Irland und England, zwei benachbarte Inseln, zwei Länder, zwei Völker, die in ihrer Geschichte untrennbar miteinander verbunden sind. Die Entwicklung der Grünen Insel und ihrer Bewohner wurde bereits seit dem 12. Jahrhundert von den Machenschaften der englischen Krone beeinflusst. Wo sich zu Beginn ein Ire lediglich mit der Hilfe der Anglo-Normannen in Irland seinen Platz zurückerobern wollte, folgten Unterdrückung, Rebellionen und ein andauernder Kampf der Iren, ihr Land und ihre Kultur zu befreien. Etwas, das die Weichen dieser Geschichte bereits im 14. Jahrhundert in eine schicksalhafte Richtung stellte, waren die Kilkenny Statuten. Gesetze, die im Versuch Irland zu kolonialisieren eine klare Grenze zwischen den Iren und Engländern schaffen sollten.
Das Leben vor den Kilkenny Statuten: Irland im 14. Jahrhundert
Nach der Invasion der Anglo-Normannen unter der Führung des englischen Königs Henry II. wurde es auf der Grünen Insel weitestgehend wieder etwas ruhiger. Die englischen Siedler hatten sich zu dieser Zeit im Osten der Insel rund um Dublin niedergelassen. Ein Gebiet, das als „The Pale“ bezeichnet wurde. Der Begriff leitete sich von den Pfählen ab, mit denen die Anglo-Normannen ihre Ländereien, von denen der Iren abgrenzten.
Obwohl die englische Krone plante, Irland unter ihre Gewalt zu bringen und die Engländer mit ihrer „überlegenen“ Kultur dabei stets von den in ihren Augen „wilden“ Iren zu trennen; tauchten die englischen Siedler immer mehr in die irische Lebensweise ein. Innerhalb sowie außerhalb des Pale-Gebietes lebten Iren und Engländer Seite an Seite. Sie heirateten einander, arbeiteten gemeinsam und handelten Güter sowie Ländereien untereinander.
In der Mitte des 14. Jahrhunderts hatten sich die normannisch-stämmigen Bewohner der Grünen Insel bereits so in die irische Kultur eingelebt, dass man sie als irischer, als die Iren selbst bezeichnete. Während immer mehr Engländer die irische Sprache in ihren Alltag integrierten, sich traditionell irisch kleideten und nach den irischen kulturellen Bräuchen lebten; gerieten die englischen Gesetze, die Religion, Sprache und nicht zuletzt die englische Krone selbst immer mehr in Vergessenheit.
Englands Versuch einer Trennung
Mitte des 14. Jahrhunderts wurde der amtierenden englischen König Edward III. auf diese Entwicklung aufmerksam, die ihm sehr missfiel. Immerhin hatte Edward, wie schon seine Vorgänger das Ziel, das „wilde Irland“ endgültig unter die Herrschaft der englischen Krone zu bringen.
Kurzerhand ernannte er seinen drittältesten Sohn Lionel of Antwerp zu seinem Stellvertreter in Irland. Durch seine Heirat mit der anglo-irischen Adligen Elizabeth de Burgh, hatte Lionel bereits den Titel Earl of Ulster und schien somit für die Rolle des englischen Statthalters auf der Grünen Insel perfekt zu sein.
Am 15. September 1360 kam Lionel gemeinsam mit seiner Frau, der gemeinsamen Tochter und einer bis zu 1.000 Mann starken Mannschaft, die aus Soldaten, Steinmetzen und Zimmermännern bestand, in Dublin an. Nachdem er Dublin Castle bezogen hatte, marschierte er mit einer kleinen Truppe in Richtung Süden. Dort besiegte er die dort ansässigen Inselbewohner, erweiterte das Herrschaftsgebiet der Engländer und sandte ein deutliches Zeichen an die Iren im Rest des Landes.
Sein Ziel Irland zu einem Teil Englands zu machen, war jedoch kein leichtes Unterfangen. Weder die Iren selbst, noch die ansässigen Siedler waren dazu bereit, englische Gesetze und Brauchtümer anzuerkennen. Es folgen mehrere Jahre, die von Auseinandersetzungen zwischen den beiden Völkern geprägt waren.
Nach dem Tod seiner Frau im Dezember 1363 und einem darauffolgenden acht Monate langem Aufenthalt in England, kehrte Lionel auf die Grüne Insel zurück. Diesmal war er entschlossener als je zuvor, die „wilden“ Iren unter seine Gewalt zu bringen.
Die Statuten von Kilkenny
Um sein Ziel zu verwirklichen verfasste Lionel 1366 eine Reihe neuer Gesetze, welche die englische Kultur in Irland wahren und die Macht der Engländer stärken sollten. In einer von ihm einberufenen Parlamentssitzung in der irischen Stadt Kilkenny wurden diese Gesetze als die Kilkenny Statuten von den Parlamentsmitgliedern angenommen. Wenige Monate später traten die Statuten am 19. April 1367 offiziell in Kraft.
Die insgesamt 35 Statuten sollten eine klare Trennung zwischen den Engländern und den Iren schaffen und damit einem Mischvolk aus beiden Inselkulturen entgegenwirken. Unter anderem waren in den Statuten von Kilkenny die folgenden Dinge für in Irland lebende Anglo-Normannen verboten:
- Ehen mit Personen irischer Abstammung
- Die Vergabe irischer Namen
- Das Verwenden der irischen Sprache
- Die Adoption irischer Kinder
- Das Tragen irischer Kleidung
- Das Spielen von irischer Musik
- Die Beschäftigung irischer Storyteller oder Musikanten
- Die Teilnahme irischer Bürger an englischen Gottesdienstes
- Die Ausübung irischer Sportarten
- Das Handeln von Gütern oder Ländereien mit irischen Bürgern
Die Statuten sahen die Iren als Menschen zweiter Klasse an und schlossen sie vom öffentlichen Leben der in Irland lebenden Engländern aus. Diese klare Trennung der beiden Kulturen sollte schließlich zur vollkommenen Ausrottung der irischen Lebensweise führen, sodass Irland in jeglicher Hinsicht ein Teil des Königreichs werden würde.
Wer gegen die neuen Gesetze verstieß, machte sich des Hochverrats an der englischen Krone schuldig. Eine Tat, die mit dem Tod bestraft wurde!
Statuten von Kilkenny: Der Beginn einer Spaltung
Die Statuten von Kilkenny brachten zunächst Hoffnung für den englischen König und Lionel selbst, der sich sicher war, dass diese 35 neuen Gesetze, die englische Herrschaft und Kultur ein für alle mal auf der Grünen Insel etablieren würde.
Die Realität sah jedoch anders aus. Die militärischen Reserven Englands für die Eroberung Irlands waren aufgrund der politischen Situation in Frankreich erschöpft. Somit fehlten Lionel die Männer, um die Statuten in ihrem vollen Rahmen durchzusetzen und Verstöße dagegen zu ahnden. Der Sohn des Königs erkannte seine Niederlage und kehrte noch im selben Jahr nach England zurück.
Obwohl die Statuten von Kilkenny nie wirklich durchgesetzt werden konnten, ebneten sie den Weg für darauf aufbauende Gesetze mit ähnlichem Inhalt, wie beispielsweise den Penal Laws. Somit markieren die von Lionel of Antwerp entworfenen Gesetze den Beginn der systematischen Diskriminierung der Iren sowie ihrer Kultur, ihrem Glauben und ihrer Sprache.
Eine Spaltung, die sich in den darauffolgenden Jahrhunderten ausweitete und einer der Hauptgründe für die immer wieder aufkeimenden Freiheitsbewegung der Inselbewohner war. Dass es jedoch noch über 500 Jahre dauern würde, bis die Iren in einem Großteil ihres Landes wieder frei und unabhängig leben könnten, ahnte zu den Zeiten der Statuten von Kilkenny sicherlich niemand!
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