Kelten Irland / Frühgeschichte Irland

Der Heilige Kevin von Glendalough

Upper Lake, Glendalough, Wicklow
Written by Neil Saad

Die christlichen Heiligen gehören zu Irland wie die Mythen um Kobolde und Feen und das sprichwörtliche Grün der irischen Landschaft. Während der Heilige Patrick unangefochten die Hitliste irischer Heiliger anführt, rangiert in der zweiten Reihe ein anderer berühmter Geistlicher – der Heilige Kevin von Glendalough. Dessen Wirken reicht bis in die heutige Zeit. Die von St. Kevin gegründete Klostersiedlung Glendalough im County Wicklow ist bis heute ein bedeutsamer Ort. Wer in Glendalough, dem Tal der zwei Seen war, versteht, warum Kevin dort seinen Rückzugsort schuf.

Kevin im Irland des 6. Jahrhunderts

Die Existenz des Heiligen Kevin von Glendalough gilt als geschichtlich gesichert. Der historische Kevin lebte im 6. Jahrhundert in der irischen Provinz Leinster. Sein tatsächliches Geburtsdatum sowie alle weiteren historischen Hintergründe um ihn sind nebulös. Die Geschichte seines Lebens wurde, wie damals üblich, zunächst nur mündlich weitergegeben. Erste schriftliche Aufzeichnungen stammen aus dem 11. Jahrhundert. Diese Texte finden sich unter anderem im Codex Kilkenniensis sowie den Annalen von Ulster. Somit liegen fünfhundert Jahren Abstand zwischen dem Leben des Heiligen Kevin und den ersten Dokumentationen über ihn. Entsprechend sind die Geschichten und Anekdoten mit historischer Vorsicht zu genießen.

Das Irland des 6. Jahrhunderts war eine in zahlreiche Klein-Königreiche unterteilte Insel. Familien lebten in diesen zusammen, trieben Handel miteinander und führten gegeneinander Kriege um Vieh und Land. Das Christentum war circa hundertfünfzig Jahre zuvor nach Irland gekommen und hatte sich in Form der irischen Klöster etabliert. Diese galten in ganz Europa als angesehene Orte von Bildung und Geistlichkeit. Die Familie, aus der Kevin entstammte, soll eine jener führenden Sippen in der historischen Provinz Leinster gewesen sein.

Glendalough, County Wicklow, Irland, Kevin von Glendalough

Glendalough, das Tal der zwei Seen, Co. Wicklow (Irland)

Vom Edelmann zum Einsiedler

Kevin, auf Irisch Caoimhín genannt, wuchs als Angehöriger einer führenden Sippe in – für seine Zeit – besseren Verhältnissen auf. Er wird als sensibler, einfühlsamer und naturverbundener Mensch beschrieben. Ein Träumer, den aber eine tiefe, innere Unruhe antrieb. Früh ging er in das Kloster Kilnamanagh um unter den drei Geistlichen Eogan, Lochan und Enna geistlich und kulturell ausgebildet zu werden. Vermutlich wurde dieser Schritt von seinen Eltern bestimmt, denn angeblich entfloh er dem Klosterleben in die Wildnis der Wicklow Mountains. Unter Zwang musste er zu seinen Lehrern zurückgebracht werden. Nach den folgenden Jahren des Studiums wurde er schließlich zum Priester geweiht. Als seine erste Aufgabe als Priester soll er gemeinsam mit anderen Geistlichen das Kloster Cluainduach gegründet haben und dort ein charismatischer Missionar gewesen sein.

Wo die beiden Klöster lagen, in denen Kevin seine geistliche Schulung erhielt und erste missionarische Erfolge feierte, ist umstritten. Einschneidend aus dieser Phase seines Lebens waren aber sowohl seine Flucht in die Wicklow Mountains als auch das Zutagetreten seiner Fähigkeiten als Missionar. In der Folge sucht der unruhige Kevin nämlich wieder die Einsamkeit der Berge von Wicklow auf. Ob er Glendalough schon während seiner ersten Flucht aus Kilnamanagh entdeckte und sich nach einer Rückkehr dorthin sehnte oder das Tal erst später erstmals betrat, verliert sich in den Welten zwischen historischer Wahrheit und Sage. Fakt ist, dass Kevin zu Kevin von Glendalough wurde, als er sich in dem stillen Tal mit den zwei Seen als Einsiedler niederließ.

Lange blieb er nicht alleine. Weiterhin ging er seiner christlichen Mission nach und Menschen sammelten sich um ihn. In diesem ersten Gefolge liegen die Fundamente der Klostersiedlung von Glendalough, deren Ruinen heute jährlich hunderttausende Besucher anziehen.

St. Keran's Church, Glendalough, Irland

Die Klosterruinen von Glendalough heute (Foto: Neil Saad)

Auf den Spuren von St. Kevin durch Glendalough

St. Kevin’s Way

Auf welchen Pfaden Kevin nach Glendalough kam, ist nicht überliefert. Der St. Kevin’s Way, ein dreißig Kilometer langer Pilgerpfad durch die Wicklow Mountains, ist eine Möglichkeit. Wenngleich der Pfad, auch als St. Kevin’s Road bekannt, wahrscheinlich erst späteren Pilgern als Weg durch die Berge zur blühenden Klostersiedlung von Glendalough diente. Die Strecke beginnt in Hollywood, einem kleinen Dorf am Westrand des Gebirgszugs. Der Ort wird in der lokalen Folklore stark mit dem Heiligen Kevin assoziiert. Es heißt, Kevin habe hier kurze Zeit gelebt, bevor er weiter nach Glendalough zog.

St. Kevin’s Chair & St. Kevin’s Cave

Zwei Höhlen an den Hängen oberhalb von Hollywood, St. Kevin’s Cave und St. Kevin’s Bed, werden hiermit in Verbindung gebracht. Ein dominanter Stein, als St. Kevin’s Chair bekannt, thront über dem Dorf. Fakt ist, dass Hollywood seit Jahrhunderten als Startpunkt des Pilgerweges nach Glendalough dient.

St. Kevin’s Bed

In Glendalough sind am Upper Lake die Orte zu besichtigen, an denen Kevin zurückgezogen lebte. Eine Höhle an den Klippen oberhalb des Sees, gleichfalls als St. Kevin’s Bed bezeichnet, war Kevins bescheidenes Schlafgemach. Nahebei befindet sich Templenaskellig, die Ruine einer alten Kirche. Der Standort gilt als einer von Kevins ersten Wohnsitzen als Einsiedler in Glendalough. Die heutigen Ruinen sind die Überreste eines deutlich späteren Bauwerks. Unweit des Poulanass Wasserfalls befindet sich mit St. Kevin’s Cell ein Aussichtspunkt, an dem einst eine kleine Hütte stand, die Pilgern zu Zeiten des Heiligen Kevin Unterschlupf bot. Die Jahrhunderte überdauerten hiervon nur wenige, kaum mehr sichtbare Fundamentreste.

St. Kevin's Way Wicklow

Der St. Kevin’s Way startet in Hollywood im Westen von Wicklow

Legenden um St. Kevin von Glendalough

Die Botschaft eines Engels

Um den Heiligen Kevin von Glendalough ranken sich viele Legenden. Früh bahnte sich Kevins geistliches Leben an. Kevins Mutter Coemella erschien den Überlieferungen nach vor der Niederkunft ein Engel. Dieser kündigte ihr die Geburt eines Sohnes an und prophezeite dem Nachkommen eine gewichtige Rolle als Anführer von Menschen. Auch soll Kevin bereits in jungen Jahren wundersame Dinge bewirkt haben, was seine Eltern veranlasste, für ihn eine geistliche Laufbahn vorzusehen.

Das Seemonster

Die eindrucksvollsten Geschichten über Kevin entspringen der Zeit, in der er als Einsiedler in Glendalough lebte. Die Erzählung besagt, dass ein Monster Kevin beim abendlichen Gebet im Lower Lake ablenkte. Darauf hin verbannte er das Monster kurzerhand in den Upper Lake, wo er es angeblich durch die Kraft seines Glaubens zähmte. Der Lower Lake trägt noch heute den irischen Namen Loch Na Péiste. See des Monsters.

Tierliebe

Kevins Tierliebe war bekannt und der Heilige wird oft mit Tieren, vor allem mit Vögeln, dargestellt. Eine Anekdote zeigt diese Zuneigung zu den Tieren besonders. Während Kevin im Gebet versunken seine Hand ausstreckte, ließ sich ein Vogel auf der Handfläche nieder und legte dort ein Ei hinein. Kevin bewegte darauf hin die Hand nicht mehr, bis das Küken ausgeschlüpft war.

Verehrerinnen

So gut er sich mit Tieren verstand, so schwierig war sein Verhältnis zu Frauen. Kevin von Glendalough führte ein Leben im Zölibat. Es heißt, Verehrerinnen hätten sich ihm auf verschiedenen Wegen zu nähern versucht. Um der leiblichen Versuchung zu widerstehen, habe Kevin sich bei einer Gelegenheit nackt in Brennnesseln gewälzt und die Verehrerin mit Nesselzweigen zurückgetrieben. Eine andere Geschichte berichtet, eine allzu aufdringliche Frau namens Kathleen habe Kevin gar aus seiner Höhle oberhalb des Upper Lakes gestoßen. Je nach Erzählung ertrank die Frau in den Tiefen des Sees oder schwamm gedemütigt zurück an dessen Ufer.

Grab

St. Kevin starb im Jahr 618 in Glendalough. Die katholische Kirche ernannte ihn später zum Heiligen und er ist der Schutzpatron der irischen Hauptstadt Dublin. Es ist nicht bekannt, wo in Glendalough sein Grab zu finden ist. Es heißt aber, abends, wenn die Besucher Glendalough der Stille und der Einsamkeit überlassen, fliegt ein Schwarm Amseln auf und setzt sich auf ein verwittertes, unscheinbares Grab ohne Namen.

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Über den Autor

Neil Saad

Bereits seit 2009 bereiste ich Irland mehrmals im Jahr und zu jeder Jahreszeit. Im Herbst 2021 zog ich schließlich auf die Grüne Insel und lebe seit dem im Kingdom of Kerry. Besonders das Wandern in Irland hat es mir hier angetan und so erkunde ich zu Fuß die irischen Gebirge und Wanderwege. Aber auch auf klassischen Road Trips liebe ich es, das Land immer wieder neu zu entdecken. Dabei bevorzuge ich das Prinzip des Slow Travel, denn gerade in Irland ist weniger ganz oft so viel mehr. Mit der Liebe zur grünen Insel kam auch der Wunsch, über Land und Leute zu schreiben und möglichst viele Menschen daran teilhaben zu lassen.

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