche aus Silber oder sogar Gold. Neben diesen Broschen trug man im irischen Mittelalter zudem Armreifen und Ringe aus Edelmetallen. Je nach Status waren diese entweder einfach gearbeitet oder mit filigranen Mustern verziert.
Mittelalter Outfits der irischen Männer und Frauen
Während die Kombination aus Léine und Brat zu Beginn des Mittelalters von Männern und Frauen getragen wurde. Dauerte es nicht lange, bis sich die Outfits mehr geschlechterspezifisch entwickelten.
Demnach trugen die Frauen unter dem Brat einfache ärmellose Kleider. Diese Kleider bestanden meistens aus Wolle und waren anfangs gerade geschnitten, um die Trägerin mit möglichst viel Bewegungsfreiheit warm zu halten. Ihr Köpfe bedeckten die Irinnen zumeist mit einfachen Kappen oder Kopftüchern. Damen, die zur Elite des irischen Mittelalters gehörten entwickelten ihren eigenen Modestil, um ihre gesellschaftliche Stellung unmissverständlich auszudrücken. So trugen sie Kleider aus gefärbter Wolle mit leicht ausgestellten Röcken und V-Ausschnitten. Auch die Kopfbedeckung fiel für wohlhabende Frauen mit verschleierten und verzierten Kappen oder Haarbänder aufwendiger aus.
Männer waren fast ausschließlich in Léine und Brat gekleidet, die je nach Status neutrale oder auffällige Farben und Verzierungen hatten. Allerdings vermuten Archäologen, dass beispielsweise Reiter schon zu dieser Zeit einfache Hosen mit kürzeren Hemden trugen. Diese Hosen bestanden damals jedoch hauptsächlich aus Wolle und nicht wie später aus Tierhaut.
Egal, ob Mann, Frau oder Kind, die meisten Iren liefen zu Beginn des Mittelalters barfuß oder trugen einfache Schuhe aus Kuhhaut. Erst mit Beginn des Wikingerzeitalters in Irland wurden Schuhe zu einem festen Bestandteil der irischen Garderobe und zum modischen Statussymbol angesehener Iren.
Die Wikinger kommen: Neue Kleider aus dem Norden
Als die Wikinger die Grüne Insel ab 795 n. Chr. für sich entdeckten und sich schließlich rund um Dublin niederließen, brachten sie nicht nur Unruhe in das kleine Land; sondern auch neue kulturelle Einflüsse, die sich unter anderem auf die Kleidung der Iren auswirkten.
Durch ihre Beutezüge hatten die Wikinger Zugang zu Stoffen und Kleidungsstücken aus vielen verschiedenen Ländern. So waren es die Nordmänner, die unter anderem Seide nach Irland brachten. Außerdem kamen zu dieser Zeit auch fußlange Trägerröcke für Frauen in Mode. Diese Röcke wurden über Unterkleidern getragen und mit Broschen oder Ringen befestigt, darüber trug man einen dicken Schal oder Pullover. Darüber hinaus brachte die Invasion aus dem Norden auch Hosen aus Tierhaut mit Holzknöpfen, Mäntel aus Fell und kürzerer Hemdblusen sowie Lederschuhe mit Schnürsenkeln auf die kleine Atlantikinsel. Wer zur irischen Oberschicht gehört, gab sich nicht mit einfachen Schuhmodellen zufrieden, sondern setzte auf reichlich verzierte Lederpuschen.
Die bei Ausgrabungen gefundenen Artefakte sowie mehrere Aufzeichnungen sorgen dafür, dass man vermutet, dass die Iren den Wikingern zudem neue und aufwendig gefertigte Schmuckstücke sowie primitives Makeup zu verdanken haben.
Irische Kleidung zu Zeiten der Anglo-Normannen: Zwei Völker – Zwei Kleidungsstile
Als die Anglo-Normannen im 12. Jahrhundert nach Irland kamen, kleideten sich die Iren nach wie vor hauptsächlich in Léine und Brat sowie Kleidern, Fellen, Ponchos und Kapuzenmänteln. Die Neuankömmlinge von der Nachbarinsel ließen sich aufgrund ihrer Kleidung mit einem Blick von den Einheimischen unterscheiden.
Die Engländer trugen zu dieser Zeit entweder Hosen mit kurzen Blusen, breiten Gürteln und kurzen Mänteln, die mit Tierfell gefüttert waren. Oder sie waren in wadenlange Tuniken mit leicht ausgestellten Armen gekleidet, die man über Wollhosen trug und an der Hüfte mit einer breiten Schärpe zusammenhielt. Die Oberkleider der Frauen betonten anhand von Schnürungen entlang der Taille sowie Röcken, die mithilfe von Holzkeilen geweitet wurden die weibliche Figur. Damit war die anglonormannische Frau der Irin in Sachen Mode um einige voraus.
Nach dem sich die ersten Versuche Irland zu einem Teil des englischen Königreichs zu machen im Sand verliefen; versuchten die Engländer im 14. Jahrhundert erneut die Iren unter ihre Gewalt zu bringen. Allerdings sollte die irische Kultur dabei nicht etwa in die der Engländer integriert, sondern komplett ausgelöscht werden. Die 1366 erlassenen Statuten von Kilkenny sollten anhand verschiedener Verbote und Gesetze dafür sorgen, dass sich die beiden Völker nicht vermischen. Demnach war es Anglonormannen unter anderem untersagt, die Kleidung der Iren zu tragen. Diese Trennung konnte jedoch nicht lange durchgesetzt werden und die Kulturen sowie die Kleidungsstile der beiden Völker vermischten sich immer mehr.
Irische Kleidung im späten Mittelalter: Der irisch-englische Kleidungsstil
Obwohl die Engländer mit ihrer zunehmenden Macht immer wieder versuchten Merkmale der keltischen Kultur zu unterdrücken, sah der Alltag ganz anders aus. Die Dinge, die die Iren und Engländer ausmachten vermischten sich immer mehr.
In der Kleidung war das an vielen kleinen Merkmalen zu erkennen, welche die beiden Völker voneinander übernahmen. So trugen die Engländer, die auf der Grünen Insel lebten beispielsweise ähnliche Kapuzenmäntel beziehungsweise Ponchos, wie die Einheimischen. Dafür übernahmen die Iren besonders in der Oberschicht den Stil der Tuniken, die mit Schärpen gebunden wurden sowie die körperbetonten Oberkleider der Frauen. Allerdings waren die Iren darauf bedacht, die englischen Kleidungsstücke mit irischen Verzierungen zu versehen. So fand man bei Ausgrabungen beispielsweise Broschen und Knöpfe dieser Kleidungsstücke, die jedoch mit keltischen anstatt typischen englischen Symbolen verziert waren.
Irische Kleidung im Mittelalter ein Produkt der Geschichte
Die Kleidung der Iren im frühen Mittelalter war in erster Linie zweckmäßig; entwickelte sich durch die Einflüsse anderer Kulturen über die folgenden Jahrhunderte immer weiter. Während die Wikinger neue Möglichkeiten durch exotische Stoffe und Accessoires schufen; brachten die Engländer einen fast gänzlich neuen Kleidungsstil auf die Grüne Insel.
Demnach war die irische Kleidung im Mittelalter geprägt von der bewegten Geschichte des kleinen Inselvolkes, das sich jedoch selbst in Zeiten von Invasionen und Unterdrücken ihre eigene keltische Identität in ihrem Kleidungsstil erhielt!
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