Irische Mythologie

River Boyne – Legende der Flussfrau Boann

Boyne Valley, River Boyne Legende
Written by Monika Dockter

Um die Entstehung des Flusses Boyne im Osten der Grünen Insel, der mit dem zugehörigen Tal heute als Weltkulturerbe gilt, rankt sich eine interessante Geschichte. Es ist die Legende der Flussfrau Boann. Der Legende zufolge ist die sanfte Schönheit des Flusses und damit des gesamten malerischen Boyne-Valley allein dieser sagenhaften Gestalt zu verdanken. Hier erfahrt Ihr Näheres über die keltische Flussgöttin, ihre persönliche Geschichte und ihre Eigenschaften. Vor allem aber erzählen wir die Legende, auf welche Weise sie die Fluten des River Boyne zum Fließen brachte.

Die River Boyne Legende – Geschichte der Göttin Boann

Keltische Gottheit der Fruchtbarkeit

Boann, auch Boind oder Boínn genannt, entstammte dem Volk der Göttin der Danu, den legendären Túatha dé Danann. Ihr Vater war der Gott Delbáeth. Innerhalb der keltischen Götterfamilie steht Boann für Fruchtbarkeit, Heilung, Weisheit, Inspiration, Dichtung und Kreativität.

Ihr Name wird außerdem mit den alten gälischen Worten bo find in Zusammenhang gebracht, die mit Frau der weißen Kühe oder glänzende Kuh übersetzt werden können. Was uns heute als eine nicht allzu schmeichelhafte Bezeichnung erscheint, war in alten Zeiten ein durchaus ehrenhafter Titel, bedeuteten Kühe und Vieh im Allgemeinen doch Fruchtbarkeit, Reichtum und Macht.

Weiße Kühe galten den Kelten demnach als äußerst wertvoll, und mit deren Bedeutung der Fruchtbarkeit schließt sich der Kreis zu Boanns „Amt“ als Göttin der Fruchtbarkeit.

Ein göttliches Zuhause im Boyne Valley

In Bezug auf Boanns Ehe bietet die Legende verschiedene Versionen an, doch die meisten nennen Nechtan, den Wassergott, ihren Ehemann, und Dagda, den keltischen Sonnengott und Herrscher über die Túatha dé Danann, ihren Liebhaber.

Eines Tages wurde Boann schwanger. Doch nicht ihr Ehemann war der Vater des Kindes, sondern Dagda. Um sicherzugehen, dass das Kind ohne Einmischung durch den hintergangenen Nechtan zur Welt kommen konnte, ersann das Liebespaar eine List: Neun Monate lang ließ der Sonnengott das Himmelsgestirn, und mit ihm die Welt, gänzlich still stehen. So wurde Aengus Og, Boanns Sohn und späterer Gott der Jugend und der Liebe, an ein- und demselben Tag gezeugt und geboren.

Die Legende besagt, dass Dagda, die Göttin Boann und ihr Sohn Aengus Og in den Hügeln von Brugh na Boyne zu Hause waren, dem Palast des Boyne. Weltbekannt ist Brugh na Boinne heute jedoch vor allem aufgrund seiner steinzeitlichen Grabstätten Newgrange, Dowth und Knowth.

Boann und die Quelle der Weisheit

Als Wassergott wachte Nechtan, Boanns Ehemann, über die Quelle oder den Brunnen von Segais, einen Ort, den man auch die Quelle der Weisheit nannte. Am Ufer der Quelle beziehungsweise am Brunnenrand wuchsen neun Haselnussbüsche. Wer auch immer von den Haselnüssen aß, den segneten diese mit grenzenloser Weisheit. So geschehen bei dem einäugigen Lachs, der in der Quelle lebte, von den Nüssen gegessen hatte und fortan als der Lachs der Weisheit galt.

Der Zutritt zum Brunnen war niemand anderem gestattet als dessen Wächter Nechtan und seinen Handlangern. Außerdem hatte Nechtan verboten, den Brunnendeckel anzuheben, weil jeder Unbefugte damit die Reinheit des Wassers schädigen würde.

Boann jedoch schenkte den Geboten ihres Gatten und des Wassers wenig Beachtung. In einem unbeobachteten Moment näherte sie sich dem Brunnen. Sie hob seinen Deckel an und begann, gegen den Uhrzeigersinn im Kreis darum herumzumarschieren. Wagemutig forderte sie auf diese Weise die Macht der magischen Quelle heraus.

Lachs der Weisheit

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

Der Fluss Boyne wird geboren

Das magische Gewässer begehrte zornig gegen Boann auf. Es brauste und tobte, stieg höher und höher, bis es über den Brunnenrand hinaus quoll. Kraftvoll bahnten sich die schier unerschöpflichen Wassermassen ihren Weg zur See. Dabei rissen sie die Göttin erbarmungslos mit sich fort.

Eine Version der Legende besagt, dass Boann in den Fluten ertrank und ins Meer gespült wurde. Laut einer anderen jagte der gewaltige Wasserstrom sie vor sich her bis zur Küste. Dabei formte Boann mit ihrem eiligen Lauf über die Hügel das Flussbett. Danach verwandelte sie sich in den Lachs der Weisheit und lebte in der Quelle, bis Fionn MacCool diesen fing.

Auf die eine oder andere Weise jedenfalls opferte Boann ihr Leben, um einen Fluss zu erschaffen, der dem Tal Fruchtbarkeit und Wohlstand bescherte. Nach welchem anderen Namen sollte er wohl genannt sein als dem seiner Schöpferin?

Boanns Vermächtnis

So hinterließ die Flussfrau Boann, ein eher kleines, unbedeutendes Licht am keltischen Götterhimmel, dem irischen Volk am Ende doch ein wertvolles Erbe. Sie schenkte ihm einen wasserreichen Fluss samt einem fruchtbaren, malerischen Tal und ihren Sohn Aengus, den Gott der Jugend und der Liebe.

Zudem, so behauptet die Legende, wird jede Person, die im Monat Juni aus Boanns Fluss trinkt, zum Poeten und Seher. Und denjenigen, der am Ufer des Boyne oder auch eines anderen fließenden Gewässers sitzt, still seinem Rauschen lauscht und sich dabei von allem gedanklichen Ballast befreit, schenkt Boann Kreativität und Inspiration zur schönen Kunst der Dichtung.

Das Tal des Fluss Boyne entdecken

Von seiner Quelle bei Carbury in der Grafschaft Kildare schlängelt sich Boyne River gut einhundert Kilometer gemächlich nach Nordosten. Am Grunde von sanften Tälern passiert er die Hügel der Grafschaft Meath. Bei der Stadt Drogheda schließlich mündet er in die Irische See.

Damit ist er kein derart mächtiges, bedeutendes Gewässer wie seine Schwester, der River Shannon. Stattdessen aber dokumentiert er auf anschaulichste Weise Jahrtausende unserer Zeitgeschichte. Nicht umsonst kürte man vor etlichen Jahren das Boyne Valley zum Weltkulturerbe. Von einigen wird es sogar als das irische Äquivalent zum ägyptischen „Tal der Könige“ bezeichnet.

Tatsächlich sind die Hügelgräber von Brugh na Boinne älter als die ägyptischen Pyramiden. Der Sitz der irischen Hochkönige in Tara ist nicht minder spektakulär als die Gräber und mittelalterliche Klöster mit gut erhaltenen Hochkreuzen, Burgen und ein bedeutendes Schlachtfeld säumen die Flussufer. Nahezu jeder Meter des fruchtbaren Bodens atmet Geschichte in diesem Tal, dem Birthplace of Ireland’s Ancient East.

Vielleicht nutzt Ihr aber auch einen schönen Sommer- oder Herbsttag dazu, Euch einmal gemütlich an das Ufer eines unserer heimischen Flüsse zu setzen, dem Gemurmel des Wassers zu lauschen und dabei abzuwarten, wozu es Euch inspiriert…

Newgrange, River Boyne

Newgrange im Co. Meath, Irland
Fotograf: Brian Morrison | Creating Agency: Tourism Ireland

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Über den Autor

Monika Dockter

Als Schriftstellerin bedeutet Irland für mich Inspiration in ihrer schönsten Form. Ich finde diese Inspiration in den Worten begnadeter irischer „Storyteller“, zwischen den verschlungenen Wurzeln einer uralten Eiche und auf der Brücke über einen Bach, dessen Wasser vom Torf so braun ist wie der Ginster am Ufer gelb…
Für die gruene-Insel.de zu schreiben betrachte ich als einmalige Gelegenheit, etwas von der für mich so faszinierenden Atmosphäre dieses Landes weiterzugeben – und zwar an eingefleischte Irlandfans ebenso wie an solche, die genau das einmal werden wollen.

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