Irland im Mittelalter

Anglo-Normannen in Irland: Schicksalhafte Invasion

Anglo-Normannen in Irland
Written by Nadja Uebach

Die Grüne Insel, so wie wir sie heute kennen, ist das Produkt einer Jahrhunderte langen unruhigen Geschichte. Ein Wechselspiel zwischen der Eigenherrschaft des irischen Volkes und der Gewalt der englischen Krone. Der Kampf um die Unabhängigkeit Irlands spielte dabei stets eine zentrale Rolle. Unabhängigkeit von den Engländern, deren Fremdregierung der kleinen Atlantikinsel ihren Ursprung in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit der Invasion der Anglo-Normannen in Irland hat.

Die bewegende irisch-englische Vergangenheit begann ausgerechnet mit einem im Exil lebenden Iren, dessen größter Wunsch eine Rückkehr auf die Insel war. Wie sich dieser Wunsch zur berühmt berüchtigten Invasion der Anglo-Normannen entwickelte, die den Weg zur andauernden Fremdherrschaft durch die englische Krone ebnete; erfahrt Ihr jetzt.

Irland im 12. Jahrhundert

Ein vereintes Land entsprach bereits vor dem Eintreffen der Anglo-Normannen in Irland nicht der Realität. Im Gegenteil, die Grüne Insel bestand hauptsächlich aus unzähligen kleinen Ländereien, die jeweils von einem Clan regiert wurden. Anstatt sich gegenseitig zu unterstützen und ihre Mächte zu verbünden, befanden sich viele der Stämme im Streit.

Der Versuch, die Macht eines irischen Hochkönigs geltend zu machen; den alle Clans als Oberhaupt akzeptierten, scheiterte vergeblich. Erst als sich der Hochkönig Ruaidhrí Ua Conchobair gemeinsam mit einem seiner Unterkönige gegen Diarmait Mac Murchadha, dem König von Leinster verbündete; diesen besiegte und ins Exil schickte, akzeptierte man ihn als Hochkönig.

Ruaidhrí erhielt Geiseln aus fast allen Regierungsbezirken der Grünen Insel. Eine Geisel, war damals eine Bekundung der Treue und Akzeptanz von Ruaidhrí als Hochkönig Irlands. Selbst Ascall mac Ragnall, der letzte von den Wikingern abstammende Herrscher in Dublin, unterwarf sich dem Hochkönig. Doch Ruaidhrís neuer Frieden als der König der Könige sollte nicht von Dauer sein.

Anglo-Normannen in Irland: Die Hintergründe

Obwohl der aus England stammende Papst Hadrian VI. dem englischen König Henry II. bereits im Jahr 1155 die ausdrückliche Erlaubnis erteilte, in Irland einzufallen und dort wenn nötig mit Gewalt dafür zu sorgen, dass der barbarische Glaube reformiert wird; war Henry zu sehr mit anderen Staatsangelegenheit beschäftig, als sich um die kleine Nachbarinsel zu kümmern.

Erst als der Exil-Ire Diarmait Mac Murchadha am englischen Hof nach Unterstützung fragte, um sein irisches Königreich zurückzuerobern, wurde die Grüne Insel für England wieder relevant. Mit Henrys Zustimmung bat Diarmait bei zahlreichen englischen Edelmännern um Beihilfe. Er gewann die Unterstützung mehrerer Barone und Grafen. Unter anderem gewann er Richard Fitzgilbert de Clare, der besser unter dem Namen Richard Strongbow bekannt war, für sich. Als Gegenleistung für seine Hilfe versprach Diarmait Richard die Hand seiner Tochter Aoife und das Erbe seiner Ländereien. Zwei weitere Unterstützer sollten als Belohnung die Stadt Wexford und Umgebung erhalten.

Mit dieser gesicherten Unterstützung kehrte Diarmait zunächst nach allein Irland zurück, wo er auf den Unmut Ruaidhrís stieß. Diesen beschwichtigte er jedoch, in dem er dem Hochkönig mehrere Geiseln und Gold als Zeichen seiner Anerkennung überließ.

Strongbow

Strongbow heiratet Aoife; Daniel Maclise [Public domain]

Anglo-Normannen in Irland: Die Invasion am 1. Mai 1169

Die Iren unter Ruaidhrí waren demnach komplett unvorbereitet auf den ersten Teil der Anglonormannischen Invasion, der sich am 1. Mai 1169 in Wexford ereignete. Gemeinsam mit 40 Rittern, 60 Soldaten und rund 360 Bogenschützen landeten zwei der englischen Unterstützer Diarmaits in Bannow Bay an der südirischen Küste. Dort wurden sie von Diarmait und 500 weiteren Männern erwartet.

Nach nur zwei Tagen Belagerung nahm die Streitmacht die Stadt Wexford ein und machte sich von dort auf in Richtung Norden, um weitere Teile der Provinz Leinster zu erobern. Die dortig ansässigen Stämme weigerten sich jedoch Diarmait als den neuen Herrscher anzuerkennen und sandten Wort zu ihrem Hochkönig Ruaridhí. Dieser marschierte Diarmait mit einer großen Armee entgegen.

Bevor es jedoch zu einem Kampf kommen konnte, einigten sich die beiden Männer darauf, dass Diarmait sein Königreich in Leinster zurückerhält. Dafür musste er sich jedoch bereit erklären Ruaridhí endgültig als den Hochkönig Irlands anzuerkennen. Um seine angebliche Loyalität zu beweisen übergab Diarmait weitere Geiseln und einen seiner Söhne an Ruaridhí. Doch auch diesmal sollte der Friede nur von kurzer Dauer sein.

Wexford Hafen

©Failte Ireland, Fotograf: Patrick Browne

Die Macht der Normannen wächst

Schon im darauffolgenden Jahr hatte Strongbow als der letzte Unterstützer Diarmaits eine über 1.000 Mann starke Truppe rekrutiert; und war auf dem Weg nach Irland. Gemeinsam mit einer kleineren Armee unter der Führung eines weiteren englischen Barons fiel Strongbow zunächst in Waterford ein. Hier kam es zu einem tagelangen brutalen Kampf, bevor die Stadt schließlich in die Hand der Anglo-Normannen fiel.

Diarmait, der von Strongbows geplanter Ankunft in Waterford wusste, brach mit seinen Männern in die südirische Stadt auf. Bevor sich die Truppen zusammenschlossen und in Richtung Dublin zogen, heiratete Diarmaits Tochter Aoife, wie versprochen, den englischen Grafen.

Sobald die vereinten Truppen in Dublin ankamen, begann Diarmait das dortige Oberhaupt Ascall mac Ragnall in Verhandlungen zu verstricken. Die anderen Kommandanten nutzten diese Ablenkung um einen hinterhältigen Angriff auf die Stadt zu planen; der schon nach kurzer Zeit in der Flucht von Ascall und seinen Männern endete. Von der heutigen Hauptstadt aus gelang es Diarmait und Strongbow weitere Teile der heutigen Grafschaft Meath unter ihre Kontrolle zu bringen. Im Rahmen dieser Kriegszüge wurden die Abteien in Kells und Clonard zerstört.

Da Diarmait erneut gegen die Abmachung mit dem Hochkönig verstoßen hatte. Ließ Ruaridhí Diarmaits Sohn und zwei weitere seiner Geiseln hinrichten ohne damit jedoch die gewünschte Reaktion von Diarmaits Truppen zu erzeugen. Wenige Monate später zog sich Diarmait mit seinen Männern zurück und verstarb im Jahr 1171 plötzlich an einer mysteriösen Krankheit. Nach kurzweiligen Erbstreitigkeiten trat Strongbow als Diarmaits Schwiegersohn seine Nachfolge an.

Anglo-Normannen in Irland: Die englische Krone auf der Grünen Insel

Strongbow versuchte nicht nur weiterhin sein Herrschaftsgebiet auszudehnen, sondern kämpfte mittlerweile auch gegen Diarmaits Bruder, der Strongbow nicht als den neuen König von Leinster anerkennen wollte.

König Henry II. gefiel es nicht, dass sich Strongbow in Irland ein eigenes Reich aufbauen wollte und orderte den Grafen zurück nach England. Nach einer Reihe von Verhandlungen, entschloss sich Henry dazu Strongbow seine Ländereien in Irland zuzugestehen.

Allerdings wollte der englische König die gesamte Grüne Insel zu einem Teil seines Königreichs machen. Dazu fiel er wenige Monate später mit einer gewaltigen Armee von über 4.000 Männern in Waterford ein. Der 17. Oktober 1171 ging als der Tag in die Geschichte ein, an dem ein englischer König zum ersten Mal irischen Boden betrat. Der Beginn einer Jahrhunderte langen bewegenden Geschichte zwischen der englischen Krone und dem irischen Volk!

Henry gelang es die Macht der Anglo-Normannen in Irland besonders in den bereits eingenommenen Gebieten zu stärken. Er erklärte Dublin, Waterford und Wexford als ein Teil des englischen Königreichs. Viele Iren und deren Stammesoberhaupte hießen den König willkommen und akzeptierten ihn als ihren neuen Herrscher. Die bisherigen irischen Anführer erhofften sich durch die Ankunft des Königs mehr Macht und Fortschritt für ihr Land und ihre Leute. Auch die katholische Kirche befürwortete das königliche Eingreifen auf der Grünen Insel. Berichten zufolge erhielten viele irische Bischöfe eine päpstliche Aufforderung, dem englischen König die Treue zu schwören. Die meisten von ihnen leisteten dieser Aufforderung folge.

Der Vertrag von Windsor

Nur zwei Jahre nachdem Henry die Grüne Insel verließ und nach England zurückkehrte, begannen die Iren sich gegen die Anglo-Normannen aufzulehnen. Diarmaits Sohn Domhnall marschierte gegen die Truppen von Strongbow und konnte dabei zunächst Erfolge verzeichnen. Doch Strongbows Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Er zog 1174 mit seinen Männern und der Absicht sein Territorium zu vergrößern nach Limerick. Auf dem Weg dorthin, wurde er jedoch von dem in Munster ansässigen Heer von Domnall Ua Briain im blutigen Battle of Thurles aufgehalten. Mit Verlusten von mehreren Tausend Männern hatte Strongbow keine andere Wahl als sich zurückzuziehen.

Während die Iren im Westen Erfolge feierten, mussten die irischen Truppen rund um Dublin mit mehreren Verlusten kämpfen. Ohne einen klaren Sieger führten diese andauernden Unruhen schließlich dazu, dass sich König Henry II. gemeinsam mit Hochkönig Ruaridhí auf den sogenannten Vertrag von Windsor einigten. Diese Abmachung sah vor, dass Henry über die von Anglo-Normannen besetzten Gebiete herrschte und Ruaridhí der Hochkönig des restlichen Irlands ist. Ruaridhí erklärte sich jedoch damit einverstanden Henry als seinen Befehlshaber anzuerkennen und Steuern an ihn zu zahlen.

Da jedoch sowohl Henry als auch Ruaridhí unfähig waren ihre Barone und Stämme zu kontrollieren, war es nur eine Frage der Zeit, bis diese Abmachung in Form von anglonormannischen Truppen, die in irisches Gebiet marschierten gebrochen wurde.

Anglo-Normannen in Irland: Die ersten Engländer auf der Grünen Insel

Nachdem der Vertrag von Windsor hinfällig war, hatte König Henry II. die Absicht die gesamte Insel unter seine Kontrolle bringen. Sein Sohn Lord John sollte, sobald er volljährig war, zum König von Irland gekrönt werden. In der Tat gelang es der englischen Krone, das Land in vielerlei Hinsicht zu reformieren. So brachten die Engländer nicht nur ein erstes Steuer- und Rechtssystem nach Irland, sondern sind zudem für den Bau zahlreicher Kirchen, die Strukturierung von Städten sowie einer ersten Unterteilung der Insel in Grafschaften verantwortlich.

Für eine komplette Herrschaft Englands über Irland, lagen die anglonormannischen Stützpunkte jedoch zu weit auf der Insel verteilt. Mehrere Versuche die Gebiete zu erweitern und das Land unter der englischen Krone zu vereinen, wurden immer wieder von den irischen Stämmen zerschlagen. Das führte dazu, dass der Einfluss der Engländer kontinuierlich abnahm. Erst mehrere Jahrhunderte später sah die gemeinsame Geschichte von Irland und England mit den Statuten von Kilkenny und später unter der Herrschaft von Henry VIII. eine schicksalhafte Fortsetzung, die bis heute ihre Spuren auf der Atlantikinsel hinterlassen hat. Spuren, die ohne diese frühe Invasion der Anglo-Normannen in Irland vielleicht nie entstanden wären.

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Über den Autor

Nadja Uebach

Da ich seit 2008 auf der grünen Insel lebe, bedeutet Irland für mich in erster Linie Alltag. Wenn ich nicht mit meinem Laptop bewaffnet in einem Café oder Zuhause sitze und schreibe, findet man mich höchstwahrscheinlich mit meinen drei Kindern am Strand. Die Natur, die Kultur und insbesondere die Menschen sorgen dafür, dass sich in unseren Alltag immer wieder ein bisschen Magie einschleicht. Diese besondere irische Alltagsmagie versuche ich in meinen Texten in Worte zu fassen.

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