Denkt man an Irland und Spirituosen, kommt einem unweigerlich der irische Whiskey in den Sinn. Das gold-braune Getränk, im 19. Jahrhundert weltmarktführend, zählt zu den beliebtesten Bränden der Welt. Jedoch besitzt der Irish Whiskey einen historischen Vorgänger: Poitin. Dabei darf dieser klare Getreideschnaps getrost als der Vater des heutigen Whiskeys bezeichnet werden. Wie er entstand, seine tiefe Verbundenheit in der irischen Geschichte und wie daraus der moderne Irish Whiskey entstand, fassen wir im Artikel für Euch zusammen.
Von Aqua Vitae zu Uisce Beatha
Die Geschichte von Poitin und Whiskey beginnt in den Tiefen des Mittelalters. Einst brachten Mönche die Destillation auf die Grüne Insel. Hierbei brannten die Geistlichen aus importiertem Wein ein Destillat, welches sie mit heilenden Kräutern versetzen. Dieses kam als Medizin gegen Krankheiten und Beschwerden zum Einsatz. Daher leitet sich der einstige Name dieser Medizin ab: Aqua Vitae, das „Wasser des Lebens“. Die erste, heute bekannte Dokumentation darüber finden wir im Red Book of Ossory in Kilkenny. Sie stammt aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Schließlich verbreitete sich die Destillation auch außerhalb der Kirchen und Klöster. Die einfachen Menschen begannen mit der Destillation in ihren Heimen. Dadurch legte Aqua Vitae seinen lateinischen Kirchennamen ab und wurde zum irischen Uisce Beatha. (mehr zu Aqua Vitae findet ihr in unserem Artikel).
Uisce Beatha, ausgesprochen „Ishka Ba-ha„, ist die wörtliche Übersetzung für „Wasser des Lebens“ in die irische Sprache. Da diese im Mittelalter die Mehrheit im Alltag sprach, ist die Entstehung des neue Names nur folgerichtig. Zudem bürgerte sich durch häufigen Gebrauch eine Kurzform von Uisce Beatha ein. Der Begriff Fuisce entstand, ausgesprochen „Fush-keh„. Jedoch stand Irland schon im frühen Mittelalter unter englischer Herrschaft. Dementsprechend sprach ein Teil der Bevölkerung statt Irisch die englische Sprache. Häufig tat sich dieser Teil der Bewohner mit der irischen Sprache schwer. Somit wurde über die Zeiten das Wort Fuisce zum heutigen Whisky verfremdet.
Von Uisce Beatha zu Poitin
Zunächst bildete Wein die Basis des Destillats. Wer destillieren wollte, musste diesen importieren. Dadurch war die Herstellung teuer. Zudem kam es zu verschiedenen Zeiten zu Epidemien in Irland. Während dieser brach der Handel mit dem europäischen Kontinent ein. Importe wie der von Wein, kamen zum Erliegen. Um dennoch Aqua Vitae herzustellen, bedurfte es einer Alternative für Wein. Dabei mussten die Zutaten lokal vorhanden sein. Hierbei war Bier die Lösung. Die Zutaten für Bier – Getreide, Wasser und Hefe – standen in Irland zur Verfügung und das Brauen war eine im Mittelalter übliche Praxis. Dabei diente leichtes Bier im Alltag als eine Form von Nahrungsmittel. Dazu ging es mit einer praktischen Eigenschaft einher. Denn geerntetes Korn konnte nur eine gewisse Zeit gelagert werden. Als Bier gebraut, ließ sich diese Lagerzeit verlängern. Nunmehr verbesserte die anschließende Destillation von Bier zu Schnaps diese Lagerfähigkeit zusätzlich.
Deshalb wurde das Destillieren für viele Menschen eine lebensnotwendige Sache. Überschüssiges Korn, zu Bier gebraut und schließlich zu Uisce Beatha beziehungsweise Fuisce gebrannt, drohte nicht mehr zu verfallen. Leider gibt es keine genauen Überlieferung dazu, ab wann die Destillation auch außerhalb der Kirchen begann. Allerdings war früh bekannt, dass die erhebende Wirkung des Alkohols nicht ausschließlich heilende Kräfte besaß. Vielmehr nahm mit steigender Verbreitung von Uisce Beatha die verfügbare Menge zu und damit auch der Konsum. Deshalb diente das fertige Destillat als Handelsgut. Der Verkauf von gutem Fuisce brachte ein zusätzliches Einkommen.
Die Herstellung von Uisce Beatha
Somit verbreiteten sich Fuisce beziehungsweise Uisce Beatha im Land. Derart, dass im Laufe des Mittelalters schließlich jeder zweite Haushalt braute oder destillierte. Dabei kam hauptsächlich Gerste zum Einsatz. Allerdings war auch Hafer sehr verbreitet. Weniger wurden Roggen und Weizen verwendet. Da hauptsächlich Reste verwertet wurden, waren häufig mehrere Getreidesorten im späteren Destillat enthalten. Vor dem Brauen und dem anschließenden Destillieren fand das Mälzen statt. Hierbei verwendeten die Destillateure ein Torffeuer zum Darren des Getreides. Dadurch nahm dieses einen rauchigen Geschmack an, den es schließlich in das Destillat abgab. Somit schmeckte irisches Uisce Beatha nahezu immer rauchig.
Bei der Destillation kam eine kleine Brennapparatur bestehend aus einer kupfernen Brennblase zur Verwendung. Üblicherweise fand eine Zweifachdestillation statt. Während dieser entstanden am Ende wenige Liter Alkohol. Von der geringen Größe der Brennblase leitete sich ein neuer Name ab, den das fertige Destillat erhielt. Poitin war geboren. Das irische Wort Poitin entspringt dem Begriff Pota. Das bedeutet übersetzt „Topf“. Dagegen heißt Poitin übersetzt „Kleiner Topf“ und spielt auf die Größe der Brennblase an.
Nach der Destillation kamen weiterhin regelmäßig Pflanzen in den fertigen Brand. Diese sollten ihm ein anderes Aroma verleihen und raue Geschmackstöne überdecken. Zudem fand Uisce Beatha beziehungsweise Poitin weiterhin Anwendung als Arznei. Deshalb diente das Hinzufügen bestimmter Heilpflanzen auch weiterhin medizinischen Zwecken. Abschließend füllten die Destillateure ihren fertigen Brand in vielerlei Gefäße um diesen für den sofortigen Konsum vorzuhalten oder länger einzulagern. Hierbei kamen auch Holzfässer, wie man es heute aus der Whiskey-Herstellung kennt zum Einsatz. Allerdings waren dies keine Weinfässer oder dergleichen, sondern vor allem Lagercontainer, in denen alles mögliche lagerte. Von Werkzeugen bis zu Lebensmitteln wie Fisch.
Poitin: Eine illegale Spirituose
Mitte des 16. Jahrhunderts war die Herstellung von Poitin landläufig üblich. Dabei gab es keine Regularien oder Gesetze, die eine Herstellung einschränkten. Jedoch änderte sich dies mit der Einführung einer ersten Alkoholsteuer in 1556. Eine Lizenz war fortan nötig, um legal zu destillieren. 1661 folgte eine weitere Besteuerung der Destillation. Da wenige bereit waren, die Abgabe zu leisten, verschwand Poitin fast vollständig von der Bildfläche. Allerdings tauchte er unter der Oberfläche umgehend wieder auf. Fortan brannte die Mehrheit nämlich heimlich und somit illegal. Dazu wanderte der Herstellungsprozess in abgelegenere Regionen. Die Brennblasen versteckten die Menschen in unwegsamen Bergregionen. Das Mälzen fand unter großen Felsen statt, vor den wachsamen Augen der Steuereintreiber versteckt. Hierzu war schlechtes Wetter willkommen, da Regen und tiefe Wolken die verräterische Rauchentwicklung hemmten.
Da Poitin weiterhin ein beliebtes Handelsgut blieb und für viele ein lebensnotwendiges Einkommen darstellte, blieb die landesweite Produktionsmenge hoch. Es entwickelten sich regelrechte Kämpfe zwischen illegalen Destillateuren und Steuereintreibern. Regelmäßig wurden die Eintreiber angegriffen und teils getötet. Andererseits sahen andere Offizielle regelmäßig weg, wenn sie selbst durch die illegale Herstellung profitierten. Entweder in Form von Bestechungsgeldern – oder da sie selbst gerne guten Fuisce tranken.
Von Poitin zu Whiskey
Nachdem der Versuch, aus der massenhaften Produktion durch Steuern Einnahmen zu erzielen, faktisch scheiterte, folgte 1760 ein komplettes Verbot der Heim-Destillation. Dennoch änderte sich nichts daran, dass viele weiter illegal brannten. Aber nicht alle Destillateure blieben in der Illegalität. Spätestens mit der einsetzenden Industrialisierung im 18. Jahrhundert entstanden große Brennereien, die in völlig neuen Dimensionen produzierten. Selbstverständlich geschah dies offiziell und durch die massenhafte Herstellung, entwickelte sich die Spirituose weiter. Sogenannter Shop-Whiskey entstand, also ein Brand, der offiziell in Läden käuflich war. Zunächst glich dieser dem bekannten Poitin.
Jedoch rückte mit wachsenden Produktionsmengen die Bedeutung der Lagerung der fertigen Spirituose in den Vordergrund. Hierbei fanden, wie bereits erwähnt, Holzfässer Verwendung. Deren Nutzung wurde intensiviert, zumal leere Weinfässer in Mengen verfügbar waren. Zudem entdeckten die Menschen schnell, dass der Whiskey neue Geschmacksnoten durch die im Holz sitzenden Reste des Weines annahm. Während Poitin auch weiterhin in kleinen Mengen produziert und in handlichen Gefäßen nur kurze Zeit ruhte, entstand parallel die heute übliche Fasslagerung von Whiskey. Hierin unterscheiden sich die beiden Spirituosen, trotz aller sonstigen Gemeinsamkeiten, bis heute essentiell. Am augenscheinlichsten ist dies anhand der Farbe erkennbar. Während der gold-braune Whiskey Farbe aus dem Holz annimmt, ist Poitin ein klarer Brand.
Poitin heute
Seit 1997 ist es offiziell wieder legal, Poitin herzustellen. Dennoch führt er im Rücken von irischem Whiskey ein Schattendasein. Vor allem, da im 20. Jahrhundert die illegale Destillation rapide zurück ging. Mit sich verändernden Lebensbedingungen und steigendem Wohlstand war es nicht mehr nötig, das Risiko des Steuerbetrugs einzugehen. Dafür existieren jüngst Bestrebungen von jungen Destillateuren, der irischsten aller Spirituosen, ein neues Image zu geben. Sie produzieren in kleinen Mengen Poitin nach alten Rezepturen oder experimentieren mit den Zutaten. Mittlerweile existiert ein Regelwerk, welches die Herstellung reglementiert. Vorrangig dient diese dazu, eine Abgrenzung zum Whiskey zu schaffen und somit beide Spirituosen als eigenständige Kategorien zu erhalten. Obwohl beide historisch betrachtet wie Vater und Sohn zueinander stehen.
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