Der Hill of Uisneach schmiegt sich sanft an die umliegenden Hügelkuppen und sieht von Weitem aus wie jeder andere grüne Hügel Irlands. Doch sobald man das Auto abgestellt hat und dem Schotterpfad über die Felder folgt, spürt man, dass dieser Ort etwas Besonderes ist. Der Blick schweift in die Ferne, über die Täler, aus denen langsam der Nebel steigt. Die goldenen Strahlen der Morgensonne wärmen das Gesicht und es ist, als würde man einen Blick auf längst vergessene Tage erhaschen. In jedem Schritt und jedem Windhauch hallt das Echo der Vergangenheit mit – der Menschen, die bereits vor mehreren Tausend Jahren hier zusammenkamen und sich von der Magie dieses Ortes verzaubern ließen.
Was den Hill of Uisneach so besonders macht und welche Geschichte sich hinter dem unscheinbaren Hügel verbirgt, erfahrt Ihr in den nächsten Zeilen.
Inhaltsverzeichnis
Der Nabel Irlands – Mehr als nur die Mitte der Insel
In der Mythologie bezeichnet man den Hill of Uisneach oft als das Zentrum Irlands und tatsächlich liegt der Hügel in der Grafschaft Westmeath nicht weit von der geographischen Mitte der Insel entfernt. Von der Hügelkuppe aus kann man an klaren Tagen bis zu zwanzig irische Grafschaften überblicken und hat damit einen Großteil des Landes im Blick.
Vielleicht ist es diesem Weitblick geschuldet, dass der Ort schon in frühsten Zeiten von so großer Bedeutung für die Inselbewohner war. Nicht ohne Grund findet man den „Aill na Míreann“ (zu dt. Stein der Teilung) auf dem Hügel, der den Punkt markiert, an dem die vier irischen Provinzen zusammentreffen. Zudem soll der Stein der Zugang zu der sagenumwobenen fünften Provinz Irlands sein, die manchmal mit der Anderswelt gleichgestellt wird und für ein harmonisches Miteinander der vier irdischen Provinzen sorgt. Generell soll die Grenze zwischen der menschlichen Welt und des Feenreichs auf dem Hill of Uisneach sehr dünn sein.
Es heißt außerdem, dass Éiru – Namensgeberin, Schutzgöttin und Seele des Landes – unter diesem Stein begraben ist und die Grüne Insel von dort nach wie vor mit ihrer göttlichen Kraft versorgt. Éiru gehörte zu dem mythischen Göttervolk der Túatha dé Danann. Gemeinsam mit ihren beiden Schwestern Banba und Fódla trat sie den Milesiern gegenüber, die Irland von den Túatha dé Danann übernahmen und sie nach der Göttin benannten.
Übrigens: Seit einigen Jahren trägt der Stein, der das Grab der Göttin markieren soll, den Beinamen Catstone, weil er von der Form her an eine Katze erinnert.
Ort der Götter und Helden
In der irischen Mythologie wird der Hill of Uisneach nicht nur mit der Göttin Éiru in Verbindung gebracht. Denn auch Lugh, der Gott der Sonne, soll hier begraben sein. Zu Lebzeiten war Lugh nicht nur ein Gott, sondern ebenso ein Krieger und König der Túatha dé Danann. Ihm verdanken wir bis heute die Lughnasadh-Festlichkeiten, mit denen im keltischen Kalender am 1. August der Herbst eingeleitet wird. Legenden zufolge ertrank Lugh in dem kleinen See auf der Hügelkuppe des Hill of Uisneach und wurde anschließend in einem nahegelegenen Hügelgrab begraben. Der kleine See, der einst viel größer war, trägt bis heute den Namen Lough Lugh.
Auch der irische Sagenheld Fionn Mac Cumhnaill hat eine ganz eigene Verbindung zu Uisneach. Er soll den Hügel regelmäßig mit seiner mythischen Kriegertruppe Fianna besucht haben. Es heißt, dass eine nicht mehr existierende Quelle lange Zeit nach der Fianna benannt war.
Hill of Uisneach – Ein Blick in die Vergangenheit
Die archäologischen Spuren am Hill of Uisneach reichen vom Mittelalter bis in die frühe Bronzezeit zurück, was bedeutet, dass dieser Ort beinahe 5.000 Jahre lang eine Rolle auf der Grünen Insel spielte. Das Gelände ist von unzähligen Strukturen gezeichnet, dazu gehören unter anderem Ringforts, Erdwälle und Hügelgräber.
Könige und Kultur
Neben dem bereits beschriebenen Stein der Teilung ist besonders die Anlage mit dem Namen „The Palace“ eine der bemerkenswertesten Strukturen auf dem Hügel. Das Bauwerk, von dem heute nur noch zwei ineinandergehende Ringforts sowie mehrere Erdwälle übrig sind, bestätigte bei archäologischen Ausgrabungen in den 1920er Jahren, dass Uisneach ein royaler Standort war. Es wurden die Überreste mehrerer Wohnhäuser, Versammlungsbauten sowie zwei Tunnelsysteme gefunden. Man nimmt an, dass der Palast aus dem ersten Jahrhundert nach Christus stammt und von König Tuathal Techtmar erbaut wurde. Die königliche Nutzung des Hill of Uisneach wird außerdem durch die Verbindung zum Hill of Tara bestätigt. Die beiden Hügel sind durch eine der alten Hauptstraßen Irlands miteinander verbunden – auf einem Teilstück dieser Straße verläuft die heutige R392.
Während Tara später der politische Sitz der Hochkönige Irlands war, blieb Uisneach nach wie vor das spirituelle und kulturelle Zentrum der Insel. Die Weihe der Hochkönige fand beispielsweise weiterhin dort statt. Unter dem Namen „Banais Righe“ (zu dt. Hochzeit des Königs) heiratete der neue Hochkönig symbolisch die Schutzgöttin Irlands an dem Ort, an dem sie begraben sein soll. So wollte man die Loyalität des Königs gewährleisten.
Über die Jahre haben mehrere Ausgrabungen eine Vielzahl von Artefakte ans Licht gebracht, darunter Schmuck, Werkzeuge und Keramiken, woraus man die kulturelle Bedeutung des Ortes ableitet. Auch Hinweise auf Feuerstellen und Opfergaben deuten darauf hin, dass der Hill of Uisneach ein Ort der spirituellen Verehrung war.
St. Patrick und der Hill of Uisneach
Auch St. Patrick hat zu seiner Zeit die Bedeutung des Hill of Uisneach erkannt. Im 5. Jahrhundert besuchte er den Ort und plante, dort eine Kirche zu errichten. Doch der Clan der O’Neills, die über die Ländereien zu dieser Zeit herrschten, wehrten sich gegen die Pläne des Heiligen. Der Hügel sollte weiterhin ein Ort der alten Kultur und Religion bleiben. Es heißt, dass St. Patrick daraufhin die Steine von Uisneach verflucht haben soll. Um den Schutzpatron der Grünen Insel milder zu stimmen, benannte man schließlich eine Quelle nach ihm, deren Standort mittlerweile jedoch nicht mehr bekannt ist.
Auf dem höchsten Punkt des Hügels findet man zudem die Überreste eines vorgeschichtlichen Dolmens, der den Namen „St. Patrick’s Bed“ trägt. Dieser Name stammt vermutlich aus den Zeiten der Penal Laws, in denen die Ihren dieser Dolmen als Mass Rock nutzten.
Das Beltane Fest – Lebendiges Erbe
Eine der bekanntesten Traditionen auf dem Hill of Uisneach ist das Beltane-Feuerfest. Beltane, das man in der Nacht zum 1. Mai feiert, markiert im keltischen Jahreskreis den Beginn des Sommers und war eines der wichtigsten keltischen Feste. Historischen Berichten zufolge wurden auf dem Hügel gewaltige Feuer entzündet, deren Flammen bis in die Ferne sichtbar waren. Diese Feuer sollten Schutz und Fruchtbarkeit bringen und wurden oft von rituellen Handlungen, Musik und Tanz begleitet.
Nachdem die keltischen Traditionen nach der Christianisierung und dem Druck der englischen Kolonialherren beinahe in Vergessenheit geraten waren, finden heutzutage immer mehr Iren zu ihren kulturellen Wurzeln zurück. So hat man auch dem Beltane Fest auf dem Hill of Uisneach wieder neues Leben eingehaucht. Jedes Jahr am Abend des 30. Aprils versammeln sich a Hunderte von Menschen auf dem Hügel, um den Sommer zu begrüßen. Mit Musik, Tanz und symbolischen Feuerzeremonien wird die uralte Verbindung zu den Vorfahren aufrechterhalten. Der Hügel wird so wieder zu dem, was er immer war – ein lebendiger Ort der Gemeinschaft und Spiritualität.
Der Hill of Uisneach und seine Legenden
Natürlich ranken sich um einen so zentralen Ort in der irischen Kultur und Geschichte auch unzählige Legenden und Geschichten. So erzählt man sich beispielsweise, dass ein verheerender Hagelschauer während einer Versammlung auf dem Hügel die sieben Hauptflüsse der kleinen Insel kreiert haben soll. Außerdem soll hier einst ein magisches Druidenfeuer ununterbrochen sieben Jahre lang gebrannt haben.
Im 12. Jahrhundert mutmaßte Geffrey of Monmouth in seiner Chronik über die Könige von England sogar, dass Stonehenge ursprünglich in Irland auf dem Hill of Uisneach gestanden haben soll, bevor man es schließlich an seinen heutigen Standort transportiert hatte.
Besuch auf dem Hill of Uisneach
Der Hill of Uisneach ist nach wie vor ein Ort, an dem Menschen zusammenkommen. Immer mehr Besucher und Einheimische lassen sich auf geführten Touren von der Magie und Geschichte dieses einzigartigen Hügels verzaubern. Ein Erlebnis, das nicht selten für Gänsehaut sorgt und noch lange im Herzen nachhallt.
Der Hügel ist nicht frei zugänglich, sondern kann ausschließlich auf einem geführten Rundgang erkundet werden. Diese Touren können auf der Webseite des Hill of Uisneach gebucht werden. Wer Anfang Mai in Irland ist, sollte sich das Beltane-Festival auf dem Hügel auf keinen Fall entgehen lassen.
Ist der Hill of Uisneach barrierefrei zugänglich?
Der Hill of Uisneach ist leider nicht barrierefrei zugänglich. Die Begehung findet auf einem Schotterpfad und unebenen Feldern statt, die teilweise moderate Steigungen aufweisen.
Hill of Uisneach – am Puls der Grünen Insel
Der Hill of Uisneach ist weit mehr als nur ein Hügel. Er ist ein lebendiges Symbol für die reiche Geschichte, die tief verwurzelte Spiritualität und die faszinierende Mythologie Irlands. Mit seiner Mischung aus archäologischen Funden, mythischen Geschichten und modernen Traditionen wird er für immer ein faszinierender Ort bleiben, der Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbindet.
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