Ihre natürliche und kulturelle Schönheit macht die Grüne Insel zu einem attraktiven Reiseziel für jährlich Millionen von Menschen. Dabei tauchen bestimmte Orte auf den meisten Listen mit Reisezielen immer wieder auf. Darunter sind einige der berühmtesten Stätten von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt. Hierzu zählen Skellig Michael, der Giant’s Causeway und das Boyne Valley. In 2024 gesellte sich das Dorf Gracehill im County Antrim im Norden von Irland hinzu. Beinahe unscheinbar am Rande der Kleinstadt Ballymena gelegen, blickt es nicht nur auf eine lange Geschichte zurück. Vielmehr entstand das Dorf als Plansiedlung rund um eine Kirche der Herrnhuter Brüdergemeinde. Diese bemerkenswerten baulichen Siedlungsstrukturen und ihre Architektur sind bis heute sichtbar, ihre faszinierende Geschichte vor Ort live erlebbar. Damit dies so bleibt, erkannte die UNESCO im Jahr 2024 den Ort Gracehill in Nordirland als Weltkulturerbestätte an.
Inhaltsverzeichnis
Gracehill im County Antrim im Norden von Irland
Das Dorf Gracehill ist im County Antrim im Norden von Irland. Über die nahe Nationalstraße A26 sind es gute 35 Minuten Autofahrt bis Belfast. Den Giant’s Causeway erreicht man in einer Dreiviertelstunde. Ein kurzes Stück östlich befinden sich die Glens of Antrim und der dazugehörige Küstenabschnitt mit der Causeway Coastal Route. Gracehill liegt auf der westlichen Seite des kleinen Flusses Maine. Dieser trennt das Dorf von den Siedlungsausläufern der Stadt Ballymena ab.
Hier entstand im 18. Jahrhundert eine Kirche als zentraler Punkt einer neu geplanten Siedlung der Herrnhuter Brüdergemeinde. Im Englischen als Moravian Church bekannt, ist die Gemeinde bereits seit dem frühen 18. Jahrhundert aktiv. Ursprünglich in 1722 im Ort Bethelsdorf in der Oberlausitz in Deutschland entstanden, verbreitete sie sich zur Mitte des Jahrhunderts hin rasch über Dänemark in die weitere Welt. Missionare erreichten Teile Deutschlands, aber auch Grönland, die Karibik und die damals neuen britischen Kolonien in Nordamerika. Im Zuge der Expansion in das Vereinigte Königreich und Irland, begann in 1746 die Umsetzung einer Siedlung nahe von Ballymena. Die Geburtsstunde von Gracehill, der heutigen UNESCO Weltkulturstätte.
Die Herrnhuter Brüdergemeinde: Eine weltweite Glaubensgemeinschaft
Die Ursprünge der Herrnhuter Brüdergemeinde liegen in ihrer Vorgängergemeinde, den Böhmischen Brüdern. Bereits seit der von Martin Luther angestoßenen Reformation im 15. Jahrhundert waren diese Glaubensbrüder darin aktiv, eine Rückkehr zur strengen, archaischen Lehre der katholischen Kirche zu verhindern. Dabei erfuhren sie oftmals Verfolgung bis sie sich während der Gegenreformation im 17. Jahrhundert gar nur noch im Verborgenen versammeln konnten. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts folgten die Böhmischen Brüder verstärkt dem Ruf des Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Dessen Anwesen in Herrnhut in der Oberlausitz wurde das neue Zentrum der neuen Brüdergemeinde. Von hier aus verbreitete sich die Glaubensgemeinschaft in die Welt.
Was im späten Mittelalter durch Missionarsarbeit rasch durch die Welt reiste, hat sich bis heute erhalten. Zum einen durch den klugen Siedlungsbau, den die Herrnhuter Brüdergemeinde betrieb. Dabei erbauten sie weltweit neue Siedlungen nach ihrem eigenen Plan, etablierten darin die Gemeinde, strebten nach Selbstversorung und widerstanden so über die Jahrhunderte selbst in unsicheren Zeiten den Stürmen der Zeit. Die UNESCO-Stätte Gracehill ist ein perfektes Bespiel für eine derartige Siedlung, die seit ihrer Entstehung im 18. Jahrhundert so manchen Sturm meisterte.
Gracehill: Struktur einer UNESCO-Stätte
In 1759 begannen Vertreter der Herrnhuter Brüdergemeinde unter der Leitung von John Cennick eine Gemeinde im County Antrim zu etablieren. Der Siedlungsbau erfolgte nach einem strengen Muster. Zentrum der Siedlung wurde neben der Kirche eine Grünfläche als zentraler Platz, unmittelbar an die Kirche angrenzend. Von hier ausgehend, entstanden Wohnhäuser, Schulen, Verwaltung und Arbeitsstätten. Allesamt erbaut im Georganischen Architekturstil der damaligen Zeiten. Dabei folgte die bauliche Struktur einem symmetrischen Schema mit geraden und breiten Straßen. Es ist jenes Schema sowie die alten Gebäude samt der ikonischen Kirche, die noch heute in Gracehill erkenntbar sind und nun dem Schutz der UNESCO unterliegen.
Die Gemeinde, die sich in Gracehill ansiedelte, wurde in verschiedene Gruppen eingeteilt. Jeder erhielt seine eigene Wohnstätte und Aufgabe zugewiesen. Hierbei achtete man sehr darauf, möglichst viele Arbeiten innerhalb der Gemeinde selbst erledigen zu lassen. Ziel dahinter: eine möglichst autarke Selbstversorgung der Gemeinde und ihrer Mitglieder.
Gracehill: UNESCO Weltkulturerbe
Ähnlich zu Gracehill entstanden weltweit weitere Mustersiedlungen nach dem Bauschema der Herrnhuter Brüdergemeinde. Gemeinsam bestrebten sie, die Geschichte der Gemeinden, ihre Siedlungsplanung und Architektur unter den Schutz der UNESCO zu stellen. Ihnen voran schritt die Siedlung der Herrnhuter Brüdergemeinde im dänischen Christiansfeld. Die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation) verlieh ihr in 2015 die Auszeichnung als Weltkulturerbe. In 2024 folgten neben Gracehill auch die Siedlungen in Bethlehem, Vereinigte Staaten, und in Herrnhut in Deutschland. Seit der Statusverleihung durch die UNESCO ist Gracehill neben dem Giant’s Causeway die zweite Welterbestätte im Norden Irlands. Insgesamt befinden sich nun vier Welterbestätten auf der Grünen Insel: Das Boyne Valley, der Giant’s Causeway, Skellig Michael sowie Gracehill.
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