Irische Mythologie

Die letzte Schlange Irlands und St. Murrough

die letzte schlange irlands
Written by Monika Dockter

„St. Murrough? Nie gehört. War es der Legende nach nicht St. Patrick, der die letzte Schlange Irlands für immer von der Insel vertrieb?“ Wenn das Euer erster Gedanke war, seid Ihr mit Sicherheit nur einer unter vielen Irlandfans (und befinden sich u.a. auch in meiner Gesellschaft). Während die Geschichten und Legenden um St. Patrick allseits bekannt sind, findet man nur selten einen Hinweis auf einen Mann namens Murrough O’Heany. Dieser war nicht nur ein großer christlicher Heiliger, sondern er nahm obendrein den Kampf mit der wirklich allerletzten Schlange Irlands auf. Also begebt Euch mit mir nach Nordirland an den Schauplatz des Geschehens …

Die letzte Schlange Irlands

Im Nordwesten der Grünen Insel liegt das County (London)Derry. Sanfte, malerische Ebenen und Flusstäler wechseln sich hier ab mit schroffen, imposanten Bergen und Hochland. Eine Bergkette, die Sperrin Mountains, trennt  das County in einen nördlichen und einen südlichen Teil und bildet so etwas wie einen wehrhaften Wall um das bildschöne Tal des River Foyle.

Auch der Owenreagh River entspringt an den Hängen der Sperrin Mountains. Auf seinem Weg nach Nordosten hat er ein tiefes, waldiges Tal durch die Berge gegraben. Das Tal ist reich an Wild, und an einem Sommertag wird seine friedliche Stille nur durch das weidende Vieh und die schrillen Schreie der Bussarde gestört. Aber so friedlich war es nicht immer!

In einem Teich am waldigen Ufer des Owenreagh River nämlich lebte Lig na Paiste, die Schlange. Als St. Patrick mit seiner Trommel einst sämtliche Schlangen Irlands verbannte, verbarg sie sich unter einem Felsen am Grund des Sees, und St. Patrick konnte ihr nichts anhaben. Das unablässige Dröhnen seiner Trommel, das alle übrigen Schlangen Irlands für immer in die offene See trieb, drang schlicht nicht bis an ihr Ohr. So lauerte sie geduldig dort unten und wartete ab, bis ihre Zeit kam.

Die letzte Schlange Irlands treibt ihr Unwesen

Jahre vergingen, doch endlich starb St. Patrick, und die Schlange ergriff die Gelegenheit: Als Lig na Paiste, die „letzte aller Schlangen“, erhob sie sich aus ihrem Tümpel und begann ihr Werk der Verwüstung. Denn in der Tat war Lig na Paiste weit mehr als nur eine gewöhnliche Schlange: sie war ein Drache, der Feuer spie! Mit Vergnügen plünderte Lig na Paiste die Ernten der Menschenkinder, verwüstete ihre Häuser und genoß es, sie zu Tode zu ängstigen!

In ihrer Not wandten die Menschen sich an St. Murrough O’Heany, den heiligen Mann in seiner Kirche mitten im Tal. St. Murrough nahm ihre Bitte um Hilfe verständnisvoll auf. Er fastete und betete neun Tage lang, dass Gott ihm die Kraft geben möge, Lig na Paiste zu bezwingen. Und tatsächlich empfing er am zehnten Tag eine göttliche Botschaft, auf welche Weise die Schlange zu fangen sei. Er nahm drei Bänder aus grünen Schilfruten und begab sich damit zum Schlupfwinkel des Ungeheuers.

Schon von weitem sah Lig na Paiste den Heiligen kommen. „Ha!“, sprach die Schlange zu sich selbst, „wie überaus interessant! Nun habe ich die Menschenkinder also dazu gebracht, ein Opfer zu meiner Besänftigung bringen!“

St. Murrough überlistet die letzte Schlange Irlands

Auch St. Murrough erblickte die Schlange bereits von weitem. Gottes Kraft war mit ihm, das wusste er, und dennoch schlug sein Herz vor Furcht fast so laut wie einst St. Patricks Trommel. Mit jedem Schritt, den er auf die Schlange zu tat, wurde ihr Leib länger und ihr Kopf mächtiger, und in ihrem geöffneten Schlangenmaul glaubte er schon die ersten Funken zu sehen! Aber wie es einem Heiligen geziemt, bezwang St. Murrough seine Furcht und bat mit bebender Stimme: „In Gottes Namen, Lig na Paiste, erlaube mir, dir diese Schilfbänder umzulegen!“

„Weshalb nicht?“, antwortete Lig na Paiste amüsiert. Wenn ein solches Ritual für die Menschen zu ihrem Opfer gehörte, wie es der Fall zu sein schien, wollte sie ihnen diesen Gefallen nicht verweigern! Bereitwillig schlängelte sie sich aus dem Wasser und ließ es geschehen, dass der zitternde kleine Mann ihr die Schilfbänder um den Leib legte, ehe sie ihn genüßlich verschlingen würde.

Sobald jedoch die Bänder den Körper der Schlange berührten, schlug St. Murrough das Kreuzzeichen und flehte zu Gott, die Schilfbänder in Stahl zu verwandeln. Und Gott erhörte ihn auf der Stelle: ehe Lig na Paiste wusste, wie ihr geschah, steckte sie in einem eisernen Käfig. So sehr die Schlange sich auch wand und zappelte und kämpfte – sie konnte sich nicht mehr daraus befreien.

Die letzte Schlange Irlands in ewiger Verbannung

Erschöpft gab Lig na Paiste endlich auf und verlegte sich aufs Bitten. „Habt Erbarmen mit mir, guter heiliger Mann!“, flehte sie, „und schenkt mir meine Freiheit zurück!“

Aber St. Murrough O’Heany blieb standhaft. „Schweig still, Lig na Paiste. Du hast gesündigt gegen Gott und gegen die Menschen und verdienst kein Erbarmen! Ich verbanne dich in die tiefsten Tiefen des Lough Foyle. Auf alle Zeiten wirst du dort unten gefangen sein in deinem eisernen Käfig!“

Und genau so geschah es.  Von dieser Stunde an war das Tal und mit ihm ganz Irland frei von Lig na Paiste, der letzten aller Schlangen. Ihre Schreckensherrschaft war beendet. Nur in den Tiefen des Lough Foyle hoch droben im Norden windet und krümmt sich das Ungeheuer in dem vergeblichen Versuch, sich aus seinem eisernen Käfig zu befreien – und zwar bis heute. Woher sonst sollten die ungewöhnlichen Strömungen des Lough Foyle stammen? Weshalb sonst sollten manchmal ganz ohne ersichtliche Ursache riesige Wogen dessen Wasser aufwühlen?

Ihr möchtet Euch am Lough Foyle mit eigenen Augen von Lig na Paistes ewigem Unterwasserkampf überzeugen?

Oder in Nordirland die Banagher Old Church besuchen, wo Irlands endgültiger Schlangenbezwinger seine letzte Ruhe gefunden hat?

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Über den Autor

Monika Dockter

Als Schriftstellerin bedeutet Irland für mich Inspiration in ihrer schönsten Form. Ich finde diese Inspiration in den Worten begnadeter irischer „Storyteller“, zwischen den verschlungenen Wurzeln einer uralten Eiche und auf der Brücke über einen Bach, dessen Wasser vom Torf so braun ist wie der Ginster am Ufer gelb…
Für die gruene-Insel.de zu schreiben betrachte ich als einmalige Gelegenheit, etwas von der für mich so faszinierenden Atmosphäre dieses Landes weiterzugeben – und zwar an eingefleischte Irlandfans ebenso wie an solche, die genau das einmal werden wollen.

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