Kelten Irland / Frühgeschichte Irland

Der Grüne Mann – eine irische Sage

Written by Monika Dockter

Der Grüne Mann ist eine mystische Figur geheimnisumwitterten Ursprungs. Als ein in grüne Blätter gehülltes, oft mit Hörnern versehenes Gesicht findet man Abbildungen von ihm in Kirchen überall in Europa. Doch was genau verbirgt sich hinter dem Grünen Mann – wer ist er und woher kam er? Ist er ein Naturgott aus keltischer Zeit und damit ein Symbol des Frühlings und der Wiedergeburt des Lebens? Oder eher ein Abbild von Vergänglichkeit und Verfall als Erinnerung an die Sterblichkeit des Menschen? Oder einfach nur ein rätselhaftes Mensch-Baum-Wesen aus der Vergangenheit? Diesen Fragen wollen wir hier auf den Grund gehen.

Der Grüne Mann als Kunstwerk

Der Grüne Mann war eines der beliebtesten Motive mittelalterlicher Kunst und findet sich in dementsprechend vielen alten Kirchen. Je nach der Region ihrer Herkunft oder ihrem persönlichen Geschmack stellten die Schnitzer und Steinmetze die Blättermaske ganz unterschiedlich dar. Mal wirkt das Gesicht finster und unheimlich, mal böse und fratzenhaft oder einfach nur bizarr-übernatürlich.

Der Ursprung des Grünen Mannes jedenfalls ist unübersehbar „heidnisch“, also aus vorchristlicher Zeit. Der Blätterschmuck erinnert an Dionysos, den griechischen Gott des Weines, der Fruchtbarkeit und des Waldes. Kathleen Basford, die die kulturelle Bedeutung der mystischen Figur erforschte, erklärt, dass der Grüne Mann als Symbol für die spirituelle Dimension der Natur diente.

Eines der sakralen Kunstwerke zeigt die Jungfrau Maria auf dem Kopf des Grünen Mannes stehend, sozusagen als Herrscherin über die mächtigen Kräfte der Natur. Das wäre eine Möglichkeit der Erklärung, wie der Grüne Mann als Naturgeist Einzug in den Kirchen gehalten hat. Eine andere ist die Annahme, dass der Grüne Mann als Bindeglied zwischen dem Heidentum und dem Christentum diente, da die Kirchengebäude ja oft genau an der Stelle der alten Heiligtümer errichtet wurden. Vielleicht aber sind die wahren Motive der Kirchenbauer auch schlicht im Nebel der Zeit verloren gegangen.

Grüner Mann mit Blättern

Bild von erge auf Pixabay

Der Grüne Mann als Naturgeist

Als solchen verehrten ihn die Kelten. Mehr als dreißig Darstellungen von ihm fand man allein im ehemaligen Gallien. Hier ist der Grüne Mann ein Gott, der in tiefen grünen Wäldern lebt und das Leben und Verhalten der Tiere kennt. Manchmal wird der Baum-Mensch dabei auch halb als Tier – mit Geweih und Hirschhufen gezeigt. Auf diese Weise steht der Grüne Mann für Wachstum und Furchtbarkeit, Wildheit, Klugheit und Schutz, die Wiedergeburt der Natur im Kreislauf des Lebens. So wurde er, im heutigen Verständnis, zu einer Art Hüter des Waldes und der Natur.

In diesem Zusammenhang ist der Grüne Mann auch heute noch in Volksbräuchen in Großbritannien zu finden. Als „Jack the Green“ ist er hier ein Maienkönig – ein mit Eichen- und Weißdornzweigen umwundener Mann, von dem nur das Gesicht zu sehen ist. Er spielt quasi sein eigenes Sterben, erwacht dann wieder zum Leben und tanzt mit der Maienkönigin – das Sterben und die Wiedergeburt der Natur im Lauf der Jahreszeiten.

Die folgende Strophe aus einem Song von Martin Graebe beschreibt die Feierlichkeit:

„Now the sun is half up and it signals the hour

When the children arrive with their garlands of flowers

So now let the music and the dancing begin

And toast the good heart of young Jack in the Green

And we’ll all dance each springtime with Jack in the Green“

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Der Grüne Mann als Robin Hood

Auch in Robin Hood, dem Helden der gleichnamigen Legende, hat der Grüne Mann die Jahrhunderte überlebt. Eine bis heute erhaltene Darstellung von Robin und seinen Gefolgsleuten zeigt sie als zwölf grüne Männer, die von verschiedenen heiligen Pflanzen wie Weißdorn und Efeu umgeben sind.

Wie der Grüne Mann ist auch Robin Hood der Herr und Meister über den Wald und seine Bewohner (in diesem Mann Robin Hoods Männer) und gemeinsam hüten sie ihre Schätze. Hier bestehen übrigens auch Parallelen zu anderen Legenden und Überlieferungen: Robins Vorratsbaum beispielsweise steht für den Baum des Lebens oder das Füllhorn. Und Robin ist die Lichtgestalt, der Erlöser für die Armen und Geknechteten und ein Rächer an deren Unterdrückern.

Robin Hood Statue

Bild von David Reed auf Pixabay

Der Grüne Ritter in der Artussage

Hier tritt der Grüne Mann als wilder Grüner Ritter auf. Im Folgenden eine kurze Zusammenfassung der Überlieferung.

Sir Gawain ist King Arthurs Neffe. Eines Abends ist er mit dem König und den anderen Rittern in der Tafelrunde versammelt, als sich ein ungebetener Gast Zutritt verschafft. Ein riesenhafter, grüner Ritter sprengt auf seinem ebenso grünen Ross mitten in die Halle. Mit spöttischem Lachen fordert er die Anwesenden dazu auf, ihren vielgerühmten Mut zu beweisen. Sie sollen ihm einen Schlag versetzen, ohne dass er selbst sich wehren darf. Die passende Waffe, eine riesige Axt, hat er zu diesem Zweck sogar selbst mitgebracht. Sollte er den Schlag überleben, so muss sein Gegner ein Jahr später wiederum gegen ihn antreten.

Sir Gawain lässt sich nicht lange bitten: Er nimmt die Axt und schlägt seinem Gegner den Kopf ab. Ganz und gar nicht tot jedoch klemmt sich der Grüne Ritter seinen Kopf unter den Arm und reitet mit den Worten „bis zum nächsten Jahr bei mir in der Grünen Kapelle“ lachend davon.

Zwölf Monate später sucht Sir Gawain vergeblich nach der Grünen Kapelle. Stattdessen kommt er zu einem Schloss, dessen Bewohner sich gerade für das Julfest vorbereiten. Der Rote Ritter als Schlossherr will Gawain den Weg zur Grünen Kapelle zeigen, doch erst nach drei Tagen gemeinsamer Jagd.

Der Grüne Ritter verschont seinen Gegner

Gawain ist einverstanden. An den drei folgenden Tagen gehen die beiden Ritter also auf die Jagd, und in jeder der drei Nächte kommt die Frau das Roten Ritters in Gawains Schlafgemach, um ihn zu verführen. Gawain aber widersteht ihren Verführungskünsten, lässt sich nur in der dritten Nacht zu einem Kuss hinreißen.

Am Morgen darauf begibt er sich zur Grünen Kapelle, die nichts anderes ist als eine grüne Erdhöhle oder ein Hügelgrab. Der Grüne Ritter kommt ihm bereits entgegen. Der Kampf beginnt, und wie vereinbart muss Gawain nun die Axtschläge des Grünen Ritters entgegen nehmen, ohne sich zu wehren.

Zum ersten Mal hebt der Grüne Ritter die Axt – Gawain zuckt vor Schreck zusammen und weicht dem Schlag aus. Die Axt hebt sich zum zweiten Mal – und obwohl Gawain diesmal weder zusammenzuckt noch ausweicht, führt der Grüne Ritter den Schlag nicht zu Ende. Zum dritten Mal holt der Grüne Ritter aus, und diesmal ritzt seine Axt Sir Gawains Hals blutig. Verwundert blickt der Geschlagene auf und erkennt anstelle des Grünen Ritters den Roten Ritter als seinen Gegner!

Der lobt Gawains Mut und erklärt ihm, weshalb er ihm nicht wie erwartet den Kopf abschlug: Es ist sein Dank dafür, dass Gawain den Verführungskünsten seiner Frau widerstanden hat. Den Kratzer am Hals aber erhielt er für den Kuss, zu dem er sich in der dritten Nacht hinreißen ließ.

Nun umarmten sich die beiden Gegner und kehrten frohen Mutes auf das Schloss zurück, um gemeinsam die zwölf Tage des Julfestes zu feiern…

Wie Ihr seht, ist das Phänomen des Grünen Mannes trotz mancher Unklarheiten durchaus eine gute Story, die Ihr gerne weitererzählen dürft, wenn Ihr bei Eurem nächsten Irland- oder Englandaufenthalt in einem Pub mit dem Namen „The Green Man“ sitzt!

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Über den Autor

Monika Dockter

Als Schriftstellerin bedeutet Irland für mich Inspiration in ihrer schönsten Form. Ich finde diese Inspiration in den Worten begnadeter irischer „Storyteller“, zwischen den verschlungenen Wurzeln einer uralten Eiche und auf der Brücke über einen Bach, dessen Wasser vom Torf so braun ist wie der Ginster am Ufer gelb…
Für die gruene-Insel.de zu schreiben betrachte ich als einmalige Gelegenheit, etwas von der für mich so faszinierenden Atmosphäre dieses Landes weiterzugeben – und zwar an eingefleischte Irlandfans ebenso wie an solche, die genau das einmal werden wollen.

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