Irische Mythologie

Irische Mythologie – ein Überblick

Irische Mythologie
Written by Heike Fries

Irische Mythologie ist so vielfältig, wie sie alt ist – sie datiert zum Teil bis in vorkeltische Zeiten. Und die Legenden gehören mit den griechischen und römischen Sagen zum größten literarischen Schatz Europas. Genau genommen ist es ein Wunder, dass wir sie heute überhaupt kennen. Denn die Gälen und Kelten hatten keine ausgeprägte Schriftkultur. Alle Geschichten wurden mündlich von Barden und Poeten, den sogenannte Fili, weitergegeben – und erst im frühen Mittelalter schrieben christliche Mönche sie auf.

Irische Mythen – gesponnen über Jahrhunderte

Die Mönche veränderten die Geschichten, indem sie sie um christliche Elemente ergänzten und so an ihren eigenen Glauben anpassten. So beraubten sie zum Beispiel die Túatha dé Danann ihrer Göttlichkeit und erklärten sie zu Gestaltwandlern und Feen. Die ursprünglichen heidnischen Elemente sind deshalb heute nur noch fragmentarisch vorhanden. Aber sie schimmern hier und da noch durch. Hauptquellen für die meisten der irischen Mythen und Legenden sind Übersetzungen aus dem 11. Jahrhundert. Beispielsweise das Lebor na hUidre, das Buch der dunkelfarbigen Kuh, in dem ein Mönch namens Mæl-Muire mac Célechair viele der Geschichten aufgeschrieben haben soll.

Einige Manuskripte sind bis heute noch nicht ins Englische übersetzt worden. Es warten also noch weitere Schätze darauf, entdeckt zu werden. Die ersten englischen Übersetzungen stammen aus dem 18. Jahrhundert von Lady Gregory, als es zu einer Welle der Begeisterung für irische Mythologie kam, die seitdem eigentlich nicht mehr abgeebbt ist. Doch auch Lady Gregory setzte noch einmal die Schere an und entschärfte vermeintlich anstößige Szenen oder nahm sie ganz heraus. Heutige Übersetzungen haben diese Szenen wieder eingefügt. Dennoch sind Irlands Mythen und Legenden, die wir heute kennen andere als die, die Barden oder Fili bis ins Mittelalter hinein überall im Land erzählten. Trotz der Veränderungen innerhalb der letzten Jahrhunderte tragen viele der Legenden noch heute eine archaische Kraft in sich – und sind faszinierend, spannend und voller Magie.

irische Mythologie, Königin Maev

Joseph Christian Leyendecker (1874 – 1951), Maev, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Irische Mythologie: Vier Zyklen voller Magie

Der mythologische Zyklus

Dieser Teil der irischen Mythologie erzählte eine Art Pseudogeschichte über die Besiedelung Irlands, die auf Basis von fünf Invasionen stattfand. Die Invasoren waren in den Erzählungen überwiegend übernatürliche Wesen, die um die Vorherrschaft in Irland kämpften: Die ersten waren die Cessair. Dann kamen die Partholon und Nemed, gefolgt von den Firbolg und den Túatha dé Danann – Bis schließlich die Milesier kamen, die als die Vorfahren der irischen Gälen gelten. In vielen Geschichten dieses Zyklus spielen die Tuatha dé Danann eine große Rolle und auch von ihrem Rückzug wird berichtet: Sie gewannen in der Schlacht um Mytura zunächst die Oberhand, bevor sie von den letzten Invasoren, den Milesiern in die Anderswelt abgedrängt wurden – wo sie schließlich zu den heutigen Sidhe wurden, jenen Geister-und Feenwesen mit magischen Kräften.

Der Ulster-Zyklus

Im Ulster-Zyklus zeigt sich die irische Mythologie archaisch und heroisch: Er spielt um das Jahr 100 nach Christus in den Regionen Ulster und Connaught und dreht sich in erster Linie um den großen irischen Helden Cú Chulainn. Die Geschichten spielen unter anderem am Hof des Königs Conchobar mac Nessa. Die zentrale Geschichte ist der Cattle Raid of Cooley, in dem Cú Chulainn Ulster eigenhändig von den Armeen der Königin Medb befreit. Seine Kampfstärke hat er zum einen durch seine göttliche Herkunft – sein Vater ist der Sonnengott Lugh (auf den das Fest Luaghnasadh zurückgeht) – aber auch durch sein Training in der Kampfschule der legendären Kriegerin Scáthach erworben.

Obwohl Cú Chulainn eigentlich dem Archetyp des klassischen Helden angehört, haben viele Geschichten einen tragischen Unterton. Ein strahlender Held ist Cú Chulainn nämlich nicht: Seine Loyalität und die vielen Scharmützel und Kriege, die die damaligen Herrscher anzetteln, zwingen ihn zu schwierigen Entscheidungen. So erschlägt er zum Beispiel seinen besten Freund Ferdia und ebenfalls – ohne es zu wissen – seinen Sohn Connla. Krieg und Kampf ist in diesem Zyklus zwar reichlich vorhanden, doch all die Gewalt hat immense Konsequenzen: Strahlende Sieger bringen die Kriege in diesem Zyklus selten hervor.

Magie und Humor kommen auch nicht zu kurz: Cú Chulainn erlebt allerhand spannende Abenteuer. Seine vielen Frauengeschichten bringen ihm allerdings immer wieder Ärger ein: Sein Ende findet er schließlich auch, weil er die Avancen der Morrigan verschmäht und Königin Medb mehr als einmal verärgert hatte. Denn beide sind am Ende daran beteiligt, dass er durch einen Trick in die Irre geführt und schließlich getötet wird.

Der Finn-Zyklus

Der sogenannte Finn-Zyklus ist der bekannteste unter den Zyklen in der irischen Mythologie. Er handelt von den Fianna, einer Gruppe von Leibwächtern des Königs, die umherziehen und Abenteuer erleben. Ihr Anführer ist Fionn mac Cumhaill, ein Krieger mit ungeheurer Weisheit, die der legendäre Lachs der Weisheit ihm gegeben hat. Anders als beim Ulster-Zyklus sind die Geschichten freundlicher und märchenhafter.

Lachs der Weisheit

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

Gestaltwandlung spielt eine große Rolle: Sadhbh, Finns Frau, erscheint zunächst in Form eines Rehs – ebenso wie später sein Sohn Oisin. Es gibt viele Parallelen zwischen den Geschichten Fionns und denen um König Artus. Die Tuatha Dé Dannan tauchen in den Geschichten oft auf – und auch wenn Sie vermeintlich nur noch Feenwesen sind, scheinen ihre göttlichen Aspekte doch immer wieder durch.

Der historische Zyklus

Schließlich gibt es noch den Historischen Zyklus, der hauptsächlich in der Zeit vom 3. bis zum 11. Jahrhundert spielt und aufgrund der vielen Königslegenden auch Königs-Zyklus genannt wird. Eine der zentralen Erzählungen ist Bóruma, deren Hauptfigur der legendäre König Brian Boru ist. Sie erstreckt sich über mehrere Jahrhunderte.

Irische Mythologie im heutigen Irland

Die Mythologie Irlands ist heute noch überall spürbar. Cú Chulainn ist nach wie vor eine Art Nationalheld und die alten Geschichten tauchen in Ortsnamen an vielen Stellen in Irland auf. Noch heute werden Samhain, Imbolc, Beltane und Lughnasadh gefeiert. Alle diese keltischen Feste sind eng mit der irischen Mythologie und den sagenhaften Göttern verbunden

Viele der mythischen Orte Irlands könnt Ihr ebenfalls heute noch besuchen – und vielleicht ein wenig der alten Magie spüren: So befindet sich das Grab der Queen Medb der Legende nach auf dem Knocknarea Mountain. Das ist ein beeindruckender Hügel, von dem aus man einen wunderbaren Blick auf die umliegende Landschaft hat. Angeblich wurde die Königin stehend dort begraben, damit sie jederzeit wieder heraustreten und zu den Waffen greifen kann. Der Hill of Tara im County Meath ist das legendäre Zentrum der alten Götter gewesen. Und Eamain Macha – der Sitz des Königs Connor Mac Nessa aus dem Ulster Zyklus – ist das heutige Navan Fort in der Nähe von Armargh in Nordirland. Und zu guter Letzt: Die sogenannten Finn McCool’s Fingers befinden sich in Connemara.

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Über den Autor

Heike Fries

Irland ist eine Herzensangelegenheit für mich und neben der irischen Musik hat es mir vor allem der irische Sagenzyklus angetan.

Ich habe Irland schon als Schülerin mehrmals besucht. Damals hatte ich das Glück, die ganze Insel über mehrere Wochen kennenzulernen. Das blieb natürlich nicht ohne Folgen: Es ist bis heute mein Lieblingsland.

Ich bin Autorin und Künstlerin und irische Motive schmuggeln sich auch immer wieder in meine Zeichnungen. In meiner Freizeit spiele und singe ich in einer Band. Wir sind zwar keine richtige Folkband, haben aber den ein oder anderen irischen Song im Programm. Ich spiele außerdem ein wenig Bodhrán. Da ich nicht genug übe, bin ich nicht besonders gut – aber ich bin mit Begeisterung dabei.

2 Comments

  • Hallo Heike Fries,
    ich habe den irischen Newsletter abonniert und soeben Ihren Bericht über die irische Mythologie gelesen. Ich interessiere mich sehr für die keltische, gälische, schottische, walisische und englische Geschichte. Meine Bitte an Sie: können Sie mir ein Buch, in dem ich über die (vor allen Dingen die ursprüngliche) irische Mythologie lesen kann. Würde mich freuen, von Ihnen zu hören.
    Einen schönen Sonntag noch und bleiben Sie gesund,
    mit freundlichen Grüßen

    Ute Ernst

    • Hallo Frau Ernst,

      die irische Mythologie ist ein faszinierende Bereich und es gibt eine Menge Bücher dazu. Leider kann ich Ihnen kein deutschsprachiges Buch nennen.

      Meine englischsprachigen Quellen sind aber zum Beispiel Celtic Myths and Legends von T.W. Rolleston – ein ziemlich altes Buch, das einen guten, aber eher trockenen Überblick über die unzähligen keltischen Geschichten bietet.

      Schön ist auch Over Nine Waves von Marie Heaney, in dem Sie ausgewählte und neu übersetzte Geschichten der irischen Mythologie finden.

      The Dictionary of Celty Mythology von Peter Berresford Ellis bietet einen tollen Überblick über die einzelnen Götter und Personen der keltischen Mythologie.

      Auf deutsch kann ich Ihnen das Sagenbuch der walisischen Kelten übersetzt von Bernhard Maier and Herz legen – das ist zwar nicht irisch, aber eine tolle Lektüre.

      Ich hoffe, ich konnte Ihnen ein paar Tipps geben.

      Viele Grüße,
      Heike Fries

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