Dublin Sehenswürdigkeiten

Jeanie Johnston – die Geschichte einer Heldin

Written by Jessica Jirschik

Wir befinden uns an den Docklands von Dublin North House Quay. Die Strahlen der untergehenden Sonne reflektieren sich in der Liffey, wo ein imposanter Dreimaster sacht auf den Wellen schaukelt. Die Jeanie Johnston ist ein Museum der ganz besonderen Art und zieht seit 2012 Besucher aus aller Welt an.

Betrachtet man das imposante Schiff als Außenstehender, würde man kaum darauf kommen, welch tragische Geschichte sich dahinter verbirgt. Doch dafür müssen wir etwas weiter ausholen.

Die Große Hungersnot

Irland, wir schreiben das Jahr 1845. Damals gehörte die Republik Irland noch zum Vereinigten Königreich. Der Boden war überwiegend Eigentum englischer Großgrundbesitzer. Die Iren lebten mit ihren Familien als Pächter auf dem Land. Kartoffeln bildeten das Grundnahrungsmittel, da sie billig und schnell anzubauen waren. Doch die entstandenen Monokulturen waren anfällig für Krankheiten. Im Erntejahr 1845 kam es zur Katastrophe. Die Kartoffelfäule schlug um sich und vernichtete innerhalb kürzester Zeit einen Großteil der Ernten.

Jeanie Johnston

Photo by Jessica Heiber

Nun hatten die Iren weder Nahrung noch ein Zahlungsmittel für ihre fällige Pacht. Die englischen Großgrundbesitzer zeigten keine Gnade und jagden die Familien von dem gepachteten Land. Eine lange Geschichte des Leidens begann. Viele starben schon in den ersten Wochen oder in den schlecht ausgestatteten Arbeitshäusern. Für viele war Auswandern der einzige Weg, um zu überleben.

Aber eine Überfahrt war teuer. Die billigsten Schiffe nahmen zwei Dollar für ein Ticket, was ungefähr einem Dreimonatslohn entsprach. Für die Iren war es schwer genug, ihr tägliches Überleben während der irischen Hungersnot zu sichern, von einer Überfahrt  nach Amerika ganz zu schweigen. Nicht selten legte die ganze Familie zusammen, um wenigstens einem Familienmitglied den Start in ein neues Leben ermöglichen zu können.

Viele der Auswanderer entschieden sich für die billigsten Schiffe. Aber die Bedingungen an Bord waren mehr als lebensfeindlich. Die Kapitäne waren gewinnorientiert. Sie überluden ihre Schiffe hoffnungslos mit Menschen, während sich viel zu wenig Nahrung und Trinkwasser an Bord befanden. Die hygienischen Bedingungen waren katastrophal. Meist mangelte es bereits an der medizinischen Grundversorgung. Aufgrund der Enge in den Kabinen breiteten sich Infektionskrankheiten rasend schnell aus. Mehr als die Hälfte der Passagiere, die auf einem solchen Schiff die lange Reise nach Amerika antraten, sah das Festland nie wieder. Die hohe Sterblichkeit an Bord sorgte dafür, dass die Schiffe den unschönen Namen „schwimmende Särge“ bekamen.

Was war das Besondere an der Jeanie Johnston?

Das Schiff wurde im Jahr 1847 in Quebec von dem Schotten John Munn gebaut. Die in Tralee ansässigen Kaufleute Donovan & Sons kauften es ursprünglich für Frachtladungen. Aber im Jahr 1848 unternahm es die erste sogenannte „Hungerreise“ von Tralee nach Quebec. James Attridge, der Schiffskapitän, hielt seine Passagiere am Leben, indem er auf drei Dinge achtete: ausreichend Nahrung, gute medizinische Versorgung und strenge Regeln.

So waren auf der Jeanie Johnston jegliche Art von Glücksspielen und Kämpfen untersagt. Aufgrund der erhöhten Brandgefahr, war auch das Rauchen verboten. Die medizinische Versorgung übernahm der junge Schiffsarzt Richard Blennerhessett. Auf der Jungfernfahrt des Schiffs 1848 entband er sogar einen gesunden Jungen, der mit dem Namen Nicholas Reilly in die Geschichte einging.

Jeanie Johnston

Photo by Jessica Heiber

Sage und schreibe sechzehn Reisen unternahm das Schiff von 1848 bis 1855 von Tralee nach Quebec. Dabei soll es pro Reise bis zu 254 Personen transportiert haben. Für eine Strecke brauchte die Jeanie Johnston ungefähr siebenundvierzig Tage. Wenn man all das bedenkt, grenzt es an ein Wunder, dass alle überlebten. In sieben Jahren rettete das Schiff über 2.500 Menschen das Leben.

Im Jahr 1855 wurde die Jeanie Johnston an den Engländer William Johnson verkauft. Dieser setzte es für seinen ursprünglichen Zweck als Frachtschiff ein. 1858 wurde das Schiff auf dem Weg von Hull nach Quebec mit einer Ladung Holz durchnässt und sank. Auch dieses mal überlebte die ganze Besatzung, die sich in der Takelage festklammerte bis sie von dem holländischen Schiff „Sophie Elisabeth“ neun Tage später gerettet wurde.

Das Museumsschiff

Aufgrund der außergewöhnlichen Geschichte, wollte man bereits seit den 1980er Jahren einen Nachbau der Jeanie Johnston veranlassen. Erst im Jahr 1993 wurde die Machbarkeitsstudie realisiert. 1995 gründete sich die Jeanie Johnston Company Ltd. Der ehemalie Chief Naval Architect des National Maritime Museum in Greenwich entwarf das Replik.

Unter der Aufsicht erfahrener Schiffsbauer, baute ein internationales Team aus jungen Leuten an dem Schiff. Das Replik der Jeanie Johnston ist voll kompatibel zu den modernen Standards der Passagierfahrt und ist damit hochseetauglich. Dies stellte das Schiff im Jahr 2003 unter Beweis. Es segelte von Tralee nach Kanada und in die vereinigten Staaten, wo es über 100.000 Besucher anzog.

Jeanie Johnston

Photo by Jessica Heiber

Wir sind zurück in der Gegenwart. Heute ist nicht mehr viel von dem damaligen Elend der Hungersnot zu spüren. Die Sonne scheint, die Möwen kreischen und um uns herum herrscht das fröhliche Getummel der Touristen. Sie posieren fröhlich am nahegelegenen Famine Memorial. Wahrscheinlich denken sie an eine längst vergessene Zeit, wenn sie in die ausgezehrten Gesichter der fliehenden Iren schauen.

Ihr Blick für deren Schicksal würde sich definitiv verändern, wenn sie ins Innere des Schiffes abtauchen. Dort nimmt Ray, der sympathische Tourguide, uns mit auf eine Reise in eine Zeit größter Bedrängnis. Im Inneren des Schiffes ist es dunkel und eng. Ein langer schmaler Tisch beherrscht den Großteil des Inneren. An den Seiten stehen schmale, harte Pritschen. Überall sind Puppen verteilt, in deren Anwesenheit man sich fast beschämt fühlt, wenn man mit grummelnden Magen an das bevorstehende ausladende Abendessen im Pub denkt.

Fazit

Alles in allem ist die Jeanie Johnston unbedingt einen Besuch wert. Wenn auch heute nur noch als Replik vorhanden, umgibt sie doch noch immer dieser Zauber. Mit dem Hintergrundwissen um das Elend von damals fühlt man beim Anblick des imposanten Schiffs eine herzzerreißende Melancholie und einen schimmernden Hauch der Hoffnung.

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Über den Autor

Jessica Jirschik

Wenn es wahr ist, dass wir schon einmal gelebt haben, dann war mein Zuhause definitiv Irland. Seit meiner Jugend zog mich ein undefinierbarer Sog auf die Grüne Insel, doch erst 2017 konnte ich meinen Traum, einer Irlandrundreise wahrmachen. Seitdem ist der Sog nur noch stärker geworden. Wenn es regnet, denke ich an Irland. Im Pub kann es für mich nur Guinness sein. Laute Musik, Geschichten und Gesseligkeit gehören für mich zum Glücklichsein. Im Herzen bin ich eine waschechte Irin.

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