Irland in der Neuzeit

Der Nordirlandkonflikt – eine Übersicht

Nordirlandkonflikt Friedenstaube
Written by Ina Brecheis

Der jahrhundertealte Konflikt zwischen protestantischen Iren, einst Siedler aus dem heutigen Großbritannien und den katholischen Iren – bekannt als der Nordirlandkonflikt – prägt bis heute die Grüne Insel. Es ist eine Geschichte, die vielleicht weniger mit dem Glauben, als vielmehr mit Macht zu tun hat. Wer verstehen will, weshalb noch heute ein Riss durch dieses Land geht und der Brexit als Schreckgespenst im Raum steht, der muss weit in der Geschichte zurückblicken. Genau das wollen wir in diesem Artikel tun. Wir begeben uns auf einen Ritt durch die Geschichte des Nordirlandkonflikts.

Der Ursprung des Nordirlandkonflikts – von den Normannen zur Schlacht am Boyne

Die Engländer setzen Fuß auf irischen Boden

  • 1170: Die Engländer setzen erstmals Fuß auf irischen Boden. Die ersten „Engländer“, die auf die Grüne Insel kommen, sind vermeintlich erbetene Gäste. Der irische König Diarmuid MacMorrough hatte die Hilfe der Normannen erbeten. Mit deren Unterstützung will er sich gegen die anderen Könige in Irland als Hochkönig durchzusetzen und seinen Machtanspruch sichern. Die Normannen folgen seinem Ruf und unter ihrem Heerführer Richard Strongbow ziehen sie gegen die rivalisierenden irischen Könige zu Felde. Die Normannen richten es sich in Irland daraufhin häuslich ein. Allen voran Richard Strongbow, der sich in Irland niederlässt und eine irische Prinzessin heiratet. Sehr zum Unwillen des englischen Königs Heinrich II, dem Richard im fernen Irland zu mächtig wird.
  • 1171: Dem will Henry II Einhalt gebieten und als erster englischer König begibt er sich auf die Grüne Insel. Gemeinsam mit Richard Strongbow, wirft er die aufständische Iren nieder. Die normannische Vorherrschaft geht in den Jahren darauf stark zurück. Immer wieder gibt es Aufstände gegen sie und auch die Pest wütete unter den Normannen. Diese wohnen dicht an dicht in den städtischen Siedlungen, während die Iren mehrheitlich auf dem Land leben und damit der grassierenden Krankheit weniger ausgesetzt sind. Bald schrumpft das Einflussgebiet der Normannen auf einen kleinen Bereich, genannt „The Pale“ um Dublin herum zusammen. Irland ist und bleibt für die Engländer ein Pulverfass, das sie nicht kontrollieren können.

Strongbow

Strongbow heiratet Aoife; Daniel Maclise [Public domain]

Irland wird englisch

  • 1541: Henry VII will die Lage eindeutig klären und verleiht sich den Titel König von Irland.
  • 1572-1584: So leicht ist es aber nicht getan und seine Tochter, Elizabeth I, fasst den Entschluss, in Irland die Loyalität zur englischen Krone zu erzwingen. Elizabeths Plan ist, gezielt königstreue, protestantische Schotten und Engländer in Irland anzusiedeln. Der Plan geht auf und immer mehr Angehörige der englischen Oberschicht sehen die Chance, sich am Land der mehrheitlich katholischen irischen Bevölkerung zu bereichern. Gegen dieses Unrecht lehnen sich die Iren immer wieder  auf – es kommt zu Kriegen – darunter dem 11-jährigen Krieg. Die Iren können einen guten Teil der Insel wieder in ihren Besitz bringen. Mit dem Feldzug von Oliver Cromwell, dem Lord Protector endet dies jedoch. Er zieht eine Schneise der Verwüstung quer über die Insel und bricht mit äußerster Brutalität den irischen Widerstand.
  • 1601: Mit dem Battle von Kinsale in den frühen Morgenstunden des Heiligen Abends ist Irlands Schicksal besiegelt. Die Engländer erobern die Vorherrschaft über das gälische Irland.
  • 1690: Die Schlacht am Boyne: Ein letztes irisches Aufbegehren, das bis heute im Gedächtnis Irlands eingebrannt ist, ist die Schlacht an den Ufern des Flusses Boyne. Im Grunde stehen sich aber hier zwei Engländer gegenüber: Auf der einen Seite der englische König protestantischen Glaubens Wilhlem III von Oranien. Auf der anderen Seite sein Widersacher und Schwiegervater, der katholische König James II von England. Wilhelm hatte ihn zuvor vom Thron gestürzt. Nach Irland geflohen, mobilisierte James ein Heer aus katholischen Iren und bringt einen Großteil Irlands unter seine Herrschaft. Bis auf zwei protestantische Festungen: Londonderry and Enniskillen. James II wird zurückgedrängt und es kommt zu entscheidenden Schlacht am Boyne, die er verliert. Irland gehört den Engländern.
Battle of Boyne

Die Schlacht am Ufer des Boyne; Jan Wyck [Public domain]

Der Nordirlandkonflikt – vom Osteraufstand bis zum Karfreitagsabkommen

Auf dem Weg zur Unabhängigkeit

  • 1800: Mit dem Act of Union wird nun auch Irland, wie zuvor bereits Schottland und Wales Teil des Vereinten Königreiches und damit zentral von London aus regiert. Mit dem aufkeimenden Nationalismus gegen Ende des 19. Jahrhunderts aber regt sich in Irland dagegen immer stärkerer Widerstand. Es gibt konkrete Forderungen nach einer sogenannten Home Rule, einer Selbstverwaltung in Dublin. An dieser Forderung scheiden sich die Geister. Die Lage spitzt sich immer mehr zu.
  • 1916: Im Osteraufstand 1916 gipfelt diese Auseinandersetzung. Aufständische bauen am 24. April Straßenbarrikaden und Patrick Pearse verkündet vor dem General Post Office in Dublin die Unabhängigkeit Irlands. Der Aufstand wird von den englischen Soldaten niedergeschlagen: 16.000 Soldaten stehen 1.500 Rebellen gegenüber. Der Osteraufstand bildet den Auftakt für den irischen Unabhängigkeitskrieg, der erst 1921 endet und Tausenden das Leben kostet.
  • 1921: Eine Waffenruhe kann zwischen den Parteien ausgehandelt werden und mit dem Anglo-Irischen Vertrag endet der irische Unabhängigkeitskrieg.
  • 1922: Auf Basis des 1921 geschlossenen Vertrags wird ein Jahr später der Irische Freistaat gegründet. Die Insel ist nunmehr in zwei Teile gespalten. Außerdem tun sich neue Gräben auf: die Iren, die den Vertrag unterstützen, stehen denjenigen gegenüber, die Unabhängigkeit für ganz Irland fodern. Es kommt weiterhin zu Auseinandersetzungen.
  • 1949: Die Republik Irland wird gegründet.
Osteraufstand

Das General Post Office in Dublin nach dem Osteraufstand; See page for author [Public domain], via Wikimedia Commons

Blutige Auseinandersetzungen

  • 1960er Jahre: Bürgerrechtsbewegungen in Nordirland entstehen, die sich gegen die Benachteiligung der katholischen Bevölkerung einsetzen. Die Auseinandersetzungen eskalieren und es kommt zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen – Attentate und Straßenkämpfe versetzen Irland in Angst und Schrecken. Die beiden paramilitärischen Gruppen IRA (Irish Republican Army) und die Ulster Volunteer Force (UVF) verüben immer wieder Anschläge.
  • 1969: Im Bogside, einem katholischen Viertel von Derry – Londonderry, halten Mitglieder eines protestantischen Ordens eine Parade ab, um an den erfolgreichen Widerstand gegen die Belagerung des katholischen Königs James II im Jahr 1689 zu erinnern. Die katholischen Anwohner sehen das als Provokation und die Situation eskaliert.
  • 1972: In Derry – Londonderry gehen katholische Iren auf die Straße, um zu demonstrieren – unter der Regierung in Nordirland ist das damals verboten. Ihr Protest richtet sich gegen die systemantische Ungleichheit, die der katholische Teil der Bevölkerung erfährt. Trotz der katholischen Mehrheit in der Bevölkerung gibt es eine protestantische Mehrheit im Stadtparlament. Das liegt an der Manipulation der Wahlbezirke, die dieses Ungleichgewicht möglich macht. Sie protestieren auch gegen das Vorgehen des englischen Militärs, vermeintliche Sympathisanten der IRA (Irish Republican Army) ohne Gerichtsverfahren zu verhaften. Englische Soldaten eröffnen das Feuer auf Demonstratenten. 13 von ihnen sterben. Der Tag geht als Bloody Friday in die Geschichte ein.
  • 1998: Das Good-Friday-Agreement oder zu Deutsch Karfreitagsabkommen von 1998 wird nach langem und zähem Ringen unterschrieben. Es hält fest, dass Nordirland als Teil des Vereinten Königreichs angesehen wird und, dass es ein vereintes Irland geben kann, wenn die Mehrheit der Bevölkerung sowohl in der Republik Irland als auch in Nordirland dafür stimmt.
  • 2008: Die IRA und die UVF entwaffnen sich und schwören der Gewalt ab.

Es gibt zahlreiche kleinere und größere Friedensinitiativen, die darauf aus sind, alte Wunden zu heilen. Besonders hervorzuheben ist dabei das nordirische Corrymeela – ein Ort der Versöhnung. Hier erfahrt Ihr mehr über Corrymeela.

Die Stadtmauer in Derry – Londonderry, Co. Derry (Nordirland), © Tourism Ireland

Die Auswirkungen des Brexits

Der Brexit steht als Schreckgespenst für das zukünftige Verhältnis zwischen Irland und Nordirland im Raum. Mit dem Austritt des Vereinten Königreichs aus der Europäischen Union endet Europa an der 499 Kilometer langen Grenze, die Nordirland von der Republik Irland trennt. Dieser Abschnitt wird zu einer EU-Außengrenze. Eine feste Grenze wollen aber weder die Europäische Union noch Irland – denn diese könnte alte Konflikte neu entfachen. Aus diesem Grund hat das Vereinte Königreich die sogenannte Backstop-Regelung im Austrittsvertrag festgelegt. Diese schließt Grenzkontrollen auf unbestimmte Zeit aus, bis eine andere Lösung gefunden wurde. Allerdings fand dies im Unterhaus in London keine Zustimmung. Das letzte Wort ist hier also noch nicht gesprochen.

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Über den Autor

Ina Brecheis

Ich habe mich während meines Studiums in Dublin in Irland verliebt. Zuvor war da nur eine vage Anziehung zu diesem Land mit seiner lebensfrohen Musik und lebendigen Kultur. Dort war es dann um mich geschehen und ich habe eine unvergessliche Zeit auf der Grünen Insel verbracht. Seither zieht es mich immer wieder dorthin zurück. Umso mehr freue ich mich, über mein grünes Lieblingsland hier bei gruene-Insel.de zu schreiben.

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