Ferns Castle – die Burgruine liegt in dem kleinen Örtchen Ferns im County Wexford an der Ostküste Irlands. Persönlich finde ich es immer wieder faszinierend, wie in Irland oft direkt im Herzen des Ortes eine ehemalige Burg aufragt. So kann es stets passieren, dass man eine einfache Ortsstraße mit Ladengeschäften entlangfährt, um eine Ecke biegt und nichts anderes als weitere Geschäfte und Wohnhäuser erwartet, stattdessen aber von einer alten Burg überrascht wird.
So grenzt Ferns Castle nicht nur an die Hauptstraße, sondern auch eine Grundschule samt Sportplatz und an Wohnhäuser. Auf mich wirkt das ein wenig, als wollte man den ehemaligen Bewohnern dieser Gebäude noch immer ein Wohnrecht mitten im Ort einräumen. Wenngleich ihr Wohngebäude mittlerweile „ein wenig“ verfallen ist …
Hier jedenfalls wollen wir der Frage nachgehen, wie Ferns Castle in seinem ursprünglichen Zustand ausgesehen hat, wer darin lebte und auf welche Weise diese Bewohner dem Ort bis heute ihren eigenen Stempel aufgedrückt haben.
Inhaltsverzeichnis
Die bewegte Geschichte des Ferns Castle: Früheste Ursprünge der Burg
Die heutigen Überreste der Burganlage stammen aus dem 13. Jahrhundert, enthalten aber auch Anteile aus viel früheren Jahren. Gegründet wurde die Siedlung Ferns vermutlich als Klostersiedlung, als im Jahr 598 n.Chr. der Heilige St. Aidan in die Gegend kam. Als eifriger Nachfolger des Nationalheiligen St. Patrick selbst wurde Ferns unter ihm ein bedeutendes Zentrum der Spiritualität und der Bildung.
Nur wenig später wurde der Ort zur Hauptstadt des Königreichs Leinster. Dieses wurde regiert von König Brandubh, der für seinen heftigen Widerstand gegen die einfallenden Wikinger berühmt wurde. Unter König Brandubh war Ferns ein wichtiges politisches und kulturelles Zentrum, und sollte es auch noch jahrhundertelang bleiben.
Nichtsdestotrotz wurde der Ort wiederholt von den Wikingern angegriffen und geplündert. Der heftigste dieser Attacken erfolgte im 10. Jahrhundert, als die Wikinger die Stadt komplett eroberten und für mehrere Jahre halten konnten. In dieser Zeit bauten sie die erste Festungsanlage auf dem Grund des heutigen Ferns Castle, von wo aus sie ihre Raubzüge in die Umgebung starteten.
Die bewegte Geschichte des Ferns Castle: die Burg unter normannischer Herrschaft
Ein späterer König von Leinster, Dermot MacMurrough, gründete 1160 in Ferns das Augustinerkloster St. Mary’s Abbey. Der machthungrige MacMurrough versuchte jahrelang vergeblich, Hochkönig von Irland zu werden und verbündete sich zu diesem Zweck mit den Normannen. So wurde er zu dem „Mann, der die Normannen ins Land führte“.
Diese fielen im 12. Jahrhundert in Irland ein, geführt von den Nachkommen William des Eroberers. Rasch wurden sie zur stärksten Macht in Irland und bauten eine ganze Reihe von befestigten Burgen im ganzen Land.
Eine davon war Ferns Castle. Sein Erbauer war William Marshall, der erste Earl of Pembroke, und zwar im 13. Jahrhundert.
Baulich ist die Burg ein namhaftes Beispiel für mittelalterliche Architektur. Ihre Mauern aus örtlichem Stein sind bis zu zwei Meter dick, und die gesamte Anlage enthielt verteidigungsdienliche Bauwerke wie Burggraben und Zugbrücke, Schießscharten und Türme mit tückischen Wendeltreppen, die den Angreifer zum Stolpern bringen sollten.
Die Familie Marshall blieb noch für mehrere Jahrhunderte im Besitz der Burg und spielte als Lords of Leinster eine bedeutende Rolle in der Politik des Mittealters.
Die Zerstörung des Ferns Castle und was heute noch davon übrig ist
Ferns Castle wurde im Zuge der Cromwellschen Invasion im Jahr 1649 endgültig zerstört. Eine Theorie besagt, Sir Charles Coote, der Zerstörer, war ein General Cromwells, eine andere bezeichnet diesen als einen Parlamentarier. Fest steht jedenfalls, dass die Zerstörung im Zusammenhang mit Cromwell steht und auch fast die gesamte Bevölkerung des Ortes Fern das Leben kostete. Der Eroberer ließ sie kurzerhand hinrichten.
Und welche Teile der Burganlage sind nun heute noch übrig?
Zum einen der südöstliche Turm. Er kann bis heute erstiegen werden (Vorsicht: Gefährliche Wendeltreppe!) und bietet einen grandiosen Ausblick über die Umgebung. Der Ort Ferns und die umgebende Landschaft Wexfords liegen ihm quasi zu Füßen.
Außerdem enthält er noch ein Schlafzimmer, mehrere offene Feuerstellen und sogar eine mittelalterliche Toilette.
Besonders bemerkenswert im ersten Geschoss des Turmes ist die runde Kapelle. Sie besitzt eine spektakuläre Gewölbedecke – die schönste in ganz Irland, wie es in manchen Quellen heißt.
Auch der südöstliche Turm der Anlage hat seine Besonderheit: einen in den Fels geschlagenen Keller. Einer Legende nach hat dort einer der Burgbesitzer seine Tochter eingesperrt, um sie vor potenziellen Heiratskandidaten zu schützen – beziehungsweise, um sie von ihnen fernzuhalten. Eine recht drastische mittelalterliche Maßnahme, möchte man meinen.
Ebenfalls erhalten sind Teile der Mauern mit ihren Schießscharten, der Burggraben und Überreste eines Torhauses sowie der Zugbrücke. Nicht zu vergessen die Überreste von St.Mary’s Abbey samt einigen Hochkreuzen, auch wenn diese nicht direkt auf dem Grund der Burg stehen.
Ein Besuch auf Ferns Castle
Dieser lohnt sich auf jeden Fall, wurden in den letzten Jahren doch etliche Maßnahmen wie Restaurierungen durchgeführt. Auch ein informatives Visitor-Center ist entstanden. Außerdem gibt es geführte Besichtigungstouren mit kompetenten Guides, die so manche interessante Hintergrundinfo und Anekdote auf Lager haben.
Am Beeindruckendsten von allen kürzlich hinzugefügten Attraktionen ist aber wohl die sogenannte Ferns Tapestry. Dabei handelt es sich um einen Wandbehang, der die Geschichte von Ferns Castle von seinem Beginn als Klostersiedlung bis hin zum Dasein als normannisches Schloss darstellt. Abgebildet ist sie in 25 einzelnen Bildern aus kunstvoller Wollstickerei. Ferns Tapestry ist eine Initiative der Ortsgemeinschaft, seine Herstellung dauerte fünf ganze Jahre.
Insgesamt ist Ferns Castle ein geeigneter Ort, um tiefer in die Geschichte der Grünen Insel einzutauchen oder sich einmal zu fühlen wie ein mittelalterlicher Ritter. Vielleicht sogar wie der erste Earl of Pembroke selbst – der Ritter William Marshall?
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