Irland ist nicht nur das Land grüner Hügel, schroffer Klippen und geheimnisvoller Ruinen, es ist auch das Land der Geschichtenerzähler, das Land der Mythen und Legenden. Dabei sind viele der alten Erzählungen bis heute ein fester Bestandteil der irischen Kultur und auch der Landschaft. Beinahe an jeder Ecke trifft man auf einen Ort, um den sich unzählige Legenden ranken und nicht selten haben sie mit einem der bekanntesten Sagenhelden der Grünen Insel zu tun: Fionn Mac Cumhaill, der auch unter dem Namen Fionn McCool bekannt ist.
Viele Erzählungen beschreiben Fionn als Riesen, als übernatürlich starken Krieger und geborenen Anführer. In all diesen Geschichten erlebt man wie Fionn von einem Jungen zum Helden wird, wie er aufwächst, das Wissen des Universums erhält und schließlich die sagenhafteste Kriegertruppe der irischen Mythologie anführt. In diesem Beitrag findet Ihr eine kleine Auswahl der Legenden, die sich um Fionn mac Cumhaill ranken und einen wunderbaren Einblick in die mythische Welt der Grünen Insel erlauben.
Fionn mac Cumhaill: Herkunft und Kindheit
In den nebligen Wäldern und sanften Hügeln Irlands, wo die Landschaft von einer Magie durchzogen ist, die so alt ist wie die Zeit selbst, wird die Geschichte eines Mannes erzählt, der nicht nur zum Helden, sondern zur Legende wurde. Sein Name ist Fionn Mac Cumhaill.
Fionn wurde unter dem Namen Deimne Maol als Sohn von Cumhall, dem Anführer der Kriegertruppe Fianna und Muirne, der Tochter des Druiden Tadg mac Nuadat geboren. Doch Fionn sollte seinen Vater nie kennenlernen.
Muirnes Vater – Fionns Großvater – verweigerte Cumhall die Hand seiner Tochter. Unfähig diese Versagung zu akzeptieren, entführte Cumhall seine zukünftige Braut. Tadg wandte sich daraufhin an den Hochkönig Conn, der Cumhall für vogelfrei erklärte und seine Männer nach ihm aussandte.
In einer anschließenden Schlacht wurde Cumhall schließlich von Coll Mac Corna getötet, der fortan die Fianna anführte. Muirne, die sich weigerte zu Tadg zurückzukehren und nun Cumhalls Kind erwartete, sollte auf Anordnung ihres Vaters verbrannt werden. Das ließ der Hochkönig jedoch nicht zu und schickte Muirne zu Fiacal mac Conchinn, der mit Cumhalls Schwester Bodhmall verheiratet war. Schweren Herzens ließ Muirne ihren Sohn in der Obhut von Bodhmall und einer Frau namens Liath Luachra. Die beiden Frauen zogen den Jungen groß und sind vermutlich für den Beinamen Fionn (zu dt. der mit den hellen Haaren) verantwortlich, was seiner heller werdenden Haarfarbe geschuldet ist.
Fionn und der Lachs der Weisheit
Einen Teil seiner Jugend verbrachte Fionn anschließend mit dem Dichter und Druiden Finegas, dem er sich jedoch unter seinem Geburtsnamen Deinme vorstellte. Gemeinsam zogen die beiden durch das Boyne Valley, denn schon seit Jahren war Finegas auf der Suche nach dem Lachs der Weisheit, der in einem tiefen Teich unter dem Baum der Weisheit leben sollte. Der Lachs ernährte sich beinahe ausschließlich von den Nüssen des Baumes, die ins Wasser fielen, und erhielt so das gesamte Wissen der damaligen Welt. Der Legende nach sollte es lediglich einem Jüngling namens Fionn gelingen, den Fisch zu fangen und ihn zu verspeisen, um dieses Wissen zu erhalten.Als Finegas eines Tages endlich den Lachs in besagtem Teich fand, gelang es ihm mithilfe seines Schülers, den Fisch zu fangen. Anschließend bat der Fionn – den er nur unter Deimne kannte – den Lachs über dem Feuer für ihn zuzubereiten. Er warnte ihn jedoch ausdrücklich, nicht von dem Fisch zu probieren. Fionn tat wie ihm sein Meister geheißen. Doch während der Lachs über den Flammen brutzelte, verbrannte er sich den Daumen und steckte ihn instinktiv in seinen Mund.
In diesem Moment durchzuckte ihn ein gewaltiger Strom von Wissen und Weisheit. Fionn verstand plötzlich Dinge, die ihm zuvor verborgen geblieben waren. Diesem Moment hatte er es zu verdanken, dass er schließlich zum Anführer der Fianna und zu der Legende wurde, die er bis heute ist.
Die Fianna: Legendäre Kriegertruppe Irlands
Die Fianna war eine elitäre Kriegertruppe in Irland, um die sich die Mythen des sogenannten Fenian-Cycle drehen. Die Truppe aus den tapfersten Männern der Grünen Insel zog durch die Lande und beschützte ihre Heimat mit all ihrer Kraft. Dabei lebten sie nicht in Burgen oder Kriegerlagern, sondern im Einklang mit der Natur. Sie schliefen unter freiem Himmel und ernährten sich größtenteils vom Land. Lediglich im Winter fanden die Fianna-Krieger Unterschlupf bei Clanoberhäupten, denen sie im Gegenzug ihren Schutz anboten.
Um ein Mitglied dieser legendären Gruppe zu werden, musste man unter anderem in der Lage sein, über einen Ast zu springen, der so hoch war wie man selbst, und unter einem Ast hindurchzulaufen, der auf Höhe des eigenen Knies hing, ohne dabei langsamer zu werden. Man musste durch den Wald rennen können, ohne dass dabei auch nur ein Ast knackt und in einer hüfthohen Grube mit nichts als einem Schild und einem Ast gegen neun Gegner kämpfen. Die Fianna waren allerdings nicht nur Krieger, sondern auch Dichter, Musiker und Geschichtenerzähler, die sich dem Erhalt der Seele Irlands verschrieben hatten.
Fionn als neuer Anführer der Fianna
Als Sohn des ehemaligen Anführers der Fianna war Fionn dazu bestimmt, eines Tages die Führung der Kriegertruppe zu übernehmen. Gewappnet mit dem gesamten Wissen des Universums machte Fionn sich auf nach Tara, wo er vor den Hochkönig trat und darum bat, dass sein rechtmäßiger Platz an der Spitze der Fianna anerkannt werde.
Tara wurde zu dieser Zeit von der mächtigen Fee Aillen heimgesucht, die bereits seit 23 Jahren jedes Jahr zu Samhain den gesamten Hofstaat mit ihrem Gesang in einen tiefen Schlaf legte, um das Land anschließend dem Erdboden gleichzumachen. Der Hochkönig wollte, dass Fionn seine Kraft und Weisheit unter Beweis stellte, indem er die Fee besiegte.
Als der magische Gesang der Fee schließlich erklang, pikste Fionn seine Speerspitze immer wieder in seine Haut, um nicht einzuschlafen. So gelang es ihm, Aillen gegenüberzutreten und sie im Gefecht zu besiegen, bevor sie auch nur einen Grashalm umknicken konnte. Der Hochkönig ernannte Fionn daraufhin zum Anführer der Fianna. Was jedoch zu diesem Zeitpunkt keiner von beiden wusste, Fionn sollte der letzte Anführer der Fianna sein.
Fionn mac Cumhaill und die Frauen
Fionn war nicht nur ein legendärer Krieger, sondern aufgrund seiner Weisheit und seines ungewöhnlichen Aussehens mit den hellen Haaren, auch bei den Frauen sehr beliebt. Zwei seiner Frauen sind allerdings besonders berühmt.
Seine erste – und viele sagen auch, einzig wahre – Liebe Sadbh, die Tochter von Bodb Derf, König der Túatha Dé Danann, begegnete ihm unter tragischen Umständen. Sadbh war von einem bösen Druiden in ein Reh verwandelt worden, nachdem sie sein Heiratsangebot ausgeschlagen hatte. Lediglich auf dem Land der Fianna konnte sie in ihrer menschlichen Gestalt bleiben. Als Fionn sie im Wald fand, war es sofort um die beiden geschehen. Sie heirateten und erwarteten kurze Zeit später ein Kind. Doch ihr Glück währte nur kurz – Sadbh wurde erneut verzaubert und verschwand spurlos, was Fionn in tiefe Trauer stürzte. Etwas später traf er auf dem Gipfel des Ben Bulben jedoch ein verirrtes Rehkitz, in dessen Augen er seine Geliebte erkannte. Fionn brachte das Kitz nach Hause, wo es sich in seinen Sohn verwandelte, den er Oisín (zu dt. Rehkitz) nannte.
Lesetipp: Um Oisín dreht sich auch die bekannte Legende von Tír na nÓg, die Ihr HIER nachlesen könnt.
Später in seinem Leben wurde Fionn die Hand der Tochter des Hochkönigs Cormac mac Airt versprochen. Gráinne verliebte sich auf der Verlobungsfeier jedoch in Diarmuid, einen Krieger der Fianna, und beschloss, noch am selben Abend mit ihm durchzubrennen. Diese Entscheidung führte zu einer dramatischen Verfolgungsjagd quer durch Irland, die als die „Flucht von Diarmuid und Gráinne“ in die Geschichte einging.
Fionn mac Cumhaill und der Giant’s Causeway
Die Entstehung des Giant’s Causeway an der Küste Nordirlands ist untrennbar mit der Legende von Fionn mac Cumhaill verbunden. Als Anführer der Fianna war Fionn stets bereit, seine Stärke unter Beweis zu stellen, weshalb er sich mit dem schottischen Riesen Benandonner anlegte, der Fingal’s Cave auf der Isle of Staffa bewohnt haben soll. Um trockenen Fußes nach Schottland zu gelangen und seinen Rivalen herauszufordern, baute Fionn kurzerhand einen Damm aus gigantischen sechseckigen Basaltsäulen.
Als Fionn den Riesen allerdings erblickte und sah, wie gewaltig dieser war, überkam ihn tatsächlich die Angst und er eilte zurück nach Irland. Wohlwissend, dass Benandonner ihn verfolgen würde, verkleidete sich Fionn als Baby. Als der schottische Riese die Grüne Insel schließlich erreichte und das „Kind“ sah, fürchtete er die Größe des Vaters dieses Riesenbabys. Hastig floh er zurück in seine Höhle nach Schottland und riss den Damm hinter sich ein. Die Überbleibsel der Basaltsäulen bilden heute das eindrucksvolle Naturdenkmal des Giant’s Causeway. Interessanterweise findet man am schottischen Ende des legendären Damms in der Fingal’s Cave ebenfalls sechseckige Basaltsäulen.
Fionns letzte Schlacht und das Ende der Fianna
Fionn schlug an der Spitze der Fianna zahlreiche Schlachten, doch die bekannteste und blutigste Schlacht sollte auch seine letzte sein. Das Battle of Gabhra markiert einen tragischen Wendepunkt in der Geschichte Irlands und das Ende der legendären Kriegertruppe. Die Schlacht war mehr als ein Kampf zwischen Gut und Böse, denn auch innerhalb der Fianna gab es zu diesem Zeitpunkt Spannungen.
Dem amtierenden Hochkönig Cairbre war die Fianna ein Dorn im Auge. Die Kriegertruppe hatte zu viel Macht, die seiner Ansicht nach allein einem Hochkönig gebühren sollte. Cairbre nahm einen Disput über die Hochzeit seiner Tochter zum Anlass, um der Fianna den Krieg zu erklären, in dem er einen der jüngsten Krieger tötete. Fionn und seine Mitstreiter versammelten daraufhin ein 3.500 Mann starkes Heer um sich – doch nicht alle Krieger der Fianna standen auf Fionns Seite. Nicht wenige entschlossen sich, gegen den legendären Anführer zu kämpfen, sodass der Hochkönig mit rund 10.000 Kriegern in die Schlacht zog.
Den blutigen Kampf bezahlten nicht nur der Hochkönig und hunderte Krieger mit ihrem Leben, er brachte auch Fionn und die gesamte Fianna zu Fall. Einigen Erzählungen nach liegt Fionn in dem Passage Tomb Listoghil in Carrowmore begraben. Viel beliebter ist jedoch die Legende, dass Fionn keinesfalls gestorben ist. Demnach ist der legendäre Krieger gemeinsam mit dem Rest der Fianna in einer Höhle unter Dublin in einen tiefen Schlummer verfallen.
Eines Tages, wenn der Tag gekommen ist und Irland einer großen Bedrohung gegenübersteht, wird das Kriegshorn der Fianna dreimal ertönen und Fionn wird erneut mit seinen Kriegern seiner Bestimmung folgen und für sein Land kämpfen.
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