Irische Mythologie

Diarmuid und Gráinne – Irlands romantischste Legende

Diarmuid und Gráinne
Written by Monika Dockter

Die Erzählung um die beiden Liebenden Diarmuid und Gránnie stammt aus dem südirischen Sagenkreis um Fionn mac Cumhaill, den berühmten Kämpfer, auch bekannt aus der Legende um den Giant’s Causeway und den Lachs der Weisheit. Außerdem wurde sie zum Vorbild für die künftige keltische Dichtung, die sich von diesem Stoff zu immer neuen Variationen inspirieren ließ. Auch die Legende Tristan und Isolde entstand letztendlich aus dieser keltischen Quelle des 9. bis 10. Jahrhunderts nach Christus. Und bis heute haben die Legenden nichts von ihrer Aktualität verloren: Noch immer erzählt sich die Menschheit Geschichten von Liebe und Hass, Rache und Verrat, in denen sogar über den Tod hinaus die Liebe triumphiert.

Doch damit genug der Vorrede: Hier lest Ihr die romantische Legende in einer Kurzform.

Der alte Krieger und die junge Königstochter

Fionn Mac Cumhaill, der begnadete Kämpfer und Anführer der sagenhaften Schar der Fianna, war alt geworden. Die Tage, in denen der stolze Krieger seine Männer von Schlacht zu Schlacht und von Sieg zu Sieg geführt hatte, waren vorüber. Statt auf dem Schlachtfeld verbrachte Fionn seine Tage lustlos und untätig auf seiner Burg vor dem wärmenden Feuer.

Eines Tages konnte, Oisin, sein Sohn, das Ganze nicht länger mitansehen und beschloss, seinem Vater eine neue Frau zu suchen. Denn was konnte die Lebensgeister eines alternden Helden besser erwecken als eine schöne, junge Frau?

Oisins Wahl fiel auf Gráinne, die Tochter des Hochkönigs von Tara. Die Königstochter war so jung und schön wie eine erblühende Rose im Morgentau. In der Tat erhörte König Cormac Oisins Werben und versprach, dem großen Fionn seine Tochter zur Frau zu geben. Schon in Kürze sollte Verlobung gefeiert werden.

Liebe auf den ersten Blick

Gráinne war glücklich. Ihr Bräutigam war ein Held, dessen Taten im ganzen Land bekannt waren und als seine Gattin würde sie Ruhm und Ehre mit ihm teilen.

Als jedoch das große Festmahl vorbereitet, das bräutliche Gewand fertiggestellt  und der glückliche Bräutigam mit seiner Kriegerschar auf der Königsburg eingetroffen war, erhaschte Gráinne zum ersten Mal auch einen Blick auf ihren Helden: einen Mann mit weißem Haar und Bart, älter als ihr eigener Vater. Gráinnes Herz erbebte vor Schreck. Mochte der Ruhm dieses alten Mannes auch die ganze Welt umfassen – niemals würde sie ihn heiraten! Doch ihr Vater war taub für ihr Flehen, die Vereinbarung rückgängig zu machen und ehe sie sich versah, fand die Prinzessin sich an der Festtafel ihrer Verlobung wieder.

Zu ihrer Rechten saß Fionn, der Held. Gráinnes Blick aber galt nicht ihm, sondern der Schar seiner Vertrauten weiter unten an der Tafel. Mitten unter ihnen saß ein junger Mann mit ebenmäßigem Gesicht und braunen Locken. Die Prinzessin blickte ihn an, der junge Krieger begegnete ihrem Blick – und sein Schicksal war besiegelt. Die beiden fanden großes Wohlgefallen aneinander.

Gráinnes List

Für Gráinne gab es kein Nachdenken mehr und auch kein Zaudern. Diesen Krieger würde sie zum Mann nehmen und keinen anderen! Sein Name war Diarmuid, und auch er hatte mit seinem magischen Schwert und zwei magischen Speeren schon ungezählte Feinde getötet. Und da der Eigensinn der Prinzessin ebenso ausgeprägt war wie ihre Schönheit, schmiedete sie einen listigen Plan.

Am nächsten Tag des Festes mischte sie einen Schlaftrunk in den Met der Geladenen an der Tafel, nur nicht in den ihres Auserkorenen. Sobald alle Übrigen in tiefen Schlaf gefallen waren, bat sie Diarmuid: Lass uns gemeinsam die Flucht ergreifen! Ich kann Fionn nicht heiraten, und noch viel weniger kann ich ohne dich leben! Ich liebe dich!

Diarmuid aber war ein treuer Gefolgsmann des großen Fionn. So sehr er die junge Prinzessin auch liebte, kam es für ihn nicht in Frage, Fionn zu verraten. Denn nichts anderes als ein Verrat wäre es, dem Anführer die Braut zu stehlen! Er weigerte sich, Gráinne zu folgen, sodass die Prinzessin in höchster Verzweiflung einen Bann auf ihn legte.

Diarmuid und Gráinne auf der Flucht

Tu das nicht, bat der junge Krieger, damit beschmutzt du den Namen deines Vaters, und der Verrat an Fionn wird uns unser ganzes Leben lang verfolgen. Doch Gráinne beharrte auf ihrem Bann und Diarmuid blieb nichts anderes übrig, als sich ihren Anweisungen zu fügen. Gemeinsam entflohen die beiden hinaus in die dunkle Nacht.

Als Fionn wieder erwachte, währte es nicht lange, bis er den Verrat entdeckte. Einer seiner Getreuen hatte ihm die Braut gestohlen! Sein Zorn war grenzenlos. Gemeinsam mit den Fianna nahm er die Verfolgung des untreuen Paares auf.

Die beiden Gejagten flohen über die Berge Irlands, durchschwammen Flüsse und verbargen sich in Wäldern, doch wo immer sie Zuflucht suchten, spürte Fionn sie auf. Keinen Winkel und keine Ecke, keinen Felsspalt oder hohlen Baumstamm gab es, in dem Diarmuid und Gráinne sich nicht verbargen, während der große Krieger ihnen stets auf den Fersen war. Eines Tages entkamen sie ihrem Verfolger nur durch die Hilfe von Diarmuids Vater, der sie unter seinem Mantel der Unsichtbarkeit verbarg.

Diarmuid und der wilde Eber

Jahre gingen ins Land, bis Fionns Rachedurst schlussendlich erlahmte. Er verzieh Diarmuid dessen Verrat und gab die Verfolgung auf. Ermattet zog er sich zurück auf seine Burg, um es sich erneut am warmen Feuer gemütlich zu machen. Die beiden Liebenden aber konnten sich endlich an einem Ort niederlassen und in Frieden leben. Glücklich gründeten sie ein Heim und eine Familie mit vier starken Söhnen und einer bezaubernd schönen Tochter. Und wieder gingen Jahre ins Land.

Irgendwann jedoch kam der Tag, an dem Fionn und Diarmuid einander wieder begegneten.  Die beiden Helden befanden sich auf der Jagd nach einem wilden Eber, der in der Gegend großen Schaden bei Mensch und Tier anrichtete.

Dem wagemutigen Diarmuid gelang es, den Eber zu stellen und mithilfe seines magischen Speeres tödlich zu verwunden. Zuvor aber hatte der Eber auch ihm eine tiefe Wunde zugefügt. So fanden Fionn und seine Schar den Jäger, schwer verletzt  dahingestreckt, während das Blut aus seiner Wunde quoll und im feuchten Waldboden versickerte. Fionn erbarmte sich über seinen ehemaligen Gefolgsmann und Rivalen und brachte ihn nach Hause zu seiner Frau.

Liebe über den Tod hinaus

Bitte hilf ihm, Fionn!, flehte Gráinne. Gewähre Diarmuid einen Trunk aus deinen magischen Händen und er wird wieder genesen! Seit er in seiner Jugend den Lachs der Weisheit gegessen hatte, verfügte Fionn nämlich über diese heilende Gabe.

Doch so weit reichte Fionns Erbarmen über den Verletzten nicht, der ihn einst so treulos verraten hatte.  Er verweigerte seinem Gegner den heilenden Trank, und Diarmuid starb in Gráinnes Armen. Wie Diarmuid es einst prophezeit hatte, hatte der Verrat und Gráinnes Bann Verderben über sie gebracht.

Fionn, der stolze Anführer der Fianna, hatte seine Rache also bekommen. Gráinne und Diarmuids Liebe aber währte über den Tod hinaus. Vor Kummer starb auch Gráinne bald nach ihrem Mann, und in Liebe vereint wurden die beiden begraben. Über ganz Irland verteilt findet man bis heute Dolmen – Hünengrüber – mit den Namen der beiden tragischen Liebenden. Eines davon liegt auf der Insel Inishmore.

Als Sterbeort des Helden Diarmuid vermutet man den Ben Bulben im County Sligo, und in einer seiner Höhlen sollen die beiden auch während ihrer Flucht Unterschlupf gefunden haben. Diese Höhle ist die am höchsten gelegene Höhle Irlands und bietet an klaren Tagen einen wundervollen Ausblick. Falls Ihr wollt, findet Ihr in Irland also noch heute Spuren dieser romantischsten aller irischen Legenden…

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Über den Autor

Monika Dockter

Als Schriftstellerin bedeutet Irland für mich Inspiration in ihrer schönsten Form. Ich finde diese Inspiration in den Worten begnadeter irischer „Storyteller“, zwischen den verschlungenen Wurzeln einer uralten Eiche und auf der Brücke über einen Bach, dessen Wasser vom Torf so braun ist wie der Ginster am Ufer gelb…
Für die gruene-Insel.de zu schreiben betrachte ich als einmalige Gelegenheit, etwas von der für mich so faszinierenden Atmosphäre dieses Landes weiterzugeben – und zwar an eingefleischte Irlandfans ebenso wie an solche, die genau das einmal werden wollen.

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